"Brennender Mond": Raffinierter Spionageroman im Kalten Krieg
William Boyds "Brennender Mond" ist der Auftakt zu einer Romantrilogie im Kalten Krieg. Die Filmrechte zu diesem von Ulrike Thiesmeyer souverän übersetzten Roman sind bereits verkauft.
William Boyd sieht aus dem Fenster seines Wohnzimmers im Londoner Stadtteil Chelsea und macht die Quelle des Baulärms aus. Im Haus gegenüber, in dem Boyd in seiner Fantasie Gabriel Dax, die Hauptfigur seines neuen Romans, Anfang der 1960er-Jahre wohnen lässt, sieht man Handwerker: "Möglicherweise werden gerade seine Fenster repariert."
Vom Schriftsteller zum Spion
"Brennender Mond" beginnt 1936 in England, als Gabriel sechs ist:
Der Mond - sein Nachtlicht war ein Mondglobus aus Glas - schien auf, ungleichmäßig pulsierend zunächst, vom Flackern der Kerzenflamme, das sich allmählich legte. Leseprobe
In jener Nacht stirbt Gabriels Mutter im brennenden Haus und er wird Vollwaise. Die Mondlampe soll das Drama verursacht haben, weshalb Gabriel noch Anfang der 1960er-Jahre, als er als Reiseschriftsteller in London lebt, Albträume hat.
Als Gabriel ein Interview mit dem Präsidenten der Republik Kongo führt und der kurz darauf ermordet wird, wirbt der MI6 Gabriel als Spion an.
Boyd: "Der Spionageroman ist die menschliche Natur"
Es ist schon Boyds vierter Spionageroman. Fragt sich, wie er seine Faszination für das Genre erklärt: "Die Aspekte der Spionage sind den Aspekten der menschlichen Natur sehr ähnlich: Wir sind alle schon betrogen worden und haben andere betrogen. Wir sind belogen worden und haben selbst gelogen. Und wir alle haben schon in gewisser Weise unsere Identität gewechselt, je nachdem, was die Situation gerade verlangt hat. Der Spionageroman ist also die menschliche Natur, nur eben verstärkt. Mit hochgedrehter Lautstärke."
Boyd versteht sich in der Tat auf die menschliche Natur. Der Autor braucht auch in "Brennender Mond" nur wenige Seiten, um seine Figuren äußerst lebendig vor unserem geistigen Auge erscheinen zu lassen. Kein Wunder, dass schon die Filmrechte zu diesem von Ulrike Thiesmeyer souverän übersetzen Roman verkauft sind.
Besessen von einer Femme fatale
Boyd lässt uns gemeinsam mit Gabriel zittern, diesem Spion wider Willen. Der verpflichtet sich nur wegen seiner Anwerberin Faith Green: "Sie ist beinahe eine Femme fatale", erzählt der Autor. "Man weiß nie, ob sie echte Gefühle für Gabriel hat oder ihn nur benutzt. Gabriel ist besessen von ihr. Er weiß, dass er nicht andauernd an sie denken sollte. Aber wer besessen ist, kann das ja nicht einfach abstellen."
Bei einem Einsatz in Spanien wird Gabriel eine Falle gestellt. Offensichtlich hat das mit seinem Interview mit dem Präsidenten der Republik Kongo zu tun. Steckt Faith hinter der Falle? Gar zusammen mit Gabriels Bruder, der beim Außenministerium arbeitet? Gabriel weiß nicht mehr, wem er noch trauen kann, und folgt seiner Intuition, als er gegen den MI6 agiert - zur Freude der Sowjetunion.
"Brennender Mond": Gelungener Trilogie-Auftakt
"Ich sehe schon, dass im Buch etwas von unserer Gegenwart widerhallt", sagt Boyd. "Wenn jetzt etwa gesagt wird, dass ein neuer Kalter Krieg zwischen Europa und Putins Russland beginnt. Auch die unfassbare Ineffizienz der russischen Soldaten und der russischen Waffen erinnert mich stark an die 1960er-Jahre. Ich hebe so etwas im Buch nicht noch extra hervor. Den Lesern wird solcher Widerhall sicher als ganz natürlich erscheinen."
"Brennender Mond" ist der gelungene Auftaktband zur Gabriel-Dax-Trilogie: ein spannender und raffinierter Spionageroman.
Brennender Mond
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer
- Verlag:
- Kampa
- Bestellnummer:
- 978-3-311-10148-2
- Preis:
- 26 €
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