Studierende sitzen in einem Hörsaal © picture alliance / Geisler-Fotopress Foto: Christoph Hardt
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AUDIO: Ausländische Studierende und die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt (6 Min)

Ausländische Studierende und die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt

Stand: 03.11.2022 15:37 Uhr

Deutschland ist bei ausländischen Studierenden so beliebt wie nie. Aber was heißt das für den deutschen Arbeitsmarkt und für Forschung und Lehre? Ein Gespräch mit Angela Ittel, Präsidentin der TU Braunschweig.

Rund 350.000 internationale Studierende waren laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Wintersemester 2021/22 an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Die Zahl ist ein neuer Rekord und stellt einen Zuwachs von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr dar. Auch die Zahl internationaler Studienanfänger stieg nach Rückgängen in der Corona-Zeit im vergangenen Wintersemester wieder an.

Frau Ittel, es gibt so viele ausländische Studierende wie nie an den Unis. Merkt man das auch bei Ihnen, wenn man in Braunschweig über den Campus schlendert?

Angela Ittel: Wenn ich aus meinem Fenster auf den Universitätsplatz gucke, freuen wir uns sehr, dass Studierende überhaupt wieder auf dem Campus sind. Natürlich sind auch bei uns sehr viele internationale Studierende dabei, worüber wir uns sehr freuen. Es ist eine wunderbare Nachricht, dass mehr internationale Studierende zu uns nach Deutschland kommen, gerade jetzt, nach der zweijährigen Pandemiephase, wo die Anzahl der Studierenden, die sich entschlossen hatten, im Ausland ein Studium zu absolvieren, deutlich heruntergegangen ist.

Welche Chancen bietet das für Forschung und Lehre, wenn so viele Leute aus unterschiedlichen Ländern dabei sind?

Ittel: Internationalisierung ist ein ganz elementares strategisches Ziel der Forschung und Lehre. Wir können uns nur entsprechend internationalisieren, wenn wir auch einen internationalen, einen heterogenen Campus haben. Es geht auch darum, internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch Verwaltungspersonal zu uns zu holen - aber die Studierenden haben da einen Löwenanteil. Wir können nicht nur den internationalen Studierenden eine gute Ausbildung bieten, sondern die Studierenden, die in Deutschland bleiben, weil sie vielleicht nicht ins Ausland gehen können oder sich das in der aktuellen Lebensphase nicht anbietet, können internationale Erfahrungen machen. Die internationalen Studierenden sind ja nicht isoliert - wir haben einen, wie viele andere Universitäten auch, ein sehr schönes Onboarding-Programm, wo wir die internationalen Studierenden auch in unserer Campus-Leben integrieren wollen.

Klappt das denn immer so einfach? Ich könnte mir vorstellen, dass das auch Herausforderungen mit sich bringt.

Ittel: Natürlich gibt es Sprachbarrieren - die bauen wir aber kontinuierlich ab. Es muss möglich sein, in manchen Studiengängen ganz auf Englisch zu studieren. Das ist im Ausland sehr häufig möglich und da müssen wir auch an der TU Braunschweig, aber auch an vielen anderen Universitäten noch hinkommen, dass wir mehr und umfassendere englischsprachige Angebote machen beziehungsweise ganze Programme auf Englisch anbieten. Das ist eine ganz wichtige Frage, weil es auch darum geht, was das für den Arbeitsmarkt bedeutet. Sollten die Studierenden, die zu uns kommen, in ihrer Zeit bei uns auch Deutsch lernen? Diese Frage wird sehr kontrovers diskutiert. Manche sind davon überzeugt, dass ein kultureller Austausch oder eine kulturelle Erfahrung nur dann ertragreich ist oder Sinn macht, wenn man dabei auch die Sprache lernt. Auf der anderen Seite ist es in vielen Ländern möglich, rein englischsprachig zu studieren und der Fokus auf das Erlernen der Heimatsprache ist deutlich gesunken. Die Schwierigkeit dabei ist, dass der deutsche Arbeitsmarkt noch gar nicht dafür aufgestellt ist, englischsprachige Mitarbeitende zu integrieren.

Was müsste die Politik tun, um den Arbeitsmarkt noch attraktiver zu machen, damit noch mehr Absolvent*innen hier bleiben?

Ittel: Genau an dieser Integrationsfrage arbeiten. Wir haben ja einen sehr attraktiven Arbeitsmarkt, aber viele Unternehmen sind noch nicht so aufgestellt, dass sie tatsächlich in der Lage sind, Mitarbeitende aus dem Ausland zu integrieren, ohne dass diese Personen der deutschen Sprache zu hundert Prozent mächtig sind und sich auch in die Kultur vollkommen integrieren. Nicht nur die Politik, sondern auch die Arbeitgeber sollten sich als Ziel setzen, einen Kontext zu bieten, so wie wir das an der Universität auch versuchen, alle Menschen auf globaler Ebene willkommen zu heißen, aber auch zu integrieren.

Aus Ihrer Sicht müssten das also durchaus noch mehr werden, die bleiben?

Ittel: Das ist natürlich anzustreben, wenngleich ich auch immer meinen Kollegen und Kolleginnen an der Universität sage, dass wir auch Studierende ausbilden möchten, die uns wieder verlassen. Sie verlassen uns ja nie ganz, weil sie uns in Erinnerung behalten, und dadurch, dass sie in die Welt hinausgehen, sind sie auch Botschafterinnen und Botschafter für uns. Daher ist es nicht verlorene Zeit, Studierende auszubilden, die uns wieder verlassen.

Sie selber haben auch im Ausland studiert. Hat sich für Sie auch jemals die Frage gestellt: Bleiben oder zurück nach Deutschland gehen?

Ittel: Ja, natürlich. Ich habe nie in Deutschland studiert, sondern nur in USA. Nach meiner Promotion kam natürlich die Frage: Was mache ich jetzt? Besonders, weil einer meiner Doktorväter gesagt hat: "Angela, wenn du jemals nach Deutschland zurückgehen möchtest, dann musst du das jetzt tun." Das habe ich auch getan, bin hier geblieben und profitiere immer noch tagtäglich von dieser Erfahrung im Ausland. Mir ist es nicht nur ein persönliches Anliegen, die Studierenden, die bei uns sind, zu ermutigen, hier Auslandserfahrungen zu machen und diese Erfahrung in ihr Leben zu integrieren.

Das Gespräch führte Jan Wiedemann.

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 03.11.2022 | 16:45 Uhr

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