Wiebke Ahrndt © picture alliance / dpa Foto: Markus Scholz

Wiebke Ahrndt: "Museen müssen mehr sein als reine Museen"

Stand: 13.05.2022 18:36 Uhr

Bis vorgestern fand die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes statt. Man wollte sich vernetzen, Erfahrungen austauschen und vor allem über die Frage diskutieren: Wie kann man Museen attraktiver machen?

Ein Gespräch mit Wiebke Ahrndt, der neuen Präsidentin des Deutschen Museumsbundes.

Frau Ahrndt, dass Sie sich diese Frage stellen, wie man Museen attraktiver machen könne, legt die Vermutung nahe, dass Museumsmacherinnen und -macher da eine gewisse Dringlichkeit sehen. Wie steht es um die Museen in Deutschland?

Wiebke Ahrndt: Es steht gut um die Museen in Deutschland. Es gibt eigentlich gar kein Land, das so viele Museen hat wie Deutschland, und es werden immer mehr. Also klagen wir da schon auf hohem Niveau, aber es ist immer noch Luft nach oben. Natürlich ist es insbesondere in Zeiten von Corona, wo wir Museumsschließungen und große Restriktionen hinter uns hatten, ein sehr dringliches Thema: Wie können wir noch attraktiver werden für die Besucherinnen und Besucher, aber auch für die Menschen, die wir als Facharbeitskräfte suchen? Was muss da eigentlich geschehen? Darüber wurde diskutiert.

Läuft es noch langsam an nach der Corona-Pandemie? Oder gibt es schon direkte Auswirkungen, dass sich da etwas im Verhalten verändert hat?

Ahrndt: Das kann man so noch nicht sagen. Wir erleben, gerade bei älteren Menschen, immer noch eine große Vorsicht - während jüngere Familien wieder sehr oft in die Museen kommen. Es stellt sich aber die Frage: Wie stellen wir uns auf? Wie müssen sich unsere Programme verändern? Aber auch Fragen, die von Corona völlig losgelöst sind: Sind wir Service-orientiert genug? Sind wir eigentlich ein attraktiver Arbeitgeber? Das war auch ein sehr wichtiger Diskussionspunkt, weil wir überall Fachkräftemangel erleben - und das ist in den Museen nicht anders.

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Wie wollen Sie Leute, die noch nie einen Schritt in ein Museum gesetzt haben, oder wenn, dann äußerst widerwillig, dazu bringen, sich für eine Ausstellung zu interessieren? Gab es da neue Ideen?

Ahrndt: Das ist ein Thema, das auch sehr intensiv diskutiert wird: dass wir noch mehr aus unseren Häusern raus müssen, dass wir Kontakte herstellen müssen zu Menschen oder Organisationen, die uns dann als Türöffner helfen können. Denn das braucht es auch sehr oft, dass man sich neue Partner sucht, mit denen man versucht, Türen aufzustoßen, hinein ins Museum. Denn es gibt viele Menschen, die Museen nicht auf ihrer Tagesordnung stehen haben, aber in der Regel sehr positiv überrascht sind, wenn sie drin sind.

An welche Partner denken Sie da, neben Schulen zum Beispiel?

Ahrndt: Das sind die Menschen, die in den verschiedenen Stadtteilen aktiv sind, die da im Quartiersmanagement sind. Das können aber auch Organisationen sozialer Art sein, wie die AWO, also Menschen und Organisationen, die in den verschiedenen Quartieren fest verankert sind, denen die Menschen vertrauen. Das sind natürlich gute Türöffner.

Welche Rolle spielt mittlerweile die Präsentation der Objekte? Ist das Drumherum beinahe so wichtig geworden wie das, worum es in der Ausstellung eigentlich geht, sprich: nette Lounge-Möglichkeiten und so weiter?

Ahrndt: Das ist sehr wichtig, definitiv. Die Frage der Aufenthaltsqualität ist enorm. Die Menschen wollen viel Zeit in unseren Häusern verbringen und wollen sich auch mal hinsetzen und einfach mal relaxen. Ich halte das für ausgesprochen wichtig, dass Museen mehr sein müssen als reine Ausstellungsbesichtigungshäuser, als reine Museen. Es ist wichtig, dass es W-LAN gibt, dass es gemütliche Möbel gibt, dass es einen Kaffee gibt, einen Shop, dass es Orte sind, an denen ich mich einfach gerne aufhalte. Natürlich geht es auch um die Ausstellung, aber dass ich auch mal diese ganze Atmosphäre, diese Objekte, die Aura auf mich wirken lassen kann, auch wenn ich in Wahrheit gerade meine E-Mails checke oder die Zeitung lese. All das gehört zu einem Museumsbesuch ganz fest dazu.

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Und auch Museum als Treffpunkt, als Ort des Austauschs?

Ahrndt: Ja, definitiv. Wir sind Orte im Zentrum der Gesellschaft. Es gibt Untersuchungen, wie hoch der Stellenwert der Museen ist als Orte, wo ich mir relevantes Wissen abholen kann, vermittelt bekommen kann, aber auch daran teilhaben kann. Und da ist die Auseinandersetzung, der Diskurs mit anderen von ziemlicher Wichtigkeit. Das geht Hand in Hand. Das eine ist gar nicht von dem anderen zu trennen.

Wie sieht denn zeitgemäßes Marketing für Museen aus in Zeiten von Instagram und Co.?

Ahrndt: Das muss definitiv mehr online werden, als es in vielen Museen derzeit noch ist. Natürlich funktionieren die großen Plakate noch immer. Aber wir merken auch, dass, je jünger das Zielpublikum wird, desto weniger erreichen wir es über die klassischen Medien. Wir müssen sie auf anderen Wegen ansprechen und da sind alle digitalen Vermittlungsformate, insbesondere Social Media, von großer Wichtigkeit.

Wie könnte ein ideales Museum der Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen?

Ahrndt: Das ideale Museum der Zukunft hat wunderschöne Objekte, die in schöner Atmosphäre präsentiert werden. Es hat analog-digitale Angebote und verlässt damit auch mal die Mauern des eigenen Hauses, um die Menschen, die online zu uns kommen, genauso sehr wertzuschätzen wie die, die im Museum sind.

Das Interview führte Eva Schramm.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 12.05.2022 | 17:15 Uhr

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