Literaturagentin Vanessa Gutenkunst sucht "Stoffe mit Wucht"
Vanessa Gutenkunst trifft mit ihrer Literaturagentur "Copywrite" die Vorauswahl von Buch-Manuskripten und bietet sie Verlagen an. Wie sie arbeitet, verrät sie im Podcast eat.READ.sleep.
Die Literaturagentin hat bereits große Namen wie Caroline Wahl und Alina Bronsky vermittelt. Caroline Wahl kam aus dem Nichts. Die Agentur "Copywrite" von Vanessa Gutenkunst hat ihr dann mit ihrem ersten Buch zu seinem Bestseller zu verholfen. Auch Alina Bronsky ist bei ihr von Beginn an unter Vertrag. Aber, wie wählt man aus der Vielzahl, der Autorinnen und Autoren aus, die noch gar nicht veröffentlicht sind?
Vanessa, Du kriegst ja wahrscheinlich ganz viele Manuskripte zugeschickt. Kriegst Du eigentlich täglich von Autorinnen und Autoren Skripte, wo sie sagen, die möchten wir jetzt bitte zum Bestseller gemacht haben?
Vanessa Gutenkunst: Wir kriegen, ich glaube, mittlerweile pro Tag so zwischen acht und zehn Manuskripte zugeschickt. Da sind nicht die mitgerechnet, wo wir aktiv auf die Suche gehen oder die wir über Kontakte mit befreundeten Personen oder Autorinnen bekommen, die wir eh schon vertreten. Es kommt viel rein. Da ist alles dabei - von der 16-jährigen Schülerin bis zum verrenteten Gymnasiallehrer. Leute, die schon eine Agentur haben und sie wechseln wollen. Welche, die mit dem Literaturbetrieb noch überhaupt nicht in Berührung gekommen sind. Es ist erstaunlich, wie viele Leute schreiben. Das denkt man gar nicht.
Lest ihr dann alle acht bis zehn pro Tag?
Gutenkunst: Wir schauen uns alles an. Wir prüfen alles, aber wir lesen nicht immer alle 40, 50 Seiten, die wir uns zuschicken lassen. Manchmal ist auch ganz klar: Das passt überhaupt nicht zu uns. Wir machen zum Beispiel keine Lyrik, kein Kinderbuch, kein Jugendbuch. Ich mache ungern etwas, wo schon der Absender schreibt: Das wird der neue Megaseller und er hat schon die Vermarktungsstrategie parat. Darf ich dazu kurz erwähnen: Das sind immer Männer.
Was ist das für ein Gefühl, wenn Du die ersten Seiten liest? Wann merkst Du: Jetzt macht es Klick, das ist was, das ist Gold?
Gutenkunst: Das geht eigentlich relativ schnell, dass man so elektrisiert ist. Irgendwas passiert da. Da ist so ein besonderer Ton oder vielleicht manchmal auch einfach nur ein Bild, das einen total anspringt. Natürlich funktioniert nicht jeder Text sofort auf den ersten zehn Seiten. Aber da ist ein Ton oder ein Blick auf die Welt, der besonders ist. Von den acht bis zehn täglichen Manuskripten ist das allerdings meistens gar keines. Wir nehmen von denen, die wir pro Jahr eingeschickt bekommen, insgesamt vielleicht fünf bis maximal zehn an.
Bei Caroline Wahl, bei den "22 Bahnen", war das so, oder?
Gutenkunst: Ja, als ich die ersten Zeilen gelesen hatte, wusste ich sofort, das ist großartig. Wir waren schon in Kontakt wegen eines anderen Stoffes und dann hat sie mir ziemlich aus dem Nichts die ersten Seiten der "22 Bahnen" geschickt. Das hat mich sofort angesprochen. Ich mochte diese Wucht darin. Ich mochte diese Erzählstimme, dieses Hohe und Schnelle und dabei irgendwie auch so Zarte. Das war einfach was Besonderes.
Und was ist dann Dein Job? Dann hast Du dieses Manuskript in der Hand und dann? Caroline Wahl müsste denn ja selbst Klinken putzen gehen, aber das musst Du doch auch.
Gutenkunst: Wir haben natürlich zu allen Verlagen sehr gute und enge Kontakte, also zu allen LektorInnen, zu den ProgrammleiterInnen, VerlegerInnen. Ich weiß auch, was die suchen, wo die vielleicht auch gerade einen Platz frei haben in ihrem Programm. Dann rufe ich die an und sage: Ich habe hier einen Stoff, der ist super, wollt ihr lesen? Das mache ich dann natürlich mit einigen, um auch ein bisschen Konkurrenz zu entwickeln. Sie prüfen und dann kommen wir im besten Falle sehr schnell ins Gespräch.
Wenn wir dann die Verträge mit den Verlagen verhandelt haben, betreuen wir unsere Autoren weiter intensiv, auch inhaltlich. Wir sind für alle Probleme da, die es mit dem Verlag gibt. Oft gibt es da auch mal eine Konfliktsituation. Man ist mit dem Cover, dem Titel oder dem Vorschau-Text nicht so richtig happy oder mit dem Marketing-Plan. Dann sind wir immer da, um zu vermitteln.
Wie viele seelsorgerische Qualitäten braucht man denn so als Agentin?
