Eine Frau wählt aus einem Angebot an Lebensmitteln. © Picture Alliance Foto: Christin Klose

Glykämischer Index - so wirken Lebensmittel auf den Blutzucker

Stand: 12.05.2025 22:52 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Der Glykämische Index, auch Glyx-Index, gibt an, wie stark ein Lebensmittel den Blutzucker ansteigen lässt. Welche Nahrungsmittel haben eine geringe Glykämische Last? Was taugen Glukose-Selbstmessungen?

von Nadine Becker

Neben den Fetten sind Kohlenhydrate die wichtigsten Energielieferanten für unseren Körper. Aber Kohlenhydrat ist nicht gleich Kohlenhydrat. Manche sind besonders gesund, andere eher problematisch - vor allem, wenn man sie in größeren Mengen genießt. Der sogenannte Glykämische Index (GI) kann dabei helfen, kohlenhydrathaltige Lebensmittel besser einzuordnen. Er gibt an, wie stark ein Lebensmittel nach dem Verzehr den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt. Häufige hohe Blutzucker-Spitzen (Glukose-Peaks) mit anschließend starkem Abfall des Blutzuckerspiegels gelten als problematisch. Sie können Heißhunger fördern und so Übergewicht und damit auch Diabetes mellitus begünstigen.

Blutzucker-Peak: Rasanter Abfall besonders problematisch

Lebensmittel mit einem hohen Glykämischen Index enthalten schnell verdauliche Kohlenhydrate. Sie können also im Darm des menschlichen Körpers schnell aufgenommen werden. Das führt dazu, dass auch der Blutzucker schnell ansteigt. Es kommt zur Ausschüttung des Hormons Insulin (Insulinreaktion), was, vereinfacht gesagt, die Glukose aus dem Blut in die Zellen befördert. Der Blutzucker sinkt rasch wieder - oftmals besonders tief, und darauf reagiert der Körper mit Heißhunger und Lust, weiter und mehr zu essen. Das Spiel beginnt von vorn und kann zum Teufelskreis werden, wenn keine Esspausen eingehalten werden können. Mögliche Folge ist Gewichtszunahme und damit steigt auch das Risiko für Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und Arteriosklerose.

Studien: Hoher GI begünstigt Herzkreislauferkrankungen und Diabetes

Wenn Menschen viele Kohlenhydrate mit einem hohen Glykämischen Index essen, steigt das Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen und daran zu versterben um mehr als 25 Prozent. Das zeigt eine kanadische Studie, die 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Dafür hatten die Wissenschaftler fast 140.000 Erwachsene zwischen 35 und 70 Jahren auf fünf Kontinenten über 20 Jahre begleitet und ihre Ernährungsgewohnheiten sowie ihre Gefäßgesundheit untersucht. Zudem konnten große Kohortenstudien bereits zu Beginn der 2000er Jahre zeigen, dass eine Ernährung mit hoher Glykämischer Last assoziiert ist mit dem Risiko für Diabetes und dem metabolischen Syndrom.

Glykämischer Index: Wie stark steigt der Blutzuckerspiegel?

Der Glykämische Index (GI) gibt an, wie stark 50 Gramm Kohlenhydrate aus einem Nahrungsmittel den Blutzuckerspiegel innerhalb von zwei Stunden nach dem Essen ansteigen lassen. Als Referenzwert mit 100 gilt dabei Traubenzucker (Glukose), weil er den Blutzucker am schnellsten und stärksten in die Höhe treibt. Alle anderen Kohlenhydrate werden in Relation dazu bewertet. Mit einem Wert von 95 liegen Pommes frites zum Beispiel nur knapp unter dem Traubenzucker, Cornflakes haben einen Wert von 86, Äpfel von 36. Besonders niedrig ist der Wert bei Hülsenfrüchten wie Linsen, Erbsen und Kichererbsen (siehe Tabelle unten).

