Wie reagieren norddeutsche Hochschulen auf den Krieg?
Der russische Angriff auf die Ukraine sorgt dafür, dass Länder, Unternehmen und Organisationen sich von Russland abwenden. Auch der Wissenschaftsbetrieb reagiert. Viele Hochschulen im Norden haben eine klare Meinung.
Durchweg alle befragten Universitäten und Forschungseinrichtungen in Norddeutschland verurteilen den Krieg in der Ukraine auf das Schärfste, zeigen sich zutiefst erschüttert. Darüber hinaus müssen sie sich jetzt mit ganz mit konkreten Fragen befassen. Da sind zum einen die zahlreichen Wissenschaftskooperationen mit Russland, die viele nun erst einmal nicht weiterführen wollen. So wie auch die Universität Osnabrück, die jetzt alles auf Eis gelegt hat, sagt die Präsidentin Susanne Menzel-Riedl: "Wir finden dieses Signal wichtig. Das bedeutet zum Beispiel, dass Publikationsvorhaben erst einmal nicht weitergetrieben werden, dass Projekttreffen nicht stattfinden, dass Projektreisen natürlich auch nicht stattfinden. Das heißt nicht, dass persönliche Kontakte abgebrochen werden müssen. Nur die Projektarbeit, die erfährt jetzt einen Stillstand. Wir sehen hier eine klare Differenzierung."
Empfehlung: Kooperationen ruhen lassen
Wie bereits viele Universitäten folgt die Uni Osnabrück der Empfehlung der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland. Die hatte dazu aufgerufen, sämtliche Kooperationen mit russischen Forschungsinstitutionen bis auf Weiteres ruhen zu lassen. Den Appell mit unterzeichnet hatten unter anderem die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Deutsche Akademische Austauschdienst, DAAD. Auch Landesregierungen, wie etwa jene Niedersachsens, haben sich dieser Haltung angeschlossen. Manche Wissenschaftseinrichtungen - wie zum Beispiel die Uni Hamburg - prüfen derzeit noch, ob auch sie ihre wissenschaftlichen Aktivitäten mit Russland aussetzen.

Die Vizepräsidentin der Universität Kiel, Nele Matz-Lück, sieht zu einem solchen Schritt derzeit jedenfalls keine Alternative: "Wir möchten ein ganz klares Zeichen setzen, dass unter diesen Bedingungen eine Wissenschaftskooperation mit Russland nicht möglich ist: eine formalisierte Kooperation wie Austauschprogramme, gemeinsame Forschungsprogramme, Drittmittelprojekte. Damit in Russland nicht der Eindruck besteht, man könne sich einen solch völkerrechtswidrigen Angriffskrieg herausnehmen und in der Wissenschaft laufe alles so weiter wie zuvor."
Norddeutsche Unis ziehen Konsequenzen
In Norddeutschland haben schon etliche Hochschulen Konsequenzen gezogen: Die Universitäten in Göttingen, Braunschweig, und Rostock beispielsweise, oder die Hochschule Emden Leer - letztere arbeitet mit Wissenschaftlern in Moskau, St. Petersburg und Archangelsk zusammen. Ebenso die Uni Hannover, die schon lange mit mehreren ukrainischen und russischen Partnerhochschulen kooperiert.
Uni Kiel gewährt pragmatische Hilfe
Die Distanzierung zu Russland ist das eine, die Unterstützung ukrainischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das andere. Die TU Braunschweig etwa entwickelt derzeit für sie ein eigenes Hilfs-Programm. Die Uni Kiel intensiviert bereits bestehende Angebote und hilft unbürokratisch ukrainischen Studenten in Kiel, sagt Vize-Präsidentin Matz-Lück: "Da gibt es zum Beispiel die Philip-Schwarz-Initiative der der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Wir werden natürlich auch ansonsten die Kooperation, die wir mit ukrainischen Partnerinnen und Partnern haben, fortsetzen, soweit das eben im Moment vor Ort möglich ist. In jedem Fall aber gewähren wir für ukrainische Studierende und Promovierende, die hier sind, schnelle und pragmatische Hilfe, wenn es finanzielle Notlagen gibt."
Beratungsangebote für ukrainische Studierende
Die norddeutschen Hochschulen wollen sich jetzt speziell um ihre Austausch-Studierenden kümmern. An vielen Unis sind junge Ukrainerinnen und Ukrainer zu Gast. Aufgrund der unsicheren Lage in der Heimat ist für sie unklar, wann und wie sie dorthin zurückkehren können. Die Präsidentin der Universität Osnabrück Susanne Menzel-Riedl. "Für die Studierenden aus der Ukraine, die hohen psychologischen Druckverhältnissen ausgesetzt sind, die Angst haben um ihre Familien, die haben wir in Beratungsangebote hereingeholt. Wir haben offene Austauschforen, wo sie betreut werden und sich aussprechen können."
Osnabrück: Russische Studierende können bleiben
Die Forschungseinrichtungen haben aber auch ihre jungen russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Blick. Rund 60 Studierende sind es in Osnabrück. Die dürfen selbstverständlich bleiben, betont die Unipräsidentin. Gerüchte, wonach russische Studierende an deutschen Unis jetzt zwangsexmatrikuliert werden sollen, sind Falschmeldungen, stellt Menzel-Riedel klar:

"Ich bin der Meinung, wir haben eine Verantwortung für die Menschen, die bei uns an der Universität studieren. Sie können unter dem Schutzschirm der Universität erst einmal verbleiben. Wir weisen natürlich niemanden aus. Bei den russischen Studierenden müssen wir ein bisschen im Blick haben, dass die unter Umständen von ihren finanziellen Möglichkeiten abgeschnitten sind, durch die Maßnahmen im Bereich der SWIFT-Kooperation. Wir werden hier niemanden in humanitäre Not bringen. Hier werden wir die Einzelfälle dann angucken und gucken, was getan werden muss."
Viele deutsche Austauschstudenten zurückgekehrt
Was Austausch-Studentinnen und Studenten aus Norddeutschland in der Ukraine betrifft - die sind in den allermeisten Fällen bereits von dort zurückgekommen. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hatte sich schon vor Wochen um deren Rückholung bemüht, als sich der Konflikt durch den russischen Truppenaufmarsch verschärfte. Aus Russland kehren in diesen Tagen ebenfalls noch einige Studierende aus Norddeutschland vorzeitig nach Hause zurück. Andere hingegen haben sich entschieden dort zu bleiben, wie einige Universitäten auf Nachfrage berichten.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) setzt übrigens mit sofortiger Wirkung alle von ihr geförderten Forschungsprojekte zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und Russland aus. Zugleich werden Förderanträge für neue deutsch-russische Kooperationen und Fortsetzungsanträge für laufende Projekte bis auf Weiteres nicht angenommen, teilte die DFG mit.
