Wolfram Weimer: Neuer Kulturstaatsminister mit Gegenwind
Der Journalist und Medienunternehmer Wolfram Weimer soll Kulturstaatsminister der künftigen Bundesregierung werden. Der 60-Jährige steht für konservative Positionen und polarisiert. Eine Petition fordert nun, dass er nicht Staatsminister für Kultur und Medien werden darf.
Der Verein "ensemble-netzwerk" forderte die künftige Bundesregierung gemeinsam mit weiteren Erstunterzeichnern in einer Petition dazu auf, die Entscheidung für Wolfram Weimer rückgängig zu machen. Die Online-Petition hatte am Nachmittag des 2. Mai mehr als 60.000 Unterschriften erreicht und läuft unter dem Titel: "Wolfram Weimer darf nicht Staatsminister für Kultur und Medien werden!"
Initiator Paul Maximilian Pira äußerte im ZDF Zweifel an der Qualifikation Weimers, der viele Jahre als Journalist gearbeitet hat und seit 2012 ein eigenes Verlagshaus geleitet hat. Die Leitung des Verlags hat er nach eigenen Angaben inzwischen abgegeben. Im Text der Petition heißt es: "Wolfram Weimer ist nicht geeignet für dieses zentrale Amt der Kulturpolitik. Er ist ein konservativer Publizist und Verleger, der bislang kaum als Kulturmensch in Erscheinung getreten ist."
Amelie Deuflhard ist künstlerische Leiterin des Kulturzentrums Kampnagel in Hamburg. Sie bleibt erst mal diplomatisch gelassen bei der Personalie Weimer. Sie meint: "Ich habe zwar politisch eine bisschen andere Haltung, aber ich habe in meiner Karriere auch viele gute Erfahrungen mit konservativen CDU-Politikern gemacht - Kulturpolitikern vor allem." Weiter meint die Kulturschaffende, die seit 2007 die Geschicke des Kulturzentrums leitet: "Ich kenne das eigentlich nicht, dass konservative Menschen gegen Innovationen sind. Natürlich befürchten das jetzt viele Leute, aber ich gehe da erst mal positiv rein."
Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, will Weimer an seinen Taten messen: "Jetzt kommt es drauf an, wie er dieses Amt gestalten wird. Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zukünftig die größte in seinem Geschäftsbereich und deshalb auch besonders wichtig, ist natürlich schon entscheidend, dass die Reform zum Ende gebracht wird. Wir sind weitgehend durch mit der Reform, aber es gibt wichtige Entscheidungen: finanzielle Ausstattung für die Zukunft und große Bauprojekte. Ich denke, dass gerade jemand wie Wolfram Weimer sich natürlich dieser Kulturbauten bewusst ist. Da wird man gemeinsam versuchen müssen, wirklich diese Herausforderungen zu meistern."
Wolfram Weimers konservative Ansichten
Wolfram Weimer, 60 Jahre alt, ist Verleger, Publizist und Gründer des konservativen Magazins "Cicero". Er ist ein Mann aus dem Medienbusiness, bislang ohne politische Ämter. Weimer steht für klar konservative Positionen, wie sein Buch "Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit" aus dem Jahr 2018 zeigt. Dort formuliert er seine Ideen von einer neuen Bürgerlichkeit - und sprach darüber unter anderem bei "Markus Lanz". Dort sagte er: "Es gibt gerade eine große Strömung hin zu alten Werten. Die Leute wollen wieder Anständigkeit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit. So ganz altmodische Dinge, die eine Zeit lang ziemlich verrufen waren."
Kritik an "Multi-Kulti"
In einem Meinungsbeitrag für "Cicero" mit dem Titel "Die Multi-Kulti-Lüge" kritisiert Weimer einen "naiven Multikulturalismus" und schreibt: "Was als geistiger Karneval der Kulturen begann, ist inzwischen ein Halloween der Entfremdung." In einem Buch äußerte er sich kritisch über das Outing homosexueller Menschen. Viele seiner Äußerungen gelten als streitbar.
Friedrich Merz und Boris Pistorius als "strenge Elternfiguren"
Warum sich Friedrich Merz für Weimer entschieden haben soll, ist bislang nicht offiziell bekannt. Weimer gilt als Merz-Fürsprecher. In den vergangenen Wochen äußerte er sich wiederholt positiv über den CDU-Chef, ebenso über SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius. Die Ampel-Regierung hingegen kritisierte er scharf, etwa bei einer Diskussionsrunde des Senders Phoenix.
