Kardinal Woelki bietet Rücktritt an - weil er Erzbischof bleiben will
Kardinal Woelki hat dem Papst den Amtsverzicht angeboten. In Wahrheit spielt er aber auf Zeit. Ein Kommentar.
Kardinal Woelkis Rücktrittsangebot ist sein letzter Versuch, in Köln doch noch im Amt zu bleiben. Viel Aussicht auf Erfolg hat dieses Unterfangen aber nicht. Der erhoffte Neustart am Rhein könnte nur dann gelingen, wenn der nach seiner Auszeit wieder amtierende Erzbischof ganz rasch einen radikalen Kurswechsel vollzöge: vor allem in kirchenpolitischer und kommunikativer Hinsicht. Das aber ist nicht zu erwarten, weil Woelki dann nicht mehr Woelki wäre. Es geht ausdrücklich nicht darum, einem Menschen überhaupt keinen Willen zur Veränderung zuzutrauen oder jede von ihm geäußerte Selbstkritik höhnisch abzukanzeln als billigen Versuch sich irgendwie an der Macht zu halten.
Aber dass Kardinal Woelki in Zeiten einer fundamentalen Kirchen- und Glaubenskrise als Erzbischof von Köln der richtige Mann am richtigen Ort wäre, das darf doch stark bezweifelt werden. Dafür ist in den vergangenen Monaten und Jahren zu viel Vertrauen bei den Betroffenen sexualisierter Gewalt, unter den Gläubigen und in der Priesterschaft zerstört worden, als dass das zerschlagene Porzellan binnen weniger Monate einfach zu kitten wäre. Viel Zeit hat Woelki aber nicht.
Quälende Hängepartie für das Erzbistum Köln
Schon jetzt steht mit der Entscheidung des Papstes, den umstrittenen Erzbischof erst einmal auf Probe im Amt zu belassen, dem Erzbistum eine quälende Hängepartie bevor. Wem soll das helfen? Kardinal Woelki verschafft das Rücktrittsgesuch zunächst ein wenig Handlungsspielraum. Der Papst will ihm offensichtlich eine gewisse Zeit einräumen, um nicht selbst als unbarmherzig dazustehen. Gleichwohl wäre hier das Prinzip der klaren Kante die für alle Beteiligten bessere Alternative. Niemand möchte ja ein Berufsverbot über Kardinal Woelki verhängen. Aber ob er zum Wohle der Kirche am besten als Erzbischof von Köln fungieren sollte?
In Rom ist zum Beispiel der herausgehobene Posten einer wichtigen Behörde vakant. Nämlich die Leitung des vatikanischen „Entwicklungsministeriums“, das sich um Migranten, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklungspolitik kümmert. Rainer Maria Woelkis entschiedene Position zugunsten von Flüchtlingen und sein konsequentes Einstehen für die soziale Frage schätzt Papst Franziskus ausdrücklich an ihm. Ist das eine Lösung, wenn es in Köln nicht klappt?
Die wahre Entscheidungsmacht liegt bei den Gläubigen
Am Ende wird der Papst darüber befinden müssen, ob er den Kölner Erzbischof im Amt belässt oder nicht. Die wahre Entscheidungsmacht kommt in der Causa des Kölner Kardinals aber ohnehin den Gläubigen zu. Wenn sie nicht mehr wollen, wird Woelki keine Zukunft am Rhein haben. Der Kardinal hat mit seinem Rücktrittsgesuch - ohne es wahrscheinlich zu wollen - indirekt eine erzbischöfliche Selbstverpflichtung in eigener Sache abgegeben.
Ein angenommener Rücktritt durch den Papst aufgrund der Überzeugung der Gläubigen würde die katholische Kirche ein gehöriges Stück weit verändern. Und wäre auch in gewisser Hinsicht eine Premiere. Weil die Macht eines Bischofs dann faktisch nicht mehr nur allein vom Papst abhinge. Dies ist übrigens eine Kernforderung des katholischen Reformprozesses hierzulande. Erzbischof Woelki steht dem Synodalen Weg gleichwohl bislang weitestgehend ablehnend gegenüber. In dem Rücktrittsgesuch eines konservativen Kardinals könnte am Ende gar eine reformpolitische Pointe stecken.
Woelkis Bitte um eine zweite Chance an einem Aschermittwoch - an dem ja bekanntlich alles vorbei ist - das ist nicht frei von einer gewissen Portion kölscher Ironie.
