Luise Wolfram: "Frauen werden über ihr Äußeres definiert und besetzt"
Im Bremer Tatort ermittelt Luise Wolfram als Linda Selb zusammen mit Jasna Fritzi Bauer. Dabei geht es um Mord, aber auch um Teamwork.
Luise Wolfram steht auf der Bühne und vor der Kamera. Witz, Zartheit und Haltung gehören zum Markenzeichen der 1987 in Apolda geborenen Schauspielerin. Unvergessen sind ihre Rollen in "Aus der Kurve", "Aenne Burda - Die Wirtschaftswunderfau" oder "Charité". Seit einigen Jahren ist sie vor allem auch in Krimis zu sehen: "Polizeiruf 110", "Morden im Norden" oder "Tatort".
Im Bremer "Tatort" war sie zunächst die BKA-Spezialistin Linda Selb. Seit 2021 gehört sie mit Jasna Fritzi Bauer zum neuen Bremer Ermittler-Team. Am kommenden Sonntag (11.05.) wird eine unbekannte Leiche am Ufer der Weser angespült. Liv Moormann und Linda Selb ermitteln in einem düsteren Netz aus Stalking, investigativen Recherchen und toxischen Beziehungen. Katja Weise spricht in NDR Kultur à la carte mit Luise Wolfram über ihre Arbeit.
Im Tatort spielen Sie die Rolle der Linda Selb. Dort werden Sie aber ganz oft nur als Selb angesprochen. Das passt zu diesem Charakter als Hauptkommissarin. Sie sind sehr kühl, manche verwenden auch den Begriff autistisch. Sie werden in der aktuellen Folge wieder Roboter-Frau genannt. Es ist eine spezielle Ausstrahlung, die Sie da haben, nicht nur auf die direkte Umgebung, mit Ihrer Kollegin, sondern auch auf die Verdächtigen. Ist das etwas, was Sie sich von Anfang auch als Rollenprofil gewünscht haben?
Luise Wolfram: Für die damals geschriebene Selb, die 2016 nur in dem einen Film auftreten sollte, war das total gesetzt und ausgedacht von dem damaligen Autor Christian Jeltsch. Ich habe das gelesen und fand das total witzig und zwar auf eine angenehme, undeutsche Art und dachte gleichzeitig, dass ich das auch gut spielen könnte. Das hat total gut geklappt. Ich spiele das wahnsinnig gerne, diese verschrobene, ein bisschen unhöfliche und direkte Art. Das macht mir total Freude. Man muss auch wirklich sagen, dass es diese Schroffheit in nicht so vielen Rollen für Frauen gibt. Das genieße ich total.
Weil Sie eigentlich ganz anders sind?
Wolfram: Ich würde sagen, ja. Aber das müssen andere Leute bestätigen. Ich glaube, ich habe anscheinend irgendwelche Anteile in mir, die ich aktivieren kann. Aber ich habe auch eine sehr direkte Art. Das ist schon was, was ich mag. Manchmal habe ich auch eine extrem umtänzelnde Höflichkeit an mir. Das strengt mich manchmal auch ein bisschen an. Ich mag das einfach gerne direkt zu sein. Wenn ich Sachen äußere, bin ich vielleicht auch manchmal einen Tick zu direkt. Vielleicht ist das der Punkt, der sich mit der Figur Selb deckt und den ich genieße.
Im Tatort, haben die beiden Kommissarinnen Streit. Sie - sprich Linda Selb - sind wirklich schlecht drauf, noch unzugänglicher als sonst, weil Sie noch mit einem zurückliegenden Fall beschäftigt sind, der jetzt offensichtlich auch eine Rolle zu spielen scheint. Da geht es um Stalking, um Investigativ-Journalismus und die Nöte alleinerziehender Frauen. Das ist auch ein Tatort von einem Frauenteam. Franziska Westermann hat das Drehbuch geschrieben, Regie führt Franziska Margarete Hoenisch. Ist das etwas, was für Sie als Schauspielerin auch eine Rolle spielt oder dann doch "Der Typ von Mensch", der Regie führt?
Wolfram: Das spielt natürlich eine Rolle, und mir ist das auch sehr lange gar nicht aufgefallen, dass ich meistens in großen Männerteams gearbeitet und das als ganz normal empfunden habe. Erst seitdem sich das ein bisschen per Quote ändert, merkt man eigentlich, das es einen Unterschied macht. Wir sind noch weit entfernt davon, dass die Arbeit pari-pari unter den Geschlechtern aufgeteilt ist.
Es ist einfach etwas anderes, wenn du mit einer ebenfalls 37-jährigen Frau etwas besprichst. Da ist natürlich entscheidend, was für eine Type das Gegenüber ist, ob man sich grundsätzlich mit dem Menschen wohlfühlt. Aber bei bestimmten Themen oder Filmen kann es eben auch total helfen, wenn noch drei andere Frauen im Raum anwesend sind und zum Beispiel über Abtreibung oder Themen, die sehr frauenspezifisch gelesen werden, redet. Das ist etwas Anderes. Das gibt einem oft auch einen größeren Schutzraum. Darum bin ich Verfechterin davon, dass dieser Weg weiter fortgeschritten wird, das einfach alle den gleichen Zugang zur Arbeit haben.
Sie sind jetzt 37 Jahre alt. Ist das Alter für Sie ein Thema? Mich hat es offen gestanden ein bisschen erschüttert, dass Stefanie Reinsperger - eine Kollegin von Ihnen - neulich in einem Interview erzählt hat, dass sie als 32-Jährige gefragt wurde, ob Sie eine 45-Jährige spielen könne. Sie hat das abgelehnt und gesagt, das würde befördern, das 45-Jährige das Gefühl hätten, sie müssten aussehen wie 32-Jährige. Sie mögen doch bitte eine Kollegin fragen. Ich habe schon das Gefühl, dass sich etwas verändert. Wie sehen Sie das?
Wolfram: Ja, es verändert sich auf jeden Fall was, aber vielleicht nicht genug und vielleicht auch nicht schnell genug. Alter an sich wird, glaube ich, auch für Frauen anders zu einem Thema als für Männer. Wobei das natürlich für jeden Menschen ein Thema ist. Frauen haben einfach in unserer Gesellschaft andere Dinge zu repräsentieren und zu leisten. Dabei spielt das Optische eben auch eine zu große Rolle. Das ist jetzt im Beruf der Schauspielerin immer wieder Thema, weil man so viel über sein Äußeres definiert und besetzt wird. Man kann sich gar nicht loslösen von diesem Äußeren.
Es ist Fakt, dass die geschriebenen Rollen ab 40 abnehmen. Man kann das ganz einfach nachlesen. Es gibt dazu inzwischen genug Evidenz, dass quasi die Arbeit einfach nicht mehr da ist, weil die Rollen nicht geschrieben werden. Das ist fatal, weil die Frauen sind alle da. Sie sind alle schon lange in diesem Beruf und auch auf das Geld angewiesen. Dass dann die Luft dünner wird, das muss nicht so sein. Für Männer ist es nämlich nicht so. Männer dürfen sich optisch mehr gehen lassen, sage ich jetzt mal. Männer sind dann als Charaktere trotzdem gewollt, Frauen sollen einfach weiter möglichst jung und hübsch aussehen.
Das Gespräch führte Katja Weise. Einen Ausschnitt davon lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie oben auf dieser Seite und in der ARD Audiothek hören.
