Intersektionalität: Was Geschlecht und Hautfarbe miteinander zu tun haben
"Intersektionalität" ist ein Begriff, der in gesellschaftlichen Debatten vielfach verwendet wird. Entwickelt wurde er von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw, um erklären zu können, wie verschiedene gesellschaftliche Diskriminierungen ineinander wirken.
Der Begriff Intersektionalität verbindet gesellschaftliche und individuelle Erfahrungen. Er basiert auf der Einsicht, dass soziale Kategorien wie Geschlecht, Herkunft, Klasse, Alter, Behinderung nicht isoliert voneinander wirken, sondern eng miteinander verwoben sind und ermutigt dazu, über vertraute Grenzen hinauszudenken und sich auch Widersprüchen zu stellen.
Intersektionalität: Abgeleitet vom englischen Wort für Kreuzung

Der Begriff klingt zunächst etwas kompliziert, wird jedoch verständlich, wenn darauf geschaut wird, wie er entstanden ist. Er ist abgeleitet von dem englischen Wort für "Kreuzung" (intersection). Dazu hat Crenshaw das Bild der Straßenkreuzung gewählt, die den Mittelpunkt bildet, an dem verschiedene Erfahrungen von Diskriminierung zusammentreffen und sich gegenseitig verstärken. Die von Ausgrenzung betroffene Person steht in der Mitte der Kreuzung, wo sie ein hohes Unfallrisiko hat, besonders verletzlich und schutzbedürftig ist, ohne dass ihre Situation auf einfache Gründe oder eigenes Verschulden zurückgeführt werden kann.
Kimberlé Crenshaw: Rassismus und Sexismus wirken zusammen
Ursprünglich hatte Kimberlé Crenshaw vor allem die Überschneidung von Rassismus und Sexismus und insbesondere die Situation Schwarzer Frauen im Blick. Als Juristin untersuchte sie Fälle, die vor Arbeitsgerichten verhandelt wurden. Die Klägerinnen erfuhren in den Unternehmen, in denen sie arbeiteten, Benachteiligungen: als Frauen und als Schwarze. Rechtlich war es aber nicht möglich, diese beiden Aspekte zu verbinden.
Intersektionaler Ansatz wird um Identität und andere Faktoren erweitert
Dieser Ansatz wurde in der Folgezeit erweitert. Aspekte wie Herkunft, Alter, sexuelle Identität, Behinderung wurden einbezogen. Denn sie wirken ebenfalls nicht unabhängig voneinander, sondern sind in ihren Auswirkungen eng miteinander verwoben. Auf Deutsch wird "Intersectionality" deshalb auch mit den Begriffen "Überkreuzungen" oder "Verwobenheit" wiedergegeben. Die damit verbundene Theorie dient zum einen dazu, die Verstrickungen, in die Einzelne eingebunden sind, zu entwirren und die Fäden zu sortieren. Zum anderen will sie auch dazu ermutigen, sich der Komplexität von Wirklichkeit anzunähern, über vertraute Grenzen hinauszudenken und sich auch Widersprüchen zu stellen.
Intersektionalität: Auch ein Thema für die Kirche
Auch in der Theologie versuchen immer mehr Menschen intersektional zu denken. Einfache Antworten darauf gibt es nicht. Wichtig ist es, miteinander ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen, Neugier zu entwickeln, über die eigenen Privilegien nachzudenken. Über Macht und Ohnmacht zu sprechen, Verantwortung zu übernehmen und bereit dazu zu sein, auf eigene Vorteile zu verzichten. Die eigenen Verletzungen wahrzunehmen und trotzdem offen anderen Menschen gegenüber zu sein, das Gegenüber zu fragen, was es braucht, um sich willkommen zu fühlen. Diese Offenheit ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit. Als wichtige gesellschaftliche Akteurin ist Kirche in der Lage, denjenigen eine Stimme verleihen, die ansonsten kein Gehör finden, die sozial ausgegrenzt werden.
Dabei sollte sie sich klar gegen rassistisches und antisemitisches Denken abgrenzen. Als Institution, zu der ganz unterschiedliche Menschen gehören, hat sie die Möglichkeit, ihre Räume für gesellschaftliche kontroverse Diskussionen zu öffnen. So kann sie Vielfalt eine Chance zur Entfaltung bieten und bewirken, dass die Freude an der Verschiedenheit, Empathie und Nähe im Miteinander wachsen kann.
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