Ein Mann mit einem Rucksack, auf dem das Wort "Press" steht, wird von einem Polizisten begleitet. © IMAGO / BREUEL-BILD
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AUDIO: Pressefreiheit: Angriffe auf Journalisten auf Höchststand (7 Min)

Pressefreiheit: Angriffe auf Journalisten auf Höchststand

Stand: 05.05.2025 14:48 Uhr

Die Pressefreiheit in Deutschland ist bedroht: Journalistinnen und Journalisten werden immer häufiger körperlich angegriffen. Wie kann man dem entgegenwirken? Ein Gespräch mit Patrick Peltz vom European Center for Press and Media Freedom.

Patrick Peltz ist unter anderem für die Studie "Feindbild Journalist:in" zuständig. Im Interview erklärt er, dass die Bedrohungslage für Journalist*innen in Ostdeutschland besonders hoch ist.

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Der Titel der Studie "Feindbild Journalist*in" verrät schon, in welche Richtung die Ergebnisse gehen könnten. Hat sich das in der aktuellen Ausgabe der Studie wieder bestätigt?

Patrick Peltz: Für die Studie untersuchen wir vor allem physische Angriffe auf Journalist*innen. Wir gehen generell der Frage nach: Können Journalist*innen ihre Arbeit in Sicherheit nachgehen, ohne dass sie befürchten müssen, dabei angegriffen zu werden? Hier müssen wir feststellen, dass die Bedrohungslage in den letzten vier Jahren enorm gestiegen ist und wir seit 2020 ein hohes Niveau an Angriffen auf Journalisten haben. Wir machen die Studie seit 2015, und vor 2020 gab es durchschnittlich rund 23 Fälle pro Jahr. Seit der Corona-Pandemie ist dieses Niveau deutlich angestiegen. Seit 2020 verzeichnen wir im Schnitt pro Jahr 75 Angriffe, also dreimal so viele. Für das letzte Jahr haben wir mit 98 Fällen ein neuen Höchststand seit Beginn der Langzeitstudie festgestellt.

Wann sprechen Sie denn von einem physischen Angriff? Wenn jemand jemanden schlägt - oder reicht auch Pöbeln in irgendeiner Form?

Peltz: Physische Angriffe bedeutenden einen physischen Kontakt, wenn also die physische Integrität eines Journalisten angegriffen wird. Das kann ein Wischen gegen die Kamera sein, das kann ein Schubsen sein, das geht aber auch bis zu schwereren Gewalttaten, wo Journalisten auch verletzt werden.

In welchem Umfeld ereignet sich das? Sind wir da auf großen Demonstrationen unterwegs, wo es um große weltpolitische Themen geht? Oder sind wir da auch in der Kleinstadt im lokaljournalistischen Bereich?

Ein junger Mann mit rotem Hemd blickt in die Kamera © Patrick Peltz
Patrick Peltz sieht in der aktuellen Entwicklung ein großes Problem für die Pressefreiheit.

Peltz: Physische Angriffe ereignen sich normalerweise auf Demonstrationen. Das variiert jedes Jahr zwischen 70 und 90 Prozent. Wir beobachten jedes Jahr einen hohen Sockel an extrem rechter Gewalt - das ist relativ konstant. Während der Corona-Pandemie sind diese heterogenen Proteststrukturen hinzugekommen, Stichwort Querdenker-Bewegung, wo es zu vielen Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten kam. Im vergangenen Jahr haben wir auch sehr viele Angriffe auf Journalisten im Bereich von sogenannten pro-palästinensischen Demonstrationen verzeichnet.

Aber abseits von physischen Angriffen gibt es - Stichwort: Lügenpresse - auch andere Formen der Agitation. An bestimmten Orten - wir haben uns Sachsen näher angeguckt - erleben wir, teilweise auch vor dem Hintergrund der letzten Wahlergebnisse und den politischen Entwicklungen dort, so etwas wie permanente Bedrohungslagen, besonders für Lokaljournalist*innen, die auch vor Ort leben.

Was können Sie Journalistinnen und Journalisten raten, wie sie mit dieser für sie sehr schwierigen Situation umgehen sollten?

Peltz: Zum einen muss man herausstellen, dass das durchaus heterogen ist. Journalist*innen, die zu Wirtschaftsthemen in Hauptstadtbüros arbeiten, sind sicherlich weniger im Fokus als beispielsweise Lokaljournalisten in Ostdeutschland oder generell Journalisten, die sich mit Themen befassen, die gesellschaftliche Konfliktlinien berühren. Aber dort, wo Journalistinnen und Journalisten verstärkt im Fokus von medienfeindlichen Akteur*innen stehen, bedarf es in den Redaktionen einer Sensibilisierung dafür, welcher Situation man da ausgesetzt ist. Und dann müssen Journalist*innen auch proaktiv geschützt werden: Sie brauchen juristische Unterstützung, und wenn sie Ziel von Angriffen geworden sind, braucht es auch eine psychische Unterstützung. Es muss auch im Bereich der staatlichen Institutionen darauf hingewirkt werden, dass Journalist*innen und auch die Pressefreiheit geschützt werden.

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Erleben Sie auch, dass diese Angriffe den Erfolg haben, dass Journalistinnen und Journalisten sich irgendwann zurückziehen und nicht mehr kritisch berichten, um sich selbst zu schützen?

Peltz: Wir haben das durchaus erlebt, beispielsweise während der Hochzeit von Corona, gerade auch in Sachsen, dass Journalisten gesagt haben: "Ich kann auf gewisse Demonstrationen nur mit Begleitschutz gehen - und wenn das nicht möglich ist, dann mache ich es nicht." In unserer jetzigen Studie, wo wir uns beispielsweise Sachsen und Thüringen vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklungen angeschaut haben, haben Journalisten auch gesagt, wenn sie über bestimmte Akteure berichten - und in der Lokalpolitik in Sachsen kommen sie an den extremen Rechten gar nicht vorbei - dass man dort Reaktionen schon mitdenkt, was auf das Geschriebene folgen kann. Die meisten Personen haben gesagt, dass sie hoffen, dass das ihre Berichterstattung nicht beeinflusst. Eine Person hat klar gesagt, dass sie aus Angst diese Themen nicht mehr berührt.

Hinzu kommen ökonomische Faktoren - gerade im Bereich des Lokaljournalismus ist das nicht besonders leicht. Wenn sie dann eh schon sehr viel zu tun haben und dann bei einer Berichterstattung damit rechnen müssen, danach angefeindet zu werden, kann es natürlich sein, dass Journalisten sich für das einfachere Thema entscheiden. Das ist ein großes Problem.

Wie sehr macht diese gesamte Entwicklung Ihnen ganz persönlich Sorge?

Peltz: Mir persönlich macht das natürlich große Sorge. Wenn man sich die derzeitigen Entwicklungen anschaut, dann ist das sicherlich ein großes Demokratieproblem. Wenn diese Tendenzen auftauchen, dann ist das ein großes Problem für die Pressefreiheit und letztlich auch für die Demokratie.

Das Gespräch führte Jan Wiedemann.

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