Mut zur Menschlichkeit: Schauspiel Hannover unter Vasco Boenisch
"Liebe will riskiert werden" lautet das Motto der neuen Spielzeit am Schauspiel Hannover, zugleich der Start von Vasco Boenisch als neuer Intendant. 24 Premieren stehen auf dem Programm, davon zehn Uraufführungen und einige neue Formate.
Eins ist gleich klar: Hier geht es lustvoll in die neue Spielzeit. Zu entspannter Musik wird in der Cumberlandschen Galerie alkoholfreie Maibowle gereicht und ein rotes Schweißband ausgeteilt - falls der Puls im Theater mal hochgeht. Ein Wärmezentrum will das Schauspiel Hannover ab der nächsten Spielzeit sein, eine Alternative zu Hass und Zerstörung unserer Zeit bieten, sagt der designierte Intendant Vasco Boenisch.
Boenisch: "Nächstenliebe ist ein Risiko"
Dass Liebe riskiert werden will - so das Motto der Spielzeit - beinhalte aber auch eine gewisses Risiko: "Weil es eine Ambivalenz hat", erklärt Boenisch, "weil es natürlich erst einmal diese Wärme ausstrahlt, die wir auch mit dem Theater ausstrahlen wollen. Wir wollen Menschen zusammenbringen und auf Menschlichkeit setzen - gerade in diesen kalten, auch teilweise aggressiven Zeiten. Wir wissen aber auch, dass es manchmal eben ein Risiko bedeutet, Nächstenliebe zu zeigen, Respekt zu zollen, solidarisch zu sein mit Menschen. Das ist manchmal unbequem und manchmal ist es auch gefährlich. Diese Ambivalenz drückt schon viel aus, worum es im Theater geht."
Der Mensch im Zentrum
"Pride" in der Regie von Falk Richter eröffnet die neue Spielzeit und erzählt die Geschichte einer queeren Person. "Die Tage der Hyäne" der finnischen Autorin Saara Turunen zeigt, wie sich eine Frau mit dringendem Kinderwunsch in eine Getriebene verwandelt. Und in "All the Sex I've Ever Had" werden Senior*innen aus Hannover über das Liebes- und Sexleben sprechen. Klassisch kanonische Stoffe seien in Hannover kein Garant für ein großes Publikumsinteresse. "Interessant ist zu beobachten, dass durchaus viele Menschen daran interessiert sind an Stoffen, die aus dem Jetzt kommen, die sich mit der Aktualität heute beschäftigen und nicht - ich sage in Anführungszeichen - nur Interpretation eines alten Stoffes sind", so Boenisch.
Inspiration von anderen Häusern
Dass der neue Intendant vom Schauspiel Bochum kommt, zeigt sich in etlichen Inszenierungen. Von dort bringt er "Das neue Leben" in der Regie von Christopher Rüping mit, in der es um die Liebe zwischen Dante Alighieri und seiner Beatrice geht. Aus den Niederlanden kommen einige Produktionen für das Junge Schauspiel, das ab der nächsten Spielzeit von Cathrin Rose geleitet wird, darunter "Der unsichtbare Mann" von Jetse Batelaan für Kinder ab vier Jahren und "Schneekönigin" von Moniek Merkx.
Junges Schauspiel unter Leitung von Cathrin Rose
Für Rose stehen Sichtweisen von Menschen im Mittelpunkt, die nicht selbstverständlich im Theater vorkamen, und das seien auch Kinder: "Adultimus ist ein Wort, das mich sehr beschäftigt", so Rose und erklärt: "Das ist der strukturelle Ausschluss von Kindern in unserer Gesellschaft. Die strukturelle Benachteiligung findet sich aber auch in Bezug auf People of Color und viele weitere Menschen, die eben nicht selbstverständlich ihren Weg hereinfinden und deren Geschichten auch nicht als so selbstverständlich gesehen werden." Gerade beim Jungen Schauspiel findet Rose es wichtig, Türen zu öffnen.
Regiearbeit: Mehr als 50% Frauen am Werk

Auch für die Grenzüberschreitung zwischen den Genres werden die Türen geöffnet. "Höhere Gewalt" des schwedische Kinoregisseurs Ruben Östlund kommt auf die Bühne. Der Medienkünstler und Theatermann Herbert Fritsch wird sich dem Schwindel widmen, und erneut wird ein Roman der feministischen, österreichischen Autorin Mareike Fallwickel in der Regie von Jorinde Dröse adaptiert.
Denn bei mehr als der Hälfte der Inszenierungen führen Frauen Regie. Hildegard Knefs Leben wird so zum Theater und Lena Brasch erarbeitet die Uraufführung "Ein wenig Licht. Und diese Ruhe" - von und mit Sybille Berg und Katja Riemann. Lustvoll also geht es in die neue Spielzeit!
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