Designerinnen aus Hamburg stellen sich gegen Fast-Fashion-Trend
Christina Fassbender und Alina Klemm, Designerinnen aus Norddeutschland, zeigen, dass nachhaltige Mode möglich ist und werben für mehr Wertschätzung ihrer Arbeit.
Die Textilindustrie verursacht jährlich 1,2 Milliarden Tonnen CO2 - das ist mehr als von allen internationalen Flüge und Kreuzfahrten zusammen.
An einem Alster-Fleet am Alten Wall in der Hamburger Innenstadt richtet Christina Fassbender gerade ihren Pop-Up-Store ein, der Ende Juni die Türen öffnet. Der Rohbau versprüht mit den roten und schwarzen Rohren an der Decke Industrie-Charme, die bodentiefen Fenster gewähren Blick auf den Alster-Kanal. Ein handgeknüpfter Nomaden-Teppich in der Mitte des Raumes sorgt für gemütlichen Charme. An vier schwarzen Kleiderstangen hängt die aktuelle Kollektion von Fassbender, die ihre Mode unter ihrem eigenen Namen vertreibt.
Fassbender: Nachhaltige Luxusmode zu einem akzeptablen Preis
Die Grundidee der Designerin: Sie möchte mit ihrem Label Luxusmode zu einem akzeptablen Preis ermöglichen, die zu sehr nachhaltigen Bedingungen produziert wurde. Fassbender ist im niedersächsischen Bad Zwischenahn aufgewachsen und hat zunächst BWL studiert. Nicht unbedingt der typische Werdegang für eine Designerin also: "Mein Vater hat mir immer gesagt, versuch erstmal etwas zu machen, was eine gute Substanz hat. Dann kann man darauf aufbauen und seine Passion leben."
Stoffe waren in ihrem Leben präsent - die Eltern hatten ein Unternehmen gegründet, das Polstermöbelstoffe importierte. Mode war lange ein Hobby: Für ihre Freundinnen legte Fassbender Klamotten raus und beriet sie beim Einkaufen. Doch als sie anfing, in der Modebranche zu arbeiten, konnte sie sich schnell nicht mehr mit den Umständen bei ihren früheren Arbeitgebern identifizieren.
Gegebenheiten der Branche im Konflikt mit eigenen ethischen Ansprüchen
"Die Gegebenheiten, unter denen produziert wird für solche Konzerne, haben überhaupt nicht meinen ethischen Ansprüchen entsprochen", erinnert sich die Designerin, die sich auch in der Verantwortung sieht, ihren Kindern eine Welt zu hinterlassen, in der sie noch gut leben können. Mit Forderungen an ihre Einkäufer etwa, den Preis von T-Shirts noch um einen Cent weiterzuverhandeln, konnte sie nicht mehr leben. Gemeinsam mit ihrem Bruder Sebastian Steinhoff wagte sie daher den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete das Label "Fassbender". Ihre Mode ist geprägt von ihrem privaten Stil: Sie setzt auf elegante und zeitlose Klassiker, die funktional sind und über Generationen halten sollen.
Nähereien in Asien: "Da bleibt einem echt die Spucke weg!"
Für ihre handgearbeiteten Entwürfe hat Fassbender fachliche Unterstützung von ihrem Co-Designer Matthias Louwen. Schließlich hat die Diplom-Betriebswirtin im Studium nicht das Handwerkliche gelernt. Produziert werden ihre Kollektionen in Deutschland, Belgien und Portugal. Und zwar auch nur zwei Kollektionen im Jahr, mit um die 100 Teilen. "Ich habe Nähereien gesehen in Asien, da bleibt einem echt die Spucke weg," erinnert sich Fassbender zurück. Sie will es daher besser machen: "Ich glaube daran, dass diese Art und Weise, wie wir Fashion konsumieren - also das ist ja Slow Fashion - dass das die Zukunft ist."
