Ausstellungsansicht "Benin. Geraubte Kunst" im MARKK © MARKK Foto: Paul Schimweg

Ausstellung im MARKK: "Höhepunkte der afrikanischen Kunst"

Stand: 16.12.2021 18:25 Uhr

Im Hamburger MARKK eröffnet am Freitag die Ausstellung "Benin. Geraubte Geschichte". Ein Gespräch mit der Direktorin des Museums am Rothenbaum, Barbara Plankensteiner.

Frau Plankensteiner, als Ethnologin beschäftigen Sie sich seit vielen Jahren mit der Kunst aus Benin - der Kunst wegen oder wegen der Herkunftsgeschichte?

Barbara Plankensteiner: Eigentlich war es das Interesse an der Kunst. Aber es war von Anfang an klar, dass es sich hier um geraubte Kunst handelt. Das eine kann vom anderen nicht getrennt werden, wenn man sich mit dieser Kunst beschäftigt.

Welchen Stellenwert hat dieses Konvolut aus Benin für die Geschichtsschreibung der afrikanischen Kunst?

Plankensteiner: Es handelt sich hier um einen herausragenden Korpus an Werken, zum Großteil höfischer Kunst, in höchster Qualität und Eigenständigkeit. Es gibt Kunstwerke in ganz Westafrika, aber nicht in diesem Ausmaß und mit diesen Kategorien von Werken, die wir hier haben. Es geht hier um Bronze-Reliefs, die historische Momente der Geschichte darstellen, aber auch Einblick geben in das höfische Zeremonial des 16./17. Jahrhunderts. Davon sind weltweit circa 900 Stück bekannt. Als die im 17. Jahrhundert in dem Königspalast gezeigt wurden - das muss ein überwältigender Anblick gewesen sein.

Außerdem gibt es sehr naturgetreue Kopfdarstellungen von Königen von feinster Qualität, die auf Ahnenaltären aufbewahrt waren. All diese Dinge zeugen von einem höchsten Kunstverständnis vor Ort und suchen ihresgleichen in Afrika. Das sind schon herausragende Werke, die zu den Höhepunkten der afrikanischen Kunst zählen.

Diese Werke wurden Ende des 19. Jahrhunderts von den britischen Besatzungstruppen geraubt und auf den internationalen Markt gebracht. Einige sind unter anderem auch im seinerzeitigen Völkerkundemuseum in Hamburg gelandet. Sie arbeiten seit 2017 an der Aufarbeitung dieser Geschichte. Was passiert jetzt mit dieser Benin-Kunst?

Plankensteiner: Senator Carsten Brosda hat verkündet, dass Hamburg eine Eigentumsübertragung nach Nigeria vornehmen wird. Dies geschieht im Zuge der gesamtdeutschen Verhandlungen mit Nigeria zur Restitution der Benin-Sammlungen in Deutschland. Es gab eine Verlautbarung Ende April, wo sich fünf große Museen mit bedeutenden Benin-Beständen bereiterklärt haben diese Sammlungen an Nigeria zurückzugeben. Es gibt weitere Gespräche, die im nächsten Jahr fortgeführt werden. Und im Zuge dieser Verhandlungen hat der Senator diese Eigentumsübertragung verkündet.

Was bedeutet "Geraubte Geschichte" in dem Titel der Ausstellung? Was bedeutet das für die Menschen in Afrika?

Plankensteiner: Mit diesem Titel wollten wir darauf hinweisen, dass durch diese Plünderung und die Zerstörung der Stadt Benin und des Königspalastes auch sehr viel Wissen verloren gegangen ist. Denn die Werke haben auch eine wichtige Bedeutung als Dokumente der Geschichte dieses Reiches. Sehr viele Werke nehmen Bezug auf historische Momente, und das ist ein großer Verlust des kulturellen Erbes und auch ein Wissensverlust. Denn durch diese Zerstörung und den Raub ist auch viel Wissen verloren gegangen, das nicht dokumentiert wurde. Dieses Wissen lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren.

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Das MARKK in Hamburg frontal gesehen © Paul Schimweg/MARKK

Kulturpartner: Museum am Rothenbaum

Das MARKK fördert die Wertschätzung für Kulturen und Künste der Welt. Im Zentrum des Programms stehen seine globalen Kunst- und Kulturbestände. extern

Wird man diese Artefakte zum letzten Mal in Hamburg sehen?

Plankensteiner: Manches vielleicht schon. Wir haben explizit gesagt, dass das für uns eine Informationsausstellung ist. Wir wollen unsere gesamte Sammlung zeigen, jedes einzelne Stück, das sich in unserem Bestand befindet und als dem Benin-Reich zugehörig katalogisiert wurde. Wir wollen transparent machen, wie die Objekte in unseren Bestand gelangt sind. Es ist aber auch eine Abschiedsausstellung, weil wir uns von einigen dieser Werken verabschieden werden. Manche können vielleicht als Leihgaben bei uns bleiben. All das wird im kommenden Jahr verhandelt.

Es gibt in vielen deutschen Museen Bronzen, wie Sie sie beschrieben haben. Sind Sie da jetzt Vorreiterin?

Plankensteiner: Ich denke, alle Museen bereiten sich auf diesen Schritt vor. Auch meine Kolleginnen in Köln und in Stuttgart haben sich diesbezüglich schon geäußert und sind mit ihren Trägern auch in Verhandlungen, genauso in Sachsen und in Berlin. Das geschieht im Einvernehmen und gemeinsam.

Das Gespräch führte Jürgen Deppe.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 16.12.2021 | 18:00 Uhr

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