Die Libanon-Connection: Geldwäsche für die Kokain-Kartelle
Deutschland ist ein Geldwäsche-Paradies, sagen Experten und fordern strengere Maßnahmen, beispielsweise eine Obergrenze für das Bezahlen mit Bargeld. Eine Recherche von NDR Info macht deutlich, wie genau internationale Geldwäsche-Netzwerke auch Deutschland für die kriminellen Geschäfte nutzen. In dem neuen Podcast "Organisiertes Verbrechen" berichten die Journalisten von ihrer Arbeit.
Von Jan Lukas Strozyk und Benedikt Strunz
Man kennt Ali Z. bei dem alteingesessenen Juwelier in Münster. Immer wieder geht der Uhrenhändler hier einkaufen, so wie auch an diesem Dienstag im September 2015. Luxus-Herrenarmbanduhren im Wert von 300.000 Euro kauft Z. dieses Mal. Der Kunde ist unkompliziert, die Geschäfte wickelt er am liebsten in bar ab. Offenbar für beide Seiten ein ganz normaler Deal.
Geldwäschenetzwerk ist auf fünf Kontinenten aktiv
Was zu diesem Zeitpunkt niemand weiß: Ali Z. ist der Mittelsmann eines global agierenden Geldwäschenetzwerks, das auf fünf Kontinenten aktiv ist. Und das offenbar im Auftrag eines mexikanischen Drogenkartells in Europa die Einnahmen aus dem Kokain-Geschäft wäscht. Mit dem Bargeld der Dealer kauft die Bande zum Beispiel Uhren ein, bringt sie nach Libanon und verkauft sie dort wieder - ganz offiziell, im Laden. So kommt das Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf. Über Wechselstuben soll es dann nach Südamerika geflossen sein.
Ermittlungsakten, die dem NDR vorliegen, zeigen, dass Z. und seine Mitstreiter über Jahre hinweg bei mehreren Juwelieren in Deutschland Uhren im Wert von 20 Millionen Euro erworben haben. "Die Personen sollen wohl diese Juweliere aufgesucht haben mit Plastiktüten, in denen sich diese großen Summen von Bargeld befunden haben sollen", sagt Jost Schützenberg, Sprecher der Staatsanwaltschaft Aachen, dem NDR. Ein Mitglied der Bande spezialisierte sich außerdem auf Autos, regelmäßig fuhr er im Range Rover vor, sagte später einer der Männer aus. Die Wagen, so vermuten es die Ermittler, verschickte die Bande nach Benin in Westafrika, um sie dort zu verkaufen.
Spuren auch nach Norddeutschland
Im Zuge der Ermittlungen finden die Fahnder immer weitere Spuren - auch nach Norddeutschland: In Ganderkesee bei Bremen durchsuchen sie ein Haus, mindestens einer der Geldkuriere soll hier wohnen. Außerdem werden Männer in Düsseldorf, Münster und im europäischen Ausland festgenommen. In Paris wird den Geldwäschern schließlich Ende des Jahres 2018 der Prozess gemacht. Die Mitglieder der Bande bekommen lange Haftstrafen. Der Kopf der Bande, ein Beiruter Geschäftsmann namens Mohamad Noureddine, muss für sieben Jahre in Haft, der Uhrenhändler Ali Z. für fünf Jahre. Er beteuert, er habe nicht gewusst, dass es sich bei dem Geld um Gewinne aus Drogengeschäften gehandelt habe, sagt Z. dem NDR.
Experte fordert Bargeldobergrenze beim Bezahlen
Sebastian Fiedler, Geldwäscheexperte und Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, kritisiert, dass es in Deutschland beispielsweise keine Bargeldobergrenzen gibt: "Man könnte provokant formulieren, Verbrechen lohnt sich." Studien bewiesen, nur ein Bruchteil des kriminell erwirtschafteten Geldes bekämen die Ermittler zu Gesicht. In anderen europäischen Staaten gebe es längst Bargeldobergrenzen beim Bezahlen.
Profitierte libanesische Terrororganisation Hisbollah von Geschäften?
Die Journalisten des NDR setzten sich auch mit der Frage auseinander: Profitierte die libanesische Terrororganisation Hisbollah von den Geldwäsche-Geschäften? Davon geht zumindest ein Ex-Ermittler der amerikanischen Drogenbehörde DEA aus: "Mohamad Noureddine hat dieses ganze Geldwäschesystem aufgezogen, um die Hisbollah zu unterstützen. (…) Dahinter steckt ein genau durchdachter Plan", sagt Derek Maltz, der lange für die US-Amerikanische DEA gearbeitet hat. Protokolle belegen zumindest, dass Noureddine mit einem Hisbollah-Offizier telefonierte.

Europäische Ermittler sind da deutlich zurückhaltender. Kriminalhauptkommissar Peter Dörzapf analysiert für das Bundeskriminalamt den globalen Kokainmarkt. Er stellt fest, dass es häufig die amerikanische DEA sei, die Hinweise auf mutmaßliche Hisbollah-Verstrickungen an europäische Behörden weitergebe "Wir fragen dann entsprechend nach: Woher ergeben sich denn diese Hinweise auf diese Hisbollah-Bezüge? Dann kommt meistens nichts", sagt Dörzapf im NDR Interview.
Starke Defizite bei Geldwäsche-Bekämpfung in Deutschland
So bleibt die Frage der Hisbollah-Finanzierung im Falle von Ali Z., Mohamad Noureddine und ihrer Bande offen. Aber die intensive Recherche dieses Falles, für die Reporter des NDR unter anderem nach Israel, Libanon und Benin in Westafrika gereist sind, zeigt, welche enorme Gefahr von solchen Geldwäsche-Netzwerken ausgeht. Und sie verdeutlicht auch, dass Deutschland noch immer beliebt ist bei diesen Banden, weil die Geldwäsche-Bekämpfung hierzulande starke Defizite aufweist.
Ganze Geschichte im NDR Info Podcast
Die ganze Geschichte gibt es ab sofort im NDR Info Podcast "Organisiertes Verbrechen - Recherchen im Verborgenen". Darin werden Schlaglichter auf die Welt der Organisierten Kriminalität geworfen. Die Hörerinnen und Hörer haben die Möglichkeit, die Reporter bei ihrer Arbeit zu begleiten, auf den Spuren mexikanischer Drogenbanden oder der italienischen n´drangheta. Die Rechercheergebnisse werden im Podcast mit Experten diskutiert und eingeordnet.