Dort zog er folgenden Vergleich: "Stellen wir uns vor, eine jugendliche Party gerät außer Rand und Band. Irgendwann kommen die Eltern rein, machen das Licht an und die Party ist aus." Die "Ampelparty" sei im Chaos gescheitert. "Und jetzt kommen sozusagen zwei ernste Elternfiguren. Es kommt eine Phase der neuen Ernsthaftigkeit. Und sowohl Boris Pistorius als auch Merz stehen für diesen Gestus der neuen Ernsthaftigkeit."
Stefan Koldehoff, Chefreporter Kultur beim Deutschlandfunk, vermutet über die Hintergründe der Entscheidung: "Friedrich Merz als möglicher neuer Kanzler scheint Kräften gefolgt zu sein, die der Meinung sind, dass in der Kulturpolitik in den letzten Jahren viel zu viel Linkes stattgefunden hat. Und das übrigens nicht nur unter Claudia Roth, sondern angeblich auch schon unter Monika Grütters, die ja eher als liberale Konservative gegolten hat." Weimer könne daher für einen Kulturwandel in der Bundesrepublik stehen.
Bisher kein besonderes Interesse an Kultur?
In den sozialen Netzwerken fielen erste Reaktionen deutlich kritisch aus. "Was für eine Fehlbesetzung!", schrieb etwa der deutsche Soziologe und Hochschullehrer Armin Nassehi auf X. Auch erste Kommentare in den Medien äußern Zweifel an der Eignung Weimers für das Amt des Kulturstaatsministers. Die "Süddeutsche Zeitung" stellt fest, dass dieser bislang nicht für ein besonderes Interesse an Kultur bekannt gewesen sei. Die Zeitung betont zudem die Nähe zu Friedrich Merz: Die beiden seien Freunde und Nachbarn mit ihren Anwesen am Tegernsee.
Der "Tagesspiegel" spekuliert, dass der neuen Regierung unter Merz Medienpolitik womöglich wichtiger sei als Kulturpolitik. Anders sieht das "Die Welt" vom Axel-Springer-Verlag, bei der Weimer für einige Jahre Chefredakteur war. Er sei der "größtmögliche Kontrast zu Claudia Roth" heißt es hier. Die Zeitung lobt Weimers Fähigkeit als Netzwerker. Was von ihm nun als Kulturpolitiker zu erwarten sei, das bleibe spekulativ. Ihn aber als kulturfernen Elefant im Porzellanladen zu imaginieren, dafür gäbe es keinen Grund.
Jürgen Kaube: "Falscher Mann am falschen Platz"
Besonders scharf fällt ein Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aus: Mitherausgeber Jürgen Kaube bezeichnet Weimer als jemanden, dem "ein Interesse an irgendeiner Kunst oder Geist zu unterstellen, spekulativ" sei. Mit Blick auf das "Konservative Manifest" schreibt Kaube: "Weimer macht sich demographische Sorgen um die 'Fortdauer des eigenen Bluts' und die 'biologische Selbstaufgabe' Europas, trauert der Kolonialepoche mit der bedauernden Formulierung nach, Europa habe 'keine Expansionskraft" mehr'". Weimers Verständnis von Kultur und Geschichte, so Kaube, weise darauf hin, "dass er der falsche Mann am falschen Platz wäre".
Sorge und Entsetzen in der Kulturszene
Auch aus der Kulturszene kommen mehrheitlich skeptische oder ablehnende Reaktionen. Schauspieler Ulrich Matthes, der ehemalige Präsident der deutschen Filmakademie, sagte in der Kulturzeit auf 3sat, Weimer sei ein Ideologe mit Sendungsbewusstsein. Das "disqualifiziert ihn für das Amt des Kulturstaatsministers".
Zurückhaltender äußerte sich Manos Tsangaris, der Präsident der Akademie der Künste Berlin. Er sagte, er gehe davon aus, dass Weimer ein kultur- und kunstaffiner Mensch sei. Von großen Sorgen der Kulturszene sprach der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann: "Herr Weimer wird darum werben müssen, dass er klassische liberale Kulturpolitik machen wird", sagte Zimmermann im Interview.
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