Drei geballte Fäuste werden in die Luft gestreckt © picture alliance/dpa Foto: Andreas Arnold
Drei geballte Fäuste werden in die Luft gestreckt © picture alliance/dpa Foto: Andreas Arnold
Drei geballte Fäuste werden in die Luft gestreckt © picture alliance/dpa Foto: Andreas Arnold
AUDIO: Toxische Männlichkeit: Neue Forschungsstelle will Alternativen aufzeigen (5 Min)

Toxische Männlichkeit: Neue Forschungsstelle will Alternativen aufzeigen

Stand: 09.05.2025 14:10 Uhr

Wann ist ein Mann ein Mann - und das aus religiöser Perspektive? Diese Frage will die neue Forschungsstelle am Zentrum für Islamische Theologie in Münster unter die Lupe nehmen.

von Ulrike Hummel

Während künftig in den USA weniger Gelder für bestimmte Forschungsgebiete fließen könnten, nimmt man in Münster Geld in die Hand. Etwa für Forschungsdesiderate wie Vorstellungen von Männlichkeit in der islamisch geprägten Welt. Vor allem aber seien es zunehmende islamistische Tendenzen und andere Formen von religiösem Fundamentalismus, die eine kritische Auseinandersetzung mit Männlichkeitsbildern dringend nötig machten.

Junge Männer radikalisierten sich vermehrt in sozialen Netzwerken, wo sie durch selbsternannte Islamprediger mit gefährlichen Männlichkeitsidealen manipuliert würden, sagen Theologen, die dieser gefährlichen Entwicklung mit einer neuen Forschungsstelle entgegentreten wollen.

Weitere Informationen
Ein Mann mit Cowboyhut richtet seine Waffe auf etwas. © IMAGO / Mary Evans

Toxische Männlichkeit: Wann ist ein Mann ein Mann?

Das Leitbild des harten Kerls hält sich zwar - doch alte Ideale brechen auf, neue Rollenbilder entstehen. Was bedeutet heutzutage Männlichkeit? mehr

Kampf gegen destruktive Männlichkeitsbilder

Mouhanad Khorchide, der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie in Münster, will das Verständnis für die Rolle von Männern in unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen fördern. Die neuartige "Arbeitsstelle für kritische, interdisziplinäre und interreligiöse Männlichkeitsforschung" - kurz AKIIM - soll aber auch einen Beitrag zur Radikalisierungs- und Fundamentalismus-Forschung leisten, sagt Khorchide, der das Projekt zusammen mit David Koch initiiert hat und leiten wird.

Ein Mann steht in seinem Saal am Pult und spricht zum Publikum © NDR Foto: Ulrike Hummel
Mouhanad Khorchide leitet das Projekt AKIIM an der Uni Münster.

"Wenn man sich zum Beispiel die Radikalisierungsszene im Internet anschaut", so der Forscher, "ist es zum großen Teil ein Männerphänomen. Dahinter stecken bestimmte Männlichkeitsbilder, die destruktiv sind. Ich hoffe sehr, dass wir in unserem Programm für die Weiterbildung von Imamen und Sozialarbeiterinnen und -arbeitern, die in den Moscheen tätig sind, die Moscheegemeinden erreichen. Deshalb wollen wir diese Arbeit über kritische Männlichkeitsforschung in unsere Studiengänge implementieren."

Religion - Teil des Problems oder der Lösung?

Männlichkeitsforschung hat in den USA beispielsweise eine lange Tradition, aber es gibt sie auch in Deutschland. Das Besondere der Forschungsstelle in Münster ist, dass sie innerhalb der islamischen Theologie angesiedelt ist und sowohl interdisziplinär als auch interreligiös arbeitet. Die Theologen interessiert vor allem die Frage, inwieweit Religion Teil des Problems ist - etwa, wenn fragwürdige Männlichkeitsbilder propagiert werden. Können derartige Vorstellungen entkräftet werden, wäre die Religion aber auch Teil der Lösung.