Kritik an Glykämischem Index: Lebensmittel nicht als Ganzes bewertet

Ein Problem des Glykämischen Index: Er bezieht sich nicht auf das Lebensmittel insgesamt, sondern nimmt immer 50 Gramm Kohlenhydrate des jeweiligen Lebensmittels als Ausgangswert für die Bewertung. Die Folge: Donuts haben den gleichen Glykämischen Index wie Wassermelonen (GI 75) und Baguette hat den gleichen wie gekochte Möhren (GI 70). Denn würde man 50 Gramm Kohlenhydrate aus der Wassermelone essen, würde der Blutzucker genauso ansteigen, wie bei 50 Gramm Kohlenhydraten aus einem Donut. Nur enthält Wassermelone vor allem Wasser und viel weniger Kohlenhydrate pro Gramm als der Donut. Um auf die 50 Gramm zu kommen, müsste man 800 Gramm Wassermelone essen - eine sehr große Portion. Ein Donut liefert diese Menge Kohlenhydrate schon in wenigen Bissen.

Das zeigt: Der Glykämische Index kann in die Irre führen und Fehleinschätzungen begünstigen. Denn Wassermelone ist nicht nur insgesamt deutlich gesünder als Donuts, sie hat bei normalen Portionsgrößen auch weniger Auswirkungen auf den Blutzucker.

Glykämische Last ist aussagekräftiger

Wichtiger noch als der Glykämische Index ist für Expertinnen und Experten deshalb die Glykämische Last (GL), die eine Erweiterung des Glykämischen Index ist. Um die GL zu berechnen, zählt nicht nur die Qualität der Kohlenhydrate, sondern auch die mit 100 Gramm des Lebensmittels zugeführte Menge an Kohlenhydraten: GL = GI x Kohlenhydrat-Menge pro 100 Gramm. Gekochte Möhren haben damit zum Beispiel eine Glykämische Last von 5 und Baguette von rund 34, obwohl ihr Glykämischer Index mit 70 gleich ist.

Die Glykämische Last ist damit ein realistischerer Indikator für den Blutzuckeranstieg und den damit ausgelösten Insulinbedarf.

Welche Lebensmittel haben einen niedrigen Glykämischen Index?

Als niedriger Glykämischer Index gilt ein Wert von unter 55. 55-70 ist ein mittlerer Glykämischer Index und über 70 ist hoch. Allgemein lässt sich sagen: Weißmehlprodukte haben oft einen hohen GI. Besser sind Vollkornprodukte sowie viel Obst und Gemüse und möglichst wenig hochverarbeitete Lebensmittel. Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln und weißer Reis haben einen hohen GI. Besser sind da Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Linsen, und Erbsen. Sie punkten mit einem sehr niedrigen GI und gesunden Ballaststoffen.

Die Lebensmittel in der folgenden Tabelle machen satt, haben einen niedrigen GI und lassen daher den Blutzuckerspiegel nicht so rasch ansteigen:

Lebensmittel mit niedrigem GI
LebensmittelGI
Linsen29
Kichererbsen20
Frische Erbsen35
Pumpernickel40
Vollkornbrot mit Hefe/ Sauerteig40
Vollkorncouscous45

Keine feste Größe: Zubereitung beeinflusst den GI

Weder der Glykämische Index noch die Glykämische Last sind stoffspezifische Konstanten. Das heißt, sie hängen von vielen Faktoren ab. Ein wichtiger Faktor, der die Höhe des GI bestimmt, ist die Zubereitungsform. So hat die gleiche Kartoffel in Form von Kartoffelpüree zum Beispiel einen erheblich höheren GI als wenn man sie als Kartoffelsalat äße. Denn das Stampfen führt zur Oberflächenvergrößerung, der Körper kann die Glukose schneller und leichter herauslösen. Beim Abkühlen der gekochten Kartoffel entsteht dagegen resistente Stärke. Sie ist für den Körper schwieriger aufzunehmen, der GI ist also geringer. Dieser Effekt besteht auch bei Nudeln und bleibt sogar bestehen, wenn die beiden Lebensmittel wieder aufgewärmt werden.

