Jens Kestner, Landesvorsitzender der AfD Niedersachsen, gibt ein Statement ab. © picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg Foto: Moritz Frankenberg

Niedersächsischer AfD-Chef Kestner steht vor dem Aus

Stand: 29.04.2022 17:39 Uhr

In Niedersachsens AfD wird die Luft für den umstrittenen Landeschef Jens Kestner immer dünner. Beim kommenden Landesparteitag soll der Vorstand abgewählt werden.

von Marco Heuer

Neuer Vorsitzender könnte der Bundestagsabgeordnete Frank Rinck aus Uelzen werden. Denn die Stimmung in der niedersächsischen AfD ist schlecht wie nie. 30 von 37 Kreisverbänden haben sich inzwischen gegen Jens Kestner ausgesprochen, erzählt ein Kreisvorsitzender im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen. Seinen Namen möchte er öffentlich nicht nennen. Gründe für den Unmut: schlechter Führungsstil, fehlende Kommunikation mit den Kreisverbänden, nur am eigenen Vorteil interessiert, so die Vorwürfe.

Parteiausschlussverfahren gegen Kestner eingeleitet

Auch der AfD-Bundesvorstand will Kestner loswerden. Vergangenes Jahr hatte sich die Bundesspitze mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Bestatter aus Northeim aus der Partei auszuschließen. Der Grund hier: Kestner hatte bei der Landeswahlleitung Zweifel an der Gültigkeit der Kandidatenliste für die Bundestagswahl geäußert. Ihm wird vorgeworfen, Formfehler inszeniert zu haben, um das Kräfteverhältnis umzukehren. Das Parteiausschlussverfahren gegen Kestner läuft.

Briefwahl vs. Aufstellungsparteitag

Jetzt stehen die Zeichen erneut auf Konfrontation. Während die meisten AfD-Mitglieder in Niedersachsen einen Aufstellungsparteitag wünschen, hält Kestner an der Briefwahl fest. Aus Kalkül, sagen seine Kontrahenten. "Er weiß, dass wir bei einer Präsenzveranstaltung besser mobilisieren", sagt der AfD-Kreisvorsitzende im Interview. "Kestner hätte dann keine Chance, für die Landtagswahl aufgestellt zu werden." Gleiches gelte für seinen Parteifreund, Armin-Paul Hampel, den früheren AfD-Landeschef.

Mitglieder beklagen desolaten Zustand des Landesvorstands

Viele AfD-Mitglieder sind von Jens Kestner enttäuscht. Ende März hatten sich mehr als 400 von ihnen in einem Brandbrief, der dem NDR vorliegt, an den Bundesvorstand der Partei gewandt. Der Tenor: Aus "rein persönlichem Interesse" werde die Briefwahl "voran gepeitscht", obgleich aufgrund von Verfahrensfehlern ein massives Risiko herrsche, die Teilnahme an der Landtagswahl zu verpassen. Und weiter heißt es: "Nach zahlreichen parteischädigenden Umständen, Anhörungen und Maßnahmen ist leider zu sagen, dass sich der Landesvorstand in einem solch desolaten Zustand befindet wie noch nie."

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Auf Stühlen bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD liegen Fähnchen mit dem Parteilogo. © picture alliance / dpa Foto: Peter Steffen

AfD auf der Suche nach einem Ort für ihren Landesparteitag

In Lüneburg lehnte der Landkreis die Veranstaltung ab. In Aurich wurde eine Buchung ebenfalls nicht akzeptiert. (22.04.2022) mehr

Kestner: Mitglieder in der Zwickmühle

Der Landesvorsitzende Jens Kestner kontert. Seine Kritik richtet sich vor allem gegen Berlin: "Mit großem Befremden muss ich zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesvorstand ausgerechnet für das Wochenende einen Parteitag plant, an dem wir für unsere Urwahl-Stimmen auszählen wollen. Das heißt dann nämlich: Unsere Mitglieder müssen sich entscheiden - entweder gehen sie auf den Parteitag oder sie sind als Beobachter bei der Auszählung dabei. Beides zusammen geht natürlich nicht."

Ort für Parteitag noch unklar

Wo der Landesparteitag am 28. und 29. Mai stattfinden soll, ist allerdings noch nicht klar. Vermieter in Walsrode, Lüneburg und Aurich hatten sich zuletzt geweigert, der AfD ihre Hallen zu überlassen. Dagegen klagt jetzt der AfD-Bundesvorstand. Dass der Parteitag überhaupt stattfindet, daran lässt der Informant keinen Zweifel. "Zur Not steht uns ein Zeltanbieter mit mehr als 1.000 Plätzen zur Verfügung." Den Ort will er noch nicht nennen, wohl aber die Hauptanliegen der Tagesordnung. "Wir werden uns sowohl mit der sofortigen Abwahl des Landesvorstands als auch mit dem sofortigen Stopp der Briefwahl beschäftigen."

Kestner: Präsenz-Aufstellungsversammlung birgt Risiko

Die Einladung zum Landesparteitag war bereits am Mittwoch an alle 2.400 niedersächsischen AfD-Mitglieder verschickt worden. Jens Kestner hält dagegen: "Ich halte es für stark risikobehaftet, bei der momentan ablehnenden Haltung von Kommunen und privaten Hallenbetreibern die Hoffnung auf Präsenz-Aufstellungsversammlungen zu legen. Im schlimmsten Fall würde das bedeuten, dass die AfD Niedersachsen nicht zur Landtagswahl antreten kann." Zu einem möglichen vorzeitigen Rücktritt wollte sich Kestner nicht äußern, ebenso nicht zu dem Vorwurf, ihm und Hampel ginge es nur um eine finanzielle Absicherung im Landtag.

Neuer starker Mann in der AfD Niedersachsen könnte schon bald der 35 Jahre alte Frank Rinck aus Uelzen werden. "Der gelernte Landwirt genießt einen großen Rückhalt in der Partei", heißt es in AfD-Kreisen.

 

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Oldenburg | 19.04.2022 | 15:00 Uhr

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