Doch andere Disziplinen sind genauso wichtig. Daher will die AKIIM die Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften und andere Disziplinen mit an Bord nehmen. Auch Fikri Anil Altintas, Buchautor und Journalist, wird künftig mitarbeiten: "Es gibt nicht per se die islamischen Männlichkeitsbilder, weil der Islam immer in soziale Rahmenbedingungen eingebettet ist." Wie wichtig Männlichkeit gerade für die jüngere Generation generell ist, zeigt die jüngste Shell Jugendstudie: Für fast 70 Prozent der jungen Männer in Deutschland ist Männlichkeit ein wichtiges Thema. Doch wer bestimmt, was männlich ist?

Weitere Informationen
Ein islamisches Paar sitzt auf einer Parkbank. © Imago

Frauenbilder, Männerbilder und der Islam

Frauen- und Männerbilder im Islam: Wie erleben Mitglieder der muslimischen Community diese Debatte? mehr

Problematische Influencer-Ansichten

Wer Männlichkeitsforschung betreiben will, kommt vor allem mit Blick auf Muslime und Zugewanderte an umstrittenen Influencern nicht vorbei: "Andrew Tate oder Männlichkeits-Influencer, die auf Social Media sehr starke Reichweiten generieren und die durch eine Art kognitive Verzerrung als Muslime geframed werden - was wiederum für die Theologie und für die Religion hochproblematisch ist", sagt David Koch. Zusammen mit Mouhanad Khorchide leitet er als katholischer Theologe das AKIIM-Forscherteam.

In den sozialen Medien gibt es derzeit zwei Stars, die vor allem durch Kampfsportarten ihre angebliche Männlichkeit demonstrieren: die russisch-muslimischen Kämpfer Islam Makhachev und Khabib Nurmagomedov. Beide sind stolz darauf Muslime zu sein und wollen der Welt zeigen, wie ein echter Muslim zu sein hat. Die aus Dagestan stammenden Kämpfer sind Trump-Fans und haben auf ihren Social-Media-Kanälen beachtliche Follower-Zahlen. Das Problem: Sie stehen für ein problematisches Männlichkeitsbild.

Neue progressive Männlichkeitsbilder sollen entwickelt werden

"Mit Männlichkeit wird Politik gemacht, und Männlichkeit wird auch oftmals dafür benutzt, sexistische Stereotype zu manifestieren, die dann auch häufig als Einfallstor für geschlechtsspezifische Gewalt gelten", erklärt Altintas. Die Erfolge solcher Männlichkeits-Influencer legen nahe, dass sogenannte "toxische Männlichkeit" bei der jungen Generation gerade hip ist. Das könne daran liegen, dass viele junge Männer sehr orientierungslos seien, auf der Suche nach Vorbildern, die sie gerade nicht finden, glaubt man in Münster.

Doch das könnte sich künftig ändern: Durch die Forschungsarbeit sollen neue, progressive Männlichkeitsbilder entwickelt werden, die in die dortige Imam-Ausbildung und damit auch in die Moscheegemeinden durchdringen sollen. Auch Lehrmaterialien für den islamischen Religionsunterricht will die AKIIM künftig entwickeln.

Weitere Informationen
Matthias Politycki ist zur Aufnahme bei NDR Kultur am 28.02.2025 - und steht im Treppenhaus von Haus 12 vor einem NDR Kultur Aufsteller. © NDR

Matthias Politycki: "Da draußen müssen wir die Antwort als Mann geben"

Der Schriftsteller und Weltenbummler meint: "Neue Männer braucht das Land, Verteidiger unserer Kultur und ihrer Werte." mehr

Ein Teenager-Junge mit dunklen kurzen Haaren sitzt in einem Verhör an einem Tisch mit einer Frau mit schulterlangen Haaren in einem großen Raum mit großem Tisch - Szene aus der "Netflix"-Serie "Adolescence" mit Schauspieler Owen Cooper © Courtesy of Ben Blackall/ Netflix © 2024

"Adolescence": Debatte über toxische Männlichkeit und soziale Medien

Seit vielen Wochen ist "Adolescence" Thema. Wie hat die Netflix-Serie um einen 13-Jährigen, der einen Mord begeht, einen Nerv getroffen? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 09.05.2025 | 15:20 Uhr

Die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem © NDR

Muttergottes, ca. 1400

Reportagen aus dem Alltag von Muslimen, Berichte über innermuslimische Debatten und Beiträge von Gastautoren zu aktuellen Themen. mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur Livestream

Kantate

08:00 - 08:40 Uhr
Live hörenTitelliste