Haferflocken bremsen Blutzucker und Insulin-Antwort

Haferflocken haben einen GI von 40-55, je nachdem wie sie aufbereitet sind (zum Beispiel Feinblatt versus Großblatt). Sie enthalten zudem aber einen besonderen Stoff: Beta-Glucan. Das ist eine heterogene Gruppe von Polysacchariden, die viele positive Eigenschaften auf den Stoffwechsel haben. Unter anderem können sie den LDL-Cholesterin-Spiegel senken, vor allem aber den Blutzucker- und Insulinspiegel nach dem Essen signifikant bremsen und stabilisieren. Zu dem Ergebnis kommt eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse, die 2021 im European Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde. Diese Vorteile von Hafer sind auch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als sogenannte "Health Claims" zugelassen, das bedeutet, dass mit dieser Aussage geworben werden darf. Eine Haferkur ist besonders für Menschen mit Diabetes Typ 2 oder einer Fettleber interessant.

Vorsicht vor Glukose-Selbstmessung bei Gesunden

Was Diabetiker aufgrund ihrer Erkrankungen machen müssen, wird inzwischen im Internet und in den sozialen Medien auch für Gesunde beworben: Eine kontinuierliche Glukosemessung per Sensor, der für bis zu 14 Tage an Bauch oder Oberarm angebracht wird. Damit erhoffen sich Nutzende mehr Kontrolle über ihren Blutzucker. Sie wollen Blutzucker-Peaks bewusst vermeiden, wobei eine Definition solcher Glukosespitzen oft unklar bleibt. Allerdings mangelt es bisher an qualitativ hochwertigen und kontrollierten Langzeit-Studien, die einen Nutzen bei Gesunden belegen. Denn viele Studien zur dauerhaften Messung wurden mit Menschen mit Diabetes gemacht. Die Ergebnisse lassen sich nicht immer einfach auf Gesunde übertragen.

Wichtig zu wissen ist auch, dass diese sogenannten kontinuierlichen Glukose-Mess-Systeme (CGM) nicht den Glukose-Wert im Blut messen, sondern den Gewebezucker im Unterhautfettgewebe. Dieser Wert kann dem aktuellen Blutzuckerwert um etwa 10 bis 20 Minuten hinterherhinken und eine Untersuchung zeigt, dass die Gewebesensoren den Glukose-Wert teilweise stark überschätzen und auch beim Nüchternblutzucker bereits Abweichungen bestehen.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) empfiehlt ein Glukose-Monitoring für Gesunde nicht. Denn das ständige Messen birgt auch Gefahren: Zum einen kann es in ein exzessives Kontrollbedürfnis ausarten, zum anderen ein problematisches Essverhalten befördern.

GI von Mensch zu Mensch unterschiedlich: Darmbakterien und Gene entscheidend

Der Glykämische Index eines Lebensmittels ist auch nicht bei allen Menschen gleich, denn essen zwei Personen das gleiche Nahrungsmittel, kann ihr Blutzuckerspiegel unterschiedlich stark ansteigen. Ein Grund dafür sind unsere Darmbakterien. Ihre Zusammensetzung beeinflusst die Blutzuckerreaktion in unserem Körper. Außerdem spielen genetische Faktoren eine Rolle und ob bereits eine etwaige Insulinresistenz, ein Prädiabetes oder Adipositas vorliegen. Wie der Körper auf Kohlenhydrate reagiert, ist nur in aufwendigen Tests herauszufinden. Trotzdem kann der Glykämische Index als Orientierung dienen und Produkte mit hohem GI sollten nur in Maßen verzehrt werden.

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NDR Fernsehen | Visite | 13.05.2025 | 20:15 Uhr

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