Mit Rückepferden gegen die Wildschweine: Wieda kämpft weiter
Seit Jahren dringen Wildschweine in den Harz-Ort Wieda ein. Die Gemeinde versucht mit Rückepferden und Waldumbau gegenzusteuern. Doch die Tiere sind hartnäckig – und die Anwohner zunehmend verzweifelt.
Noch bevor es dämmert, raschelt es im Gebüsch. Dann tauchen sie auf: mal allein, mal in Rotten – bis zu 14 Wildschweine gleichzeitig. Sie wühlen Gärten um, zerstören Spielplätze, reißen Mülltonnen um. "Wenn wir um sieben Uhr morgens die Mülltonnen rausstellen, stehen die Wildschweine um zehn nach sieben vor der Tür", berichtet Ortsbürgermeister Klaus-Erwin Gröger (CDU). Seit über zehn Jahren sei das so – und obwohl die Gemeinde schon zahlreiche Maßnahmen ergriffen habe, scheint das Schwarzwild den Menschen in Wieda immer einen Schritt voraus.
Rückepferde bringen Bewegung in den Wald
Um den Wildschweinen den Rückzugsraum zu nehmen, setzen Gemeinde und der Verein zur Erhaltung von Natur und Kultur Südharz (VNK) auf eine ungewöhnliche Maßnahme: Rückepferde. Bereits zum zweiten Mal helfen die kräftigen Tiere beim Waldumbau. Drei gespannte Kaltblüter ziehen tonnenschwere Stämme aus dem Dickicht. "Wir wollen den Wald lichter machen", erklärt Bernd Pfeiffer vom VNK. "Weniger Deckung, weniger Rückzugsorte – dann wird’s für die Schweine ungemütlich."
Hutewald mit Ziegen
Langfristig soll auf der drei Hektar großen Fläche ein sogenannter Hutewald entstehen - ein offener Wald mit Buchen und Eichen. In einigen Jahren sollen dort Ziegen weiden, Jungtriebe abfressen – und für ständige Unruhe sorgen. Das soll die Wildschweine vom Ort fernhalten. "Aber sowas braucht Zeit", sagt Pfeiffer. "Wir sind hier nicht bei einer Instant-Lösung."
Zwischen Mülltonnen und Schreckgeräten: Der Alltag im Dorf
Trotz der Fortschritte im Wald wächst im Ort der Frust. Fast täglich kommen die Tiere bis an die Grundstücke – manchmal direkt vors Haus. Anwohner Ben Pisa habe schon alles versucht: Elektrozäune, Lichtblitze, Lärmgeräte. "Die springen über 1,70 Meter hohe Zäune oder graben sich drunter durch. Ich hab Angst um meine Hunde – und meine Nachbarn um ihre Enkel", sagt er.
Grasnarbe im Kurpark ist zerstört
Besonders schlimm sei es im ehemaligen Kurpark. Dort würden die Wildschweine immer wieder Wege und Beete verwüsten – die Grasnarbe sei mittlerweile komplett zerstört. "Man investiert hier tausende Euro, richtet alles wieder her – und nach vier Wochen sieht’s wieder aus wie vorher", berichtet Gröger. Immer wieder würden Schuppen eingerissen, Zäune niedergewalzt. "Die Tiere haben eine unglaubliche Kraft", so Gröger. "Und sie kennen keine Grenzen."
Bewohner und Bürgermeister fordern: Jagen, auch im Ort
Für Ortsbürgermeister Klaus-Erwin Gröger ist klar: "So kann es nicht weitergehen." Er fordert eine Ausnahmegenehmigung, um die Wildschweine notfalls auch im Ort bejagen zu dürfen. Denn eigentlich ist das Schießen in sogenannten "befriedeten Bereichen" – also innerhalb von Ortschaften – gesetzlich verboten. Nur mit Zustimmung des Landkreises darf dort gejagt werden. Doch diese Genehmigung bleibt bislang aus.
Jagen als Ultima Ratio
Lars Deiters, Bürgermeister der Gemeinde Walkenried, kann den Frust verstehen, warnt aber vor Schnellschüssen. "Es tut sich was - aber eben langsam", sagt er. Wieda liege nun mal mitten im Wald. "Die Bejagung im Ort ist eine Ultima Ratio – also wirklich nur der allerletzte Schritt."
Wichtig sei auch, dass die Bewohner selbst Vorkehrungen träfen: Zäune sichern, Mülltonnen spät rausstellen, keine Essensreste offen liegen lassen – das seien einfache, aber wichtige Maßnahmen. Und so scheint in Wieda eines klar: im Kampf gegen die Wildschweine braucht es viele Schritte. Und vor allem Geduld.
