Kommentar zum Krach beim Hamburg Ballett: Kultursenator Brosda muss ran
Fünf Spitzensolisten haben schon beim Hamburg Ballett gekündigt und die Hälfte des Ensembles hat einen Brandbrief an den Kultursenator unterschrieben - ein offener Konflikt zwischen Ensemble und neuem Ballettintendanten Demis Volpi. Ein Kommentar.
Viele der Tänzer sorgen sich um die Qualität der Compagnie und fühlen sich vom Neumeier Nachfolger, dem neuen Ballettintendanten Demis Volpi nicht genug gefordert und wertgeschätzt. Am Wochenende haben sie einen Brandbrief an Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda abgeschickt. Ehrlich gesagt: mir blutet das Herz. Und zwar sehr. Und zwar für beide Seiten. Wenn ich an die Compagnie denke und auch an ihren Chef, Demis Volpi.
Die Folgen eines schweren Erbes?
Der hat wirklich ein schweres Erbe angetreten. Wie schwer, das zeigt sich jetzt. Eine Compagnie zu übernehmen, die 51 Jahren lang von - ja man muss es wohl so sagen - einem Choreografen-Genie wie John Neumeier geleitet wurde, der schon lange Tanzgeschichte geschrieben hat, kann nicht glatt gehen.
Unter John Neumeier gab es meistens John Neumeier. Damit hat die Compagnie ihre Exzellenz erreicht - ihre weltweite Bedeutung. Demis Volpi hat die Aufgabe, Neumeier Ballette zu bewahren, aber eben auch andere Tanzsprachen nach Hamburg zu holen. Und natürlich seine eigene zu zeigen. Neuland für die Compagnie. Gut so. Die Ballettwelt dreht sich eben. Und der Tanz hat viele Sprachen. Das ist ja das Tolle.
Erfolg allein ist offenbar zu wenig
Die Ballettabende, die Demis Volpi mit seinen und anderen Choreografien gestaltet, sind Publikumserfolge. Das muss man erstmal schaffen. Aber offenbar gibt es noch eine andere Seite, als die künstlerisch - choreografische – sonst gäbe es den Brief nicht.
Wenn man Balletttänzer wird, ist man eigentlich nichts anderes: Das Training ist hart, die berufliche Halbwertszeit gering, das Leben bewegt sich zwischen Probenraum und Bühne. Balletttänzer ist man mit Haut und Haar oder gar nicht. Balletttänzer wollen sich um das kümmern, was sie lieben: das Tanzen. Und nicht Briefe mit Hilferufen an den Kultursenator schreiben. Die schreibt man mutmaßlich nur, wenn der Leidensdruck sehr groß ist. Und das ist er offenbar. Fast die Hälfte der Mitglieder vom Hamburg Ballett hat den Brief unterschrieben.
Jetzt ist Kultursenator Brosda gefragt
Und da ist die Rede von schlechter Kommunikation, fehlender Transparenz und einer oft "abschätzigen Haltung". Und das klingt gar nicht gut. Demis Volpi selbst sieht die Kündigungen als Teil des Wandels, weist die Vorwürfe zurück, sagt seine Tür sei immer offen. Aussage gegen Aussage, wenn man so will. Und verhärtete Fronten. Gespräche mit allen Beteiligten gibt es schon, heißt es heute noch einmal auf Nachfrage aus der Kulturbehörde. Und der Kultursenator muss jetzt erfolgreich vermitteln. Sonst kommen wahrscheinlich noch mehr Kündigungen und dann steht das Hamburg Ballett wirklich auf der Kippe.
Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.
