Kinder- und Jugendbücher zum Thema Nationalsozialismus
In der kommenden Woche jährt sich das Kriegsende zum 80. Mal. Bücher können helfen, die Zeit des Nationalsozialismus besser zu verstehen. Wir stellen eine Auswahl für Kinder und Jugendliche vor.
"Nicht sehr lang her, nicht sehr weit weg" von Carla Infanta Gabor

Dieses künstlerische Sachbuch erklärt, was der Holocaust ist und wie es dazu kam. Es ist chronologisch aufgebaut, beginnend mit der politischen Situation in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Die Texte sind kurz und sachlich, aber leider nicht immer kindgerecht. Da braucht es auf jeden Fall einen Erwachsenen, der die Informationen ergänzt. Außerordentlich hingegen die Gestaltung: ganz klares, strukturiertes Layout, das die Dramaturgie vorgibt. Alles ist in Schwarz-Weiß und Grautönen gehalten, mit ganz wenigen gelben Akzenten. Nach etwa der Hälfte und vielen grundsätzlichen Erklärungen gibt es eine ganz schwarze Doppelseite, darauf nur die Schrift "Das Grauen beginnt". Und die Zeichnungen werden immer eindringlicher, sodass sich die Ungeheuerlichkeit des Verbrechens an den Juden allein durch die Illustrationen vermittelt. Erschütternd und beeindruckend.
"Geheimname Eisvogel" von Liz Kessler
Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt; die historische Erzählung setzt im Jahr 1942 ein: Die zwölfjährige Mila und ihre drei Jahre ältere Schwester Hannie leben in den Niederlanden - und die Bedrohung durch die Nationalsozialisten wird immer schlimmer. Ihre Eltern entschließen sich, die Kinder zu einer nicht-jüdischen Familie zu schicken, damit sie unter neuen Identitäten ein möglichst normales Leben führen können. Aber Hannie entscheidet sich, sich dem niederländischen Widerstand anzuschließen und gerät in große Gefahr. Parallel dazu lernt man auf der Gegenwartsebene Liz kennen, Milas Enkelin. Mila soll für ein Schulprojekt etwas über ihre Familie herausfinden, beißt bei ihrer Großmutter aber auf Granit. Die will partout nicht über die Vergangenheit reden. Als sie ins Altenheim umzieht, hilft Liv ihrem Vater, das Haus der Großmutter auszuräumen - und findet dabei eine Kiste mit Briefen und Hinweise auf eine Freundschaft in Amsterdam. Stück für Stück versucht Liv, die Geschehnisse von damals zu rekonstruieren.
Die britische Kinderbuchautorin Liz Kessler hat hier wieder einen spannenden Roman vorgelegt, der Geschichte und Gegenwart verknüpft.
"Ingrid und Paul" von Ingo Hach und Luise Mirdita
Diese Graphic Novel erzählt von zwei Geschwistern, die in Berlin während des Nationalsozialismus aufwachsen. Während Ingrid schockiert ist von den Gesetzen der Nazis, von der Ausgrenzung und Anfeindung, findet ihr jüngerer Bruder Gefallen an der Gemeinschaft in der Hitlerjugend. In 13 Episoden, die zwischen 1933 und 1945 spielen, erlebt man den Alltag dieser Familie und erfährt, was es bedeutet, mit der nationalsozialistischen Ideologie aufzuwachsen.
Die Zeichnungen sind klassisch in Bleistiftfarben, wirken erst wie alte Fotos und werden dann immer härter und bedrohlicher - analog zur dramatischen Entwicklung der Geschichte. Eine Alternative für junge Menschen, die etwas über diese Zeit erfahren möchten, aber nicht so gern lesen.
"Das letzte Aufgebot" von Moritz Seibert
Noch ein anderer Blick auf die Zeit: 1944 befindet sich die Welt im Krieg. Aber in vielen kleinen Dörfern in Deutschland merkt man davon fast nichts. Der 15-jährige Jakob ist verknallt in Maria, verbringt Zeit mit seinen Kumpels bei der Hitlerjugend, arbeitet auf dem Feld. Der Krieg - ist anderswo. Aber dann kommen SS-Männer ins Dorf und verkünden, dass Jakob und seine Freunde eingezogen werden. Ohne Ausbildung, ohne Ausrüstung sollen sie an die Front - und lassen sich mitreißen vom vaterländischen Gedanken. Bis etwas passiert und Jakob sich entscheiden muss, ob er wirklich in diesen Krieg ziehen oder für andere Ideale kämpfen will.
Der Autor Moritz Seibert lenkt den Blick auf ein ganz normales Dorf in Deutschland im Herbst 1944. Natürlich sind die Väter an der Front und die Jungen in der Hitlerjugend. Wie selbstverständlich werden die Parolen nachgeplappert, die Gesetze akzeptiert, Ungerechtigkeit hingenommen, wenig hinterfragt. Auch solche Geschichten sollte man kennen, wenn man sich fragt: Wie konnte das passieren?
