A-cappella-Woche Hannover: "Einfach kommen und Spaß haben!"
Am Samstag startet die 23. Ausgabe der Internationalen A-cappella-Woche Hannover. Roger Cericius, einer der Organisatoren der Festivalwoche, stellt die Highlights vor und erklärt das Besondere an der Vokalmusik.
Roger, Du musst wahrscheinlich nicht mehr nachgucken, wie man "A-cappella" schreibt, oder?
Roger Cericius: Nee. Der große Vorteil ist, dass ich selbst aus dem Knabenchor entsprungen bin. Insofern ist mir die A-cappella-Musik fast in die Wiege gelegt.
Wenn man mal ein bisschen in die A-cappella-Szene reingeschnuppert hat, dann merkt man, dass das alles Leute sind, die total für diese Art des Musikmachens brennen. Lass uns erst einmal das Publikum anschauen: Was sind das für Leute, die zur Internationalen A-Cappella-Woche nach Hannover kommen?
Cericius: Das ist total interessant, weil es wahrscheinlich kaum ein Genre gibt, das so generationsübergreifend ist wie Vokalmusik. Wir alle tragen diese zwei Millimeter langen Stimmlippen in uns herum, und jeder hat schon mal gesungen, entweder im Chor, unter der Dusche oder in der Badewanne. Deswegen gibt es eine große Leidenschaft, weil sich mit diesen Stimmlippen alles darstellen lässt: von Rock, Pop, Jazz über alte Musik, frühe Mehrstimmigkeit bis zum gregorianischen Gesang. Das ist das Besondere, und deswegen ist das Publikum extrem breit, und zwar nicht nur aus Hannover, sondern die kommen aus der ganzen Republik. Es gibt einen richtigen Fanclub, die kommen aus Stuttgart, Bielefeld und sonstwo her und machen hier eine Woche A-capella-Urlaub.
Auch auf der Bühne gibt es dieses Jahr wieder Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt zu erleben. Was sind die Highlights für Dich?
Cericius: Das ist immer ein bestimmtes Merkmal der Internationalen A-cappella-Woche, dass wir die internationale Vielfalt hierher holen wollen. Wir freuen uns über einen ganz besonderen Auftakt am Samstagabend mit The Real Group auf dem Opernplatz, ein großes Open Air mit den schwedischen Altmeistern. Das ist ganz besonders toll, wenn man auf Jazz- und Pop-A-cappella steht. Aber wir freuen uns auch auf Polyharmonique aus Belgien, ein Ensemble für alte Musik, preisgekrönt, mit einem Programm mit Palestrina, Praetorius und zeitgenössischer Musik von Erik Van Nevel, die im Kloster Loccum in der Stiftskirche auftreten werden.
Hast Du einen Geheimtipp? Bands oder Ensembles, von denen man vorher noch nichts gehört hat in Norddeutschland?
Cericius: Das ist immer die gemeinste Frage, die man bekommen kann. Wie am Anfang schon gesagt, bin ich Knabenchor-sozialisiert, und deswegen ist mir die Renaissance- und Barockmusik besonders nah. Mein Herz schlägt in anderen Frequenz, wenn ich so ein Programm aus Praetorius, Palestrina und Co. höre. Aber alles andere berührt mich auch. Und manchmal lässt man sich auf etwas ein, von dem man nicht so genau weiß, ob das eigentlich das Richtige ist, und hinterher lächelt man den ganzen Abend. Das ist eigentlich das Geheimnis der A-cappella-Woche.
Wenn man auf Eurer Website stöbert, dann findet man da nicht nur das aktuelle Programm, sondern auch einen relativ eindringlichen Hilferuf: "Rette die Internationale 23. A-cappella-Woche Hannover". Was ist da los?
Cericius: Wir haben in Niedersachsen eine Neuordnung der Förderrichtlinien an vielen Stellen: auf Landesebene, aber auch in kommunalen Strukturen. Wir sind als Festival sehr davon abhängig, dass wir auch Unterstützung aus dieser Richtung bekommen. In diesem Jahr war es so, dass wir etwas überraschend zweieinhalb Absagen bekommen haben. Das war schon ein bisschen existenzbedrohend. Da bin ich jetzt insofern ein Stück weit entspannter, weil sofort die Fans einen Spendenaufruf gestartet haben und uns sofort Unternehmen zur Seite gesprungen sind. Wir müssen das im Auge haben und uns in den nächsten Jahren Gedanken über Förderung machen. Nicht nur wir, sondern viele andere auch.
Was bräuchte es denn, um nicht nur Euer Festival, sondern auch die dahinter stehende Chorszene zu stabilisieren?
Cericius: Das ist natürlich die Eine-Million-Dollar-Frage. Wenn man das beantworten könnte, dann wäre es super. Der erste Schrei wäre: Wir brauchen mehr Kulturförderung. Aber das ist wahrscheinlich ein konstantes Thema, da wird nicht viel mehr gehen. Deswegen glaube ich, dass auch die Kulturschaffenden in bestimmter Hinsicht kreativ werden müssen, wie sie ihre Themen attraktiv gestalten. Wovor ich tatsächlich ein bisschen Angst habe, ist, dass so eine Art Hasenrennen entsteht: dass die Mittel, die heute verfügbar sind, in so einem Verteilungskampf verteilt werden. Das fände ich unschön. Deswegen würde ich es präferieren, wenn wir in den Dialog kommen, und wir nutzen auch die A-cappella-Woche, um genau das zu machen. Am Samstag sprechen wir mit dem Landesmusikrat über dieses Thema, um zu erörtern, wo wir gemeinsam Impulse setzen können, die nach vorne hin die Dinge zumindest beruhigen, vielleicht sogar besser machen.
Man kann in der Woche auch selbst mitsingen - wie geht das?
Cericius: Ja, das ist für uns ein unheimlich wichtiger Aspekt. Schon seit den ersten Jahren machen wir ein A-cappella-Sing-Treff, der während der A-cappella-Woche an unterschiedlichen Orten immer um 16 Uhr stattfindet. Ich möchte einfach gerne mit Menschen singen, hürdenlos; die sollen einfach kommen und Spaß haben!
Das Gespräch führte Anna Novák.
