"Schaeffer gestaltete Raum klanglich wie kein anderer"

Einer der ganz großen und bedeutenden Macher und Leiter des Hörspiels im Norddeutschen Rundfunk ist tot: Norbert Schaeffer. Ein lieber Kollege und herausragender Regisseur und Hörspielbearbeiter wird verabschiedet. Die Nachfolgerin Norbert Schaeffers, Ulrike Toma, Leiterin der Radiokunst im NDR und derzeit im Homeoffice, erzählt im Gespräch von der Arbeit Schaeffers.
Welche Erinnerung an Norbert Schaeffer bewegt Sie besonders in diesem Moment?

Ulrike Toma: Die Erinnerung an seine - unter Medienleuten - ungewöhnliche Ruhe. Er war ein stiller Mensch und redete nicht drauflos, doch beim entsprechenden Thema waren seine Ausführlichkeit und Kenntnis unübertroffen. Er war eine intensive Persönlichkeit, ob er schwieg oder sprach. Er war ein sehr eindringlicher Mensch, er verabscheute Smalltalk. Er redete, wenn er sich auskannte. Meines Wissens sprach er selten in ein Mikrofon, dafür umso häufiger in die Gegensprechanlage im Hörspielstudio.
Wenn wir uns unterhielten - da war ich noch Leiterin des Features -, ging es nicht um den letzten Theaterbesuch oder die letzte Reise oder irgendwas aus dem öffentlichen Leben oder um Politik, dann ging es um lizenzrechtliche Fragen, um Vertragsverhandlungen mit Verlagen oder um verwinkelte Feinheiten des Stücks, mit dem er vorhatte, ins Studio zu gehen, um es meisterlich zu inszenieren. Er sprach gern von der fantastischen Zusammenarbeit mit Komponistinnen wie Martina Eisenreich, er schwärmte von den Kolleginnen und Kollegen aus der NDR Technik, Sabine Kaufmann zum Beispiel. Nur entfernt weiß ich von Kollegen, die mit ihm über Fußball gesprochen haben sollen.
Wie arbeitete Norbert Schaeffer?
Ulrike Toma: Er war gründlich und präzise, er versank in den Texten, er fasste jede Silbe an - und er war höchst leidenschaftlich für einen Stoff, wenn er sich für ein literarisches Werk entschieden hatte, egal ob es um interne Planungsübersichten ging oder sein gegenwärtiges Projekt. Er war gründlich. Ablesen konnten das Eingeweihte an seinen Regiebüchern, in denen er sich mit dem Füllfederhalter genaueste Notizen machte, wie er vorhatte, jede einzelne Szene, jede Minute und Sekunde anzulegen. Norbert Schaeffer war ein Hörspielregisseur, der exakt und kunstvoll plante, der wie kein anderer den Raum klanglich staffelte und akustisch gestaltete. Die Frage ist auch, wo arbeitete er. Da würde ich sagen: im Studio am liebsten.
Wir haben aktuell Sendungen von ihm online verfügbar, ganz aktuell "Der Überläufer" nach dem Roman von Siegfried Lenz.
Ulrike Toma: Das hat Norbert Schaeffer Anfang dieses Jahres für uns bearbeitet. Bewährt in der Zusammenarbeit mit seiner Dramaturgin, die er besonders schätzte, meiner Kollegin Susanne Hoffmann. Kurz nach Fertigstellung muss er von seiner Krankheit erfahren haben.
Welches Hörspielerlebnis verbinden Sie vor allem mit Norbert Schaeffer?
Ulrike Toma: David Grossmanns "Eine Frau flieht vor einer Nachricht". Er hat die Tragik, Wut und Angst, den Verlust, um den es da geht, fantastisch herausgearbeitet. Aber auch bei "Geister in Princeton" werde ich immer an ihn denken. Das Stück hat er 2012 im NDR inszeniert, ein Hörspiel nach dem Roman von Daniel Kehlmann. Wir haben es dann zusammen bei den ARD Hörspieltagen gehört, wo es nominiert war - im ZKM in Karlsruhe. Da trat Schaeffers Kunst so klar und eindrucksvoll zutage, weil die akustischen Bedingungen dort hervorragend sind. Die Präzision, mit der "Nosch" arbeitete, der Ideenreichtum in der Raumgestaltung und die Tiefe, die er schaffen konnte, prägen seine Werke. Sie und die ein oder andere persönliche Erinnerung an ihn wird Norbert Schaeffer in unserem Programm und in uns lebendig halten. So können wir ihm weiter zuhören. Und "Nosch" zuzuhören - ob im direkten Gespräch oder indirekt im Hörspiel - war und ist ein bereicherndes, bewegendes Erlebnis.
