Bauhaus-Architektur in Celle, Siedlung "Italienischer Garten" © NDR Foto: Axel Franz

Celle: Bauhaus im Fachwerkidyll

Stand: 15.08.2023 12:48 Uhr

Vor 100 Jahren am 15. August 1923 startete die erste große Bauhaus-Ausstellung. Die Bauhaus-Künstler zeigten erstmals, wie radikal neu Design, Bauen und Zusammenleben am Bauhaus gedacht wurde. Auch im Norden haben sie zahlreiche Spuren hinterlassen - zum Beispiel in Celle.

Bei den Stichworten Celle und Architektur denkt fast jeder an Fachwerkhäuser. Tatsächlich stehen in der Südheide-Stadt Hunderte gut erhaltene Fachwerkgebäude aus mehreren Jahrhunderten. Weniger bekannt ist dagegen, dass Celle auch eine Verbindung zur Bauhaus-Architektur hat. Sie geht auf Otto Haesler zurück, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dort lebte und arbeitete. Neben mehreren Gebäuden im Bauhaus-Stil erinnert ein kleines Museum an Haesler.

Siedlungen gegen die Wohnungsnot

Otto Haesler

Otto Haesler (1880-1962) gehörte mit Walter Gropius zu den prägenden Architekten des Neuen Bauens in der Weimarer Republik. In Celle realisierte er ab 1906 zunächst zahlreiche Gebäude im traditionellen Heimat- und Landhausstil. 1923 entstanden seine ersten Siedlungshäuser im aufkommenden Stil des Neuen Bauens, den er später konsequent vertrat. Damit zählt Haesler zu den Wegbereitern der Bauhaus-Architektur. Seine Gebäude dienten Bauhaus-Schülern und -Lehrern als Anschauungsobjekte.

Der Architekt und Städtebauer Haesler, 1880 in München geboren, ließ sich 1906 als Selbstständiger in Celle nieder. Nach dem Ersten Weltkrieg verschrieb er sich der Idee, mit einem neuen Baustil die große Wohnungsnot lindern zu helfen. Für die Siedlungen "Italienischer Garten", "Georgsgarten" und "Blumläger Feld" entwarf Haesler helle, funktionale Gebäude mit zunächst geräumigen, später vielfach kleinen Wohnungen. Dabei orientierte er sich nicht am Fachwerkstil in der Stadt, sondern an den klaren, kubischen Formen der aufkommenden Bauhaus-Architektur. Gemeinschaftsflächen, Gärten und Einrichtungen wie Kindergarten und Cafeteria sollten das soziale Leben in den neuen Siedlungen fördern. Die Häuser setzten neue Maßstäbe in der Architektur.

Museum mit Musterwohnungen

Teile der noch heute modern anmutenden Gebäude sind weitgehend im Originalzustand erhalten. Manche Grundrisse wurden allerdings in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Kleinstwohnungen mit manchmal nur sechs Quadratmeter großen Zimmern waren nicht mehr zu vermieten. In der Siedlung "Blumläger Feld", südöstlich der Celler Altstadt, zeigt das Haesler-Museum, wie Menschen in den 1930er-Jahren lebten. In einem Wohnhaus blieben zwei Wohnungen aus jener Zeit unverändert erhalten und wurden mit originalen Einrichtungsgegenständen möbliert und ausgestattet. Vom Klappbett über Geschirr bis zum Zeitungspapier in der Toilette können Besucher nachvollziehen, wie bescheiden wenig begüterte Familien damals lebten.

Otto-Haesler-Museum

Galgenberg 13
29221 Celle
Tel. (05141) 21 74 87

Öffnungszeiten
Mi-So 13 bis 18 Uhr
sowie nach vorheriger telefonischer Vereinbarung

Eintritt frei, Spenden erbeten

Duschen im Badehaus

Im Keller des Gebäudes sehen Besucher eine Notwohnung für Kriegsheimkehrer aus dem Jahr 1945 - kaum mehr als ein karg möblierter Verschlag. Eine weitere Wohnung wurde im Stil der 1950er-Jahre mit Nierentisch und Plattenspieler dekoriert. Geduscht und Wäsche gewaschen wurde im gemeinsamen Wasch- und Badehaus der Siedlung, das ebenfalls besichtigt werden kann. Außerdem zeigt das Museum zahlreiche Fotos vom Leben in der Arbeitersiedlung.

Eine Schule im Bauhaus-Stil

Neben den Wohnsiedlungen schuf Haesler die Altstädter Volksschule, auch Glasschule genannt. Die kubischen, mit farbigen Akzenten strukturierten Gebäude aus den Jahren 1927/28 unterschieden sich deutlich von den bis dahin üblichen Schulgebäuden im üppigen Gründerzeit-Stil. Das gilt auch für das angrenzende Rektorenhaus sowie das einstige Wohnhaus des Direktors des Gymnasiums. Die Schule wird noch immer als Grundschule genutzt und gilt als einer der bedeutendsten Bauten des Bauhaus-Stils. Otto Haesler löste 1934 sein Büro in Celle auf und zog nach Eutin. 1962 starb er in Wilhelmshorst bei Potsdam.

Das Bauhaus

1919 gründet Walter Gropius in Weimar das Bauhaus, eine Schule für Architekten, Künstler und Designer. 1926 zieht das Bauhaus nach Dessau in ein von Gropius eigens entworfenes Gebäude, das mit seiner klaren und funktionalen Formensprache zum Inbegriff des neuen Baustils wird.

Kubische Formen, gerade Linien und viel Glas prägen die Bauhaus-Architektur. Sie soll zweckmäßig sein, den modernen Menschen in den Mittelpunkt stellen, sich seinen Bedürfnissen anpassen - und zugleich die Gesellschaft verändern: "Kunst soll nicht mehr der Genuss weniger, sondern Glück und Leben der Masse sein", so Gropius. Ein weiterer wichtiger Vertreter des Bauhauses war Ludwig Mies van der Rohe.

Karte: Bauhaus-Architektur in Celle

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