Stand: 27.06.2014 16:09 Uhr

Auch die Kirche ließ Zwangsarbeiter schuften

von Britta Nareyka
Die ehemalige Zwangsarbeiterin Tatjana S. steht zwischen zwei Nonnen. © Diözesanmuseum/ Hermann Queckenstedt Foto: Hermann Queckenstedt
Die ehemalige Zwangsarbeiterin Tatjana S. besuchte 2001 ihre einstige Arbeitsstelle in einem Bremer Krankenhaus.

Es ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte der katholischen Kirche: Nicht nur auf Bauernhöfen, in Betrieben oder öffentlichen Einrichtungen wurden im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter beschäftigt - sondern auch bei der Kirche. Lange Zeit wurde das jedoch verdrängt. Erst Jahre später kochte das Thema hoch, die Kirche stand plötzlich unter einem erheblichen öffentlichen Druck. Den deutschen Bischöfen war klar, dass sie handeln mussten: die Betroffenen entschädigen und sich gleichzeitig mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen. Im Jahr 2000 begann die intensive und umfangreiche Recherche. Hermann Queckenstedt, Leiter des Bistumsarchivs in Osnabrück und Direktor des Diözesanmuseums, ist einer der Hauptakteure bei der Suche nach den ehemaligen Zwangsarbeitern.

4.500 Zwangsarbeiter wurden ermittelt

"Auch bei uns im Bistum gab es natürlich den Wunsch, den betroffenen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wenn man das überhaupt kann", sagte Queckenstedt. Schwierig sei es vor allem gewesen, verlässliche Daten zu finden, um die geschädigten Personen ausfindig zu machen. Doch nach mehr als zehn Jahren konnten mehr als 4.500 Zwangsarbeiter in allen deutschen Bistümern ermittelt werden. Im Bistum Osnabrück sind es 75 Frauen und 22 Männer, die in 18 verschiedenen Einrichtungen arbeiteten. Viele von ihnen waren in Krankenhäusern beschäftigt.

Eintauchen in die Vergangenheit

Die 17-jährige Krystyna S. © Diözesanmuseum/ Hermann Queckenstedt Foto: Hermann Queckenstedt
Mit 17 Jahren wurde Krystyna S. aus ihrer Heimat Polen nach Osnabrück deportiert.

Queckenstedt lernte eine der Betroffenen persönlich kennen. Die Begegnung mit der Ukrainerin sei einer der ergreifendsten Momente in seinem Arbeitsleben gewesen. "Sie ist als junges Mädchen direkt von der Schulbank deportiert worden, in einen Viehwaggon verladen und nach Deutschland gebracht worden", sagt er. Es ist nur eins von vielen Einzelschicksalen, die ab Sonntag in der Sonderausstellung "Auch wir hatten einen Russen - Zwangsarbeit und katholische Kirche im Bistum Osnabrück" in der Gedenkstätte Esterwegen gezeigt werden. Auf 24 Schautafeln wird das Leben der Zwangsarbeiter im Bistum Osnabrück dokumentiert. Mithilfe von Bildern und bewegenden Texten kehrt die nationalsozialistische Vergangenheit in die Gegenwart zurück.

Auch die Kirche ließ Zwangsarbeiter schuften

Kein Akt der Nächstenliebe: Auch die katholische Kirche beschäftigte während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter. Eine Sonderausstellung in Esterwegen zeigt ihr Schicksal.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Gedenkstätte Esterwegen
Hinterm Busch 1
26897 Esterwegen
Telefon:
(05955) 98 89 50
E-Mail:
info@gedenkstaette-esterwegen.de
Preis:
Eintritt frei
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 27.06.2014 | 16:30 Uhr

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