Gutenkunst: Ich würde sagen: viele. Auf der einen Seite muss man fit sein, was Verhandlungen betrifft. Man muss fest im Sattel sitzen, was überhaupt Literatur ist und muss den Blick auf den Markt haben. Aber das Seelsorgerische oder Psychologische, das ist schon da. Es ist ein enges Vertrauensverhältnis. Es gibt Weniges, was so intim und persönlich ist wie das Schreiben. Die AutorInnen öffnen sich in den Gesprächen, die ich mit ihnen führe, in der Tat sehr, auch was ihr eigenes Leben betrifft, aus dem sie ja oft schöpfen. Das ist etwas sehr Besonderes, was ich sehr zu schätzen weiß an dieser Arbeit und deshalb wird es natürlich ultra-persönlich.
Über was für Summen reden wir eigentlich, wenn ihr einen Roman versucht an einen Verlag zu bringen?
Gutenkunst: Ich möchte jetzt eigentlich gar keine Summen nennen. Erstens mache ich das nicht, weil ich das als Geschäftsgeheimnis empfinde. Ich würde auch anderen AutorInnen, die ich betreue, nicht erzählen, was ich für ein anderes Buch bekommen habe. Das ist in Deutschland ein bisschen anders als zum Beispiel in den USA. Da wird offen damit umgegangen. Manchmal schürt es dann vielleicht auch Erwartungen, die nicht realistisch sind. Bei einem Debüt können wir von 10.000 Euro reden. Wir können aber auch von 150.000 Euro reden - je nachdem, wie viel Nachfrage es gibt. Wenn es viele interessierte Verlage gibt, gehen wir in eine Auktion, wo verschiedene Verlage mitbieten. Je mehr Bewerber es gibt, desto höher kann natürlich dann auch mal der Vorschuss werden. Das kann allerdings ein paar Wochen dauern.
Agenturen, das wird ein immer größeres Thema. Wir hörten, Daniel Glattauer hat sich an eure Agentur gewandt. Bis dahin meinte er eigentlich, er braucht gar keine Agentur. Und nun doch. Merken auch Autorinnen und Autoren zunehmend, dass es besser ist, mit Agenturen zusammenzuarbeiten?
Gutenkunst: Ich denke schon. Junge Autoren, die jetzt anfangen, suchen sich alle sofort eine Agentur. Dass jemand noch erst einen Verlag hat und sich dann eine Agentur sucht, weil das alles irgendwie größer wird, gibt es eigentlich kaum noch. Ich bin sehr froh darüber, dass Daniel Glattauer zu uns gekommen ist, weil er wirklich ein reizender Mensch und ein toller Autor ist. Er war bei seinem Verlag einfach schon ewig und hatte dann aber den Wunsch, nochmal was Neues zu machen. Das war total interessant, weil er sich jetzt nicht zehn Agenturen ausgeguckt hat, oder so. Er ist befreundet mit einer Autorin, die ich auch vertrete: Doris Knecht und hat gesagt: "Ich glaube, jetzt ist es Zeit, dass ich auch mal eine Agentur habe. Kann ich zu euch kommen?" Das fand ich natürlich wunderbar, weil ich auch davor schon seine Bücher gelesen hatte und ein Fan war.
Von wem bekommst Du eigentlich das Geld? Zahlen Dich die Autorinnen und Autoren oder bekommst Du das Geld nach getaner Arbeit von den Verlagen?
Gutenkunst: Ich kriege erst Geld, wenn überhaupt Geld an die AutorInnen fließt. Wir kriegen von den Verlagen die Zahlungen und verwalten die auch für die AutorInnen, prüfen die Abrechnungen und so weiter. Da nehmen wir dann unsere 15 Prozent runter. Für die AutorInnen kostet das nichts. Wenn man an Agenturen gerät, die im Vorfeld schon Geld wollen, sollte man schnell Reißaus nehmen. Genauso gilt das bei Verlagen. Das kann ich jetzt vielleicht mal noch als kleinen Tipp mitgeben: Bei seriösen Verlagen zahlt man kein Geld, sondern kriegt Geld von den Verlagen, wenn sie einen unter Vertrag nehmen und veröffentlichen.
Wenn Du angeschrieben wirst, was wären denn so Sachen, über die Du Dich besonders freust?
Gutenkunst: Worüber ich mich freue, ist, wenn sich jemand ein bisschen Gedanken über den Markt gemacht hat - also beispielsweise selbst das Genre liest, in dem er oder sie schreibt. Ich finde das immer irritierend, wenn plötzlich jemand einen Krimi schreibt, der davor noch nie einen Krimi gelesen hat, weil er einfach denkt: "Das kann ich wahrscheinlich besser." Ich finde es auch sehr schön, wenn es eine nette Mail dazu gibt, weil das viel über die Menschen aussagt, die dahinterstehen. In der Tat arbeiten wir sehr eng persönlich zusammen. Ich möchte auch nur mit Leuten arbeiten, die ich mag und mit denen ich mich gut verstehe. Das ist ein großer Vorteil dieses Jobs.
Das Gespräch führten Jan Ehlert und Daniel Kaiser. Dies ist eine gekürzte Version. Das ganze Gespräch können Sie hier nachhören.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Romane