Moderne Produktionsverfahren für mehr Nachhaltigkeit
Für ihre Kollektionen setzt Fassbender deswegen auch auf neueste Materialien und moderne Produktionsverfahren - und das ist durchaus erstaunlich, was heutzutage alles möglich ist: Biologisch komplett abbaubare Accessoires aus Rizinus-Öl aus dem 3-D-Drucker, ein Denim, das auf nicht-toxischen und nachhaltigen Färbe-Verfahren basiert, Naturfasern von tierfreundlichen Farmen und recycelte Materialien.
Seit der Gründung 2018 hat Christina Fassbender ihre Mode nicht nur online, sondern in Boutiquen weltweit etablieren können. Auch wenn sie Hamburg privat als ihre Basis schätzt, glaubt sie, dass der Standort für Designer eher Nebensache ist. "Ich sehe allgemein gar nichts mehr in Ländern und Städten. Ich designe für eine sehr selbstbewusste, lebensfrohe Frau, die Spaß an der Stilistik hat", sagt sie. Ihre Zielgruppe seien Frauen, die sich mühelos kleiden möchten, die sich um ihre Familie, ihre Kinder und den Job sorgen - aber eben auch um die Umwelt um sie herum.
Auch Alina Klemm wurde mit der Fast-Fashion-Industrie nicht warm
Ganz ähnliche Ansätze verfolgt die 28 Jahre alte Designerin Alina Klemm, deren Laden sich aktuell in der unmittelbaren Nachbarschaft am Alten Wall befindet. Aus einem Lautsprecher ist angenehme elektronische Musik zu hören. Im Gegensatz zu großen Modeketten hat Klemm nur wenige Kleidungsstücke an ihren Kleiderbügeln hängen: jeweils zwei pro Design.
Aus Bargteheide in Schleswig-Holstein zog es sie an die Modedesign-Akademie nach Hamburg. "Nach dem Studium habe ich auch in großen Konzernen gearbeitet und habe das auch miterlebt, dass wirklich zwölf bis vierundzwanzig Kollektionen produziert werden. Mir war von Anfang an klar, dass das nicht meine Welt ist."
Lieber zwei Kollektionen im Jahr statt vierundzwanzig
Mit Mode-Design habe ihre frühere Tätigkeit wenig zu tun gehabt, schließlich habe sie gar keine Möglichkeit gehabt, sich tief in die Entwicklung der Kleidungsstücke hineinzufuchsen. Das ist der Designerin aber wichtig: "Dass ich mich wirklich intensiv mit meinen Teilen beschäftigten kann, die Schnitte zu 100 Prozent ausarbeiten kann und immer wieder etwas Neues schaffen kann."
Auch Klemm arbeitet daher zwei Kollektionen im Jahr mit um die 40 Kleidungsstücken aus. Die Zeit braucht sie auch, um ihre Inspiration einfließen zu lassen. Aktuell etwa die Eindrücke einer Reise, die sich in sommerlichen und leichten Schnitten niederschlagen.
Alina Klemm wirbt um Wertschätzung für ihre Arbeit
Die Kollektion ist komplett handverarbeitet in Norddeutschland, Klemm setzt auf italienische, feste Stoffe, um möglichst langlebige Produkte herzustellen. Auch ihre floralen Prints sind handgezeichnet und in Deutschland gedruckt. Ihre Mission ist es, bei ihren Kunden die Wertschätzung für die Arbeit und Mode zu gewinnen. Mit vielen Stammkundinnen würde sie daher auch mal mehrere Stunden Beratungsgespräche führen.
Sie freue sich besonders darüber, wenn sie dann Fotos von ihren Kundinnen erhalte, auf denen sie die Kleidung tragen. Das zeige ihr, dass sie das Produkt lieben, dass sie es lange tragen wollen und damit auch eine neue Geschichte erzählen. Auch in der Zukunft will sie an ihren Werten und den aktuellen Produktionsbedingungen festhalten. Die Reaktionen ihrer Kundinnen: "Ich glaube, immer wenn ich dieses Feedback bekomme, dass mein Gedanke, den ich in der Mode verfolge, erfüllt ist."
Schlagwörter zu diesem Artikel
Mode
