Was kann und darf Satire in Kriegszeiten?
Satire und gerade politische Satire darf - nach dem Bonmot von Kurt Tucholsky - alles. Doch gerade in Zeiten des Krieges, in denen vielen nicht unbedingt zum Lachen zumute ist, stellt sich die Frage: Wie kann und darf Satire auch mit solchen schwierigen Themen umgehen?
Es gibt Ereignisse, die nehmen auch gestandene Satiriker wie Stephan Fritzsche vom NDR Info Satiremagazin "Intensivstation" mit: der 11. September, der Anschlag auf die Zeitschrift "Charlie Hebdo" oder eben der Krieg in der Ukraine: "Man steht erstmal neben sich und guckt: Was machen wir jetzt eigentlich? Satire ist oft auch Ereignis plus Zeit, man muss manches auch sacken lassen. Wir haben uns sortiert, abgewartet und uns gefragt: Was geht jetzt, und wann geht wieder was?"
Humor ist für ihn jedoch eine der besten Bewältigungsstrategien - gerade in der Krise: "Du findest in dem ganzen Elend und in der ganzen Dramatik immer noch Bilder, wo du denkst: Das muss doch jetzt auch aufgespießt werden. Und so haben wir uns am Anfang dann auch herangetastet."
Sarah Bosetti: "Satire ist eine großartige Kunstform"
Fritzsche findet, dass alle Formen der Satire angebracht seien. Satire darf alles! Doch sie muss keineswegs immer alles! Mit genau diesem Thema beschäftigt sich aktuell auch die Satirikerin Sarah Bosetti im ZDF: "Wenn in einem Rollstuhl ein Rassist sitzt, bin ich die erste, die einen Witz über ihn macht. Aber eben nicht über seine Unfähigkeit zu laufen, sondern über seinen Rassismus. Satire ist eine großartige Kunstform. Comedy ist auch manchmal okay. Beides ist kein Vorwand, um für die eigenen Worte keine Verantwortung tragen zu müssen. Wir leben in einem gesellschaftlichen Klima, in dem Comedy oder politisches Kabarett mit Millionenpublikum und Verantwortungslosigkeit sich nicht besonders gut vertragen. Wenn du Witze über Juden machen willst, oder über Frauen, oder über Schwarze - dann kann das okay sein. Es kommt darauf an, was du damit erreichen willst."
Matthias Brodowy: "Es gibt eine neue Ernsthaftigkeit"
Auch der Hannoveraner Kabarettist Matthias Brodowy stand kurz nach dem Kriegsausbruch mit einem unguten Gefühl auf der Bühne: "Ich weiß, dass die Leute Nachrichten gesehen haben, dass sie betroffen sind und Angst haben. Ich weiß, dass es ungewöhnlich ist, dass sie zu einer Kabarett-Vorstellung kommen, nur weil sie Karten haben. Ich hätte auch viele verstehen können, die zuhause geblieben wären." Und andererseits war es Brodowy wichtig - und das habe er sogar auf der Bühne gesagt -, Kultur gegen jedwede Form der Unkultur zu setzen.
Seiner Meinung nach hat sich die Szene - insbesondere durch die Corona-Pandemie - verändert: "Es gibt eine neue Ernsthaftigkeit und ein neues Verantwortungsbewusstsein. Dass man nicht mehr auf 'die da oben' draufhaut, sondern guckt, was jetzt richtig oder notwendig ist und wo man sich vielleicht mal hinter die Maßnahmen der Regierung stellen muss. Das habe ich in dieser Form im Kabarett noch nicht erlebt."
Das Kabarett soll humanistisch bleiben
Brodowy stört diese Entwicklung nicht - solange das Kabarett noch genügend alberne Themen behandelt. Eines ist ihm jedenfalls eine Herzensangelegenheit: "Ich denke, es ist viel interessanter, Positionen zu hinterfragen, gesellschaftliche Strömungen der Kritik zu unterziehen. Ich habe immer noch dieses Demokratie-Verständnis, dass wir alle dieser Staat sind. Demnach müssen wir uns auch alle der Kritik aussetzen, die das Kabarett auf der Bühne übt."
