"Töchter einer neuen Zeit": Roman als temporeiches Theaterstück
Mit "Töchter einer neuen Zeit" ist der Hamburger Autorin Carmen Korn 2017 ein echter Bestseller geglückt. Der erste Teil ihrer Romantrilogie hat nun als Theaterstück am Ernst Deutsch Theater Uraufführung gefeiert.
150 Szenenwechsel in fast drei Stunden, ein Tempo, das Seinesgleichen sucht. Das Ensemble greift sich scheinbar wahllos Requisiten, Türen, Betten, Briefkästen von einem Haufen in der Mitte: Alles ist in Bewegung. Die Bühne verwandelt sich ständig, und die hinreißende Live-Musik schafft eigene Räume.
Ein Auto entsteht aus einem simplen Bett und einem Tuten des Akkordeons, die perfekte Illusion. Eine Hausklingel unsichtbar neben einem Türrahmen, einer drückt in die Luft. "So spartanisch", meint ein Zuschauer, "aber man bekommt alles mit". Und ein anderer meint: "Diese Aufarbeitung der Geschichte, die schnellen Szenen, das war schon sehr beeindruckend".
Rausch von Bildern
Fünf junge Frauen stehen im Zentrum der Geschichte. Fünf Frauen, die zu Freundinnen werden, alle rund um das Jahr 1900 geboren. Sie suchen ihre Chance im Leben. Die Geschichte beginnt 1919. Henny und Käthe fangen in der Geburtsklinik Finkenau an der Alster als Hebammen an. Lina wird Lehrerin und verliebt sich in Louise, eine Dramaturgin am Thalia Theater. Ida, aus gutbürgerlichem Haus, emanzipiert sich von ihrem Ehemann und findet die Liebe ihres Lebens auf St. Pauli. Nach dem Ersten Weltkrieg bieten sich Frauen neue Chancen: Beruf, Wahlrecht, sexuelle Freiheit.
Mit wenigen Handgriffen und Möwenschreien werden aus zwei Bettgestellen die Landungsbrücken. Dieser Rausch der Bilder reißt auch die Schöpferin der Geschichte, Carmen Korn, mit, die im Zuschauerraum sitzt: "Ich bin begeistert. Ich finde das so großartig, diese Dichte dieser ganzen Handlung drumherum. Dann finde ich diese Lösung mit dem Bühnenbild hinreißend, die unglaublich beweglichen Teile und die Musiker da reinzusetzen. Ich fühle mich sehr verstanden."
Tempo der Aufführung ist hoch
Der Roman "Töchter einer neuen Zeit" wird hier zum packenden Geschichtspanorama mitten in Hamburg. Die Stärke des Abends in der Regie von Gil Mehmert ist sein mitreißendes Ensemble und diese ständigen Verwandlungen. Das Tempo ist allerdings so hoch, dass man erstmal Mühe hat, sich zurechtzufinden und vor allem: die Figuren kennenzulernen. Aber mit der Zeit gewinnt das Stück einen enormem Sog. Die Welt der fünf Frauen zerbricht, als die Nazis an die Macht kommen. Als Juden und Jüdinnen verfolgt und Kommunisten erschossen werden.
"Da denkt man schon darüber nach, selbst wenn man jetzt so jung ist und erst da reinwächst", findet eine junge Zuschauerin. "Es ist auch eher so ein Wachrütteln, wählen zu gehen und zu sagen: Mensch, wir haben es in der Hand, dass sowas nicht nochmal passiert." Fast auf den Tag 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs kommt dieses Stück gerade richtig: Es geht um die Freiheit, zu leben und zu lieben, wie Mann oder Frau will. Für diese Botschaft gibt es stehenden Applaus.
"Töchter einer neuen Zeit": Roman als temporeiches Theaterstück
Der Romanvorlage wird zum packenden Geschichtspanorama mitten in Hamburg. Die Stärke des Abends liegt im mitreißenden Ensemble.
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Ernst Deutsch Theater
Friedrich-Schütter-Platz 1
22087 Hamburg
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