Schlesinger-Rücktritt: "Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel"
Nach zahlreichen gegen sie erhobenen Vorwürfen hinsichtlich ihrer Amtsführung ist Patricia Schlesinger als Intendantin des RBB zurückgetreten. Zuvor hatte sie schon ihr Amt als ARD-Vorsitzende abgegeben.
Ein Gespräch mit dem NDR-Chefredakteur des Programmbereichs Information, Andreas Cichowicz.
Herr Cichowicz, was ist aus Ihrer Sicht jetzt wichtig für die ARD?
Andreas Cichowicz: Zunächst mal ist der Rücktritt ja kein Schuldeingeständnis. Patricia Schlesinger hat alle Vorwürfe zurückgewiesen, insofern muss da erst mal die Unschuldsvermutung gelten. Aber Dinge, die im RBB passiert sind, das sind Vorwürfe gegen den RBB, und das muss auch im RBB sauber aufgeklärt werden. Daran haben alle in der ARD ein wahnsinnig großes Interesse, denn sonst steht unsere Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit auf dem Spiel. Aber der RBB ist nicht die ARD.
Die Kolleginnen und Kollegen vom RBB berichten, dass es natürlich gar nicht so einfach sei, zu berichten und zu recherchieren, wenn es um die Ex-Chefin geht. Wie kann man das denn gut machen?
Cichowicz: Das ist in der Tat nicht so einfach. Da gibt es einen ganz einfachen Grundsatz: keine Einmischung ins Programm. Ich finde, dass die RBB-Kolleginnen und -Kollegen das ganz hervorragend gemacht haben - im Medienmagazin, aber auch in ihren eigenen Programmen und Sondersendungen: Die sind sehr kritisch mit der Intendantin selbst, mit dem Sprecher und mit den Vorgängen im Haus umgegangen. Das ist aus meiner Sicht die Vorgehensweise, die man an den Tag legen muss. Da zeigt sich nämlich, dass der Journalismus in der ARD und auch im RBB wirklich gut funktioniert. In dieser Zeit, wo wir einen Krieg haben und in einen harten Winter gehen, müssen wir den Journalismus in die Mitte stellen und sollten uns nicht täglich mit Schlagzeilen herumschlagen.
Es gibt Studien, die aufzeigen, dass wenn Menschen in teurere Wohngebiete ziehen, sie sich sofort an den Nachbarinnen rechts und links orientieren. Ist es ein Problem, als öffentlich-rechtliche Chefin unter den ganz großen Bossen unterwegs zu sein?
Cichowicz: Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Denn um so eine Chefin oder so ein Chef zu werden, braucht man ein gestandenes Selbstbewusstsein, Erfahrung, eine innere Gelassenheit und einen guten Kompass. Da macht es dann eigentlich wenig aus, mit wem man zusammen ist, sondern wichtiger ist die Sache, für die man steht: Man vertritt einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der eine wahnsinnig wichtige Rolle in der Gesellschaft hat. Wer informiert denn die Öffentlichkeit, wer sorgt dafür, dass es unabhängige Berichterstattung gibt? Mit diesem Wissen im Hintergrund kannst du überall auftreten. Da spielt die Automarke oder sonstige Dinge keine Rolle.
Was können die anderen ARD-Anstalten, auch der NDR, aus diesem Vorfall lernen?
Cichowicz: Zum einen ist es so, dass man nie gegen kriminelle Machenschaften gefeit ist. Die strengsten Compliance-Regeln - und die gibt es in allen ARD-Anstalten - helfen nicht, wenn sich jemand darüber hinwegsetzt. Wobei ich nicht sagen möchte, dass das geschehen ist - das wird jetzt die Aufklärung zeigen. Diese Aufklärung ist extrem wichtig, und daran haben alle anderen ARD-Anstalten ein großes Interesse. Ich glaube, auch Patricia Schlesinger wird das haben, denn damit kann sie Vertrauen zurückgewinnen. Wenn jeder dieser Vorwürfe untersucht wird, dann wird man wissen, ob die Aufsichtsgremien möglicherweise versagt haben, ob es einfach eine Grenzüberschreitung gewesen ist, oder ob es Dinge gewesen sind, die okay waren, aber moralisch verwerflich. Das zu wissen und das am Ende auch unterscheiden zu können, das ist wichtig, daraus kann man lernen. Die andere Frage ist, wie man mit solchen Vorwürfen in der Öffentlichkeit umgeht und wie schnell es einem gelingt, Transparenz herzustellen und Vertrauen zu gewinnen - übrigens auch im eigenen Haus.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.