Donald Trump hat die Augen geschlossen und scheint vor einen Schild, auf dem "100 Days of Greantness" steht, zu tanzen. © Alex Brandon/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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AUDIO: NachGedacht: 100 Tage "Größten-Wahn" mit Donald Trump (4 Min)

NachGedacht: 100 Tage "Größten-Wahn" mit Donald Trump

Stand: 02.05.2025 16:34 Uhr

Sich groß und wichtig zu fühlen - das ist eine feine Sache. Leider haut es nicht immer hin. Vielleicht haben wir doch eher Käferformat.

von Ulrich Kühn

Wer wäre nicht gern ein bisschen größer, berühmter, bedeutender? Die paar Menschen, denen solche Gedanken lebenslang fremd bleiben, sind Raritäten. Es fängt bei den Kindern an: "Wenn ich mal groß bin", sagen sie mit leuchtenden Augen, "will ich eine berühmte Schriftstellerin sein. Wie Astrid Lindgren". Größer werden, um groß zu sein, der Kinderwunsch bleibt in den Herzen lebendig. Manche schaffen es, ihn schlafen zu legen - wenn es mit der Größe nicht hinhaut, ist das eine vernünftige Maßnahme, man quält sich sonst so sehr. Bei anderen kreischt er pausenlos, der nagende Größenwunsch. Das sind die lieben Mitmenschen, die uns permanent über ihre unvergleichliche Grandiosität auf dem Laufenden halten. Habe ich unvergleichlich gesagt? Falsch! Je größer sich die selbsterklärten Großlinge morgens vor dem Spiegel finden, desto wichtiger der Vergleich. Reicher als! Smarter als! Mächtiger als! Groß bin ich im Vergleich zu anderen. Gern auch auf ihre Kosten.

Donald Trumps "100 Days of Greatness" 

Ein Prachtexemplar dieser Selbstbespiegelung fährt gerade Schlitten mit Menschenrechten und Weltwirtschaft. Sonnenklar, dass seine 100 ersten Tage im Amt die weltbesten waren. Mit dem Slogan "100 Days of Greatness" hat er seine Gottgesandtheit in einem Anfall von Bescheidenheit zelebriert. Passender wäre die finale Steigerungsform von Greatness gewesen: 100 Days of Trumpness, zu Deutsch: 100 Tage Größten-Wahn.

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Ein Mann mit gelblichen Haaren im unförmigen Sakko hält ein Dokument hoch, auf dem in fetter Tinte seine riesige Unterschrift zu sehen ist - US-Präsident Donald Trump © Evan Vucci/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Evan Vucci

NachGedacht: Zölle, Börsen, Menschen - Gott-Spieler Trump

Man hätte so gern, dass Trump einem egal sein kann. Geht nicht, weil er eine scheinbar harmlose Kulturtechnik pervertiert: Er spielt. Und zwar Gott. mehr

Denn eines ist ja klar: Narzissten, die ihrer eigenen Übergröße huldigen, sind fantasiebegabt. Sie imaginieren eine Wirklichkeit, die es nicht geben kann, aber unbedingt geben soll. Wo solche Fantasie waltet, ist der Wahn dann nicht weit. Zwölf Jahre haben ausgereicht, um die Größenwahn-Fantasie vom "Tausendjährigen Reich" zum Elend der ganzen Menschheit ins Werk zu setzen. Im antisemitischen Wahn schritt er voran, der kleine böhmische Gefreite, der ein großer Maler hatte werden wollen und im Männerheim gelandet war, ehe viel zu viele Menschen ihm viel zu willig folgten.

Der "größte Feldherr aller Zeiten" hat sich davongestohlen 

"Größter Feldherr aller Zeiten", so ist Hitler vom Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel genannt worden, dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, der vor 80 Jahren die bedingungslose Kapitulation zeichnen musste. Weltherrschafts-Fantasie und Welttrümmerfeld. Und der Gröfaz, wie sein untergehendes Volk ihn sarkastisch nannte, hatte sich selbstmordend davongestohlen. Vor aller Welt Augen auf das Maß gestutzt zu werden, das ihm zukam: Das hätte er nicht ertragen.

Nein, dies ist kein Trump-Hitler-Vergleich. Der wäre historisch neben der Spur und insgesamt völlig absurd. Dies ist weiter nichts als ein kleines Memento Mori. Im alten Rom stand beim Triumphzug hinter dem siegesgefühlsstrotzenden Feldherrn einer, der ihm den Lorbeerkranz übers Haupt hielt und ihm immerzu ins Ohr sagte: Bedenke, dass du sterben wirst. Memento mori. Ein guter Rat für alle, die Macht haben und in Versuchung geraten, ihre Größe zu überschätzen. Gilt im Arbeitsleben wie in der Politik. 

Käferblick statt Größenwahn

Ein Kulturstaatsminister, nur als Beispiel, wird nicht qua Amt zum Weltdeutungs-Wahr-Sager. Und selbst ein frisch gekürter Bundeskanzler kann kritische Geister um sich gebrauchen, die ihn an seine Fehlbarkeit und an die Endlichkeit seiner Macht erinnern. Lorbeerkränze werden in der Demokratie nicht benötigt, Vergleiche schon eher, und zwar heilsame. Denn es stimmt ja: Größe ist relativ. Der Historiker Jacob Burckhardt hat es im größenversessenen 19. Jahrhundert auf den Punkt gebracht: "Dem Käfer im Grase kann schon eine Haselnussstaude (falls er davon Notiz nimmt) sehr groß erscheinen, weil er eben nur ein Käfer ist." Notiz davon nehmen: Darauf kommt es an. Vergnügt das eigene Käfer-Sein begreifen, "die Kleinheit eines jeden", wie Burckhardt es sagte. Und dann aber kraftvoll die Flügel schlagen und als der Käfer, der man ist, vom Boden abheben.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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Ulrich Kühn, Claudia Christophersen und Alexander Solloch. © NDR Foto: Christian Spielmann

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NachGedacht | 02.05.2025 | 10:20 Uhr

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