Dissen: Kritik und Proteste nach Coronainfektionen

Nach 92 positiven Corona-Tests in einem Fleischbetrieb der Firma Westfleisch in Dissen (Landkreis Osnabrück) wird in Niedersachsen über Konsequenzen diskutiert. In der Kritik stehen vor allem Werkverträge für Beschäftigte in der Fleischwirtschaft. Der agrarpolitische Sprecher der CDU, Helmut Dammann-Tamke, forderte, die Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Allerdings sieht er keine Alternative zu Werkverträgen. Die landwirtschaftliche Sprecherin der Grünen, Miriam Staudte, kritisierte, Werkvertragsarbeiter seien bei Krankheit nicht abgesichert, so dass sie auch angeschlagen zur Arbeit gingen. Die Große Koalition in Berlin will am Mittwoch über Konsequenzen für die Branche entscheiden.
Arbeit geht weiter - DGB will demonstrieren
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will heute vor dem Schlachthof in Dissen protestieren. Der DGB kritisiert unter anderem, dass dort mit den 186 negativ getesteten Beschäftigten weiter gearbeitet wird. Man könne nicht davon ausgehen, dass der Arbeitsschutz und die Wohnsituation der Werkvertragsarbeiter so kurzfristig verbessert worden sind. In dem von den Schlachtunternehmen Westfleisch und Danish Crown gemeinsam betriebenen Werk ruhte am Montag zwar der Betrieb. Wie die Osnabrücker Landrätin Anna Kebschull bestätigte, würde die verbliebene gesunde Belegschaft aber zunächst noch rund 2.000 Tonnen Fleisch verarbeiten, damit es nicht verdirbt. Erst danach muss der Betrieb für zwei Wochen schließen.
Weitere positive Tests erwartet
Unterdessen rechnet Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) mit weiteren positiven Tests in der Fleischindustrie: Das Land warte auf die Ergebnisse aus einem weiteren Betrieb in Cloppenburg, sagte Reimann dem NDR Regionalmagazin Hallo Niedersachsen. Im Emsland sind laut Landkreis bislang rund 800 Schlachthof-Mitarbeiter getestet worden - es blieb bei zwei bereits bekannten Fällen.
Dissen und Coesfeld vom selben Personaldienstleister versorgt
Fest steht inzwischen: Die beide vom Coronavirus betroffenen Westfleisch-Standorte in Dissen und im nordrhein-westfälischen Coesfeld wurden vom selben Dienstleister mit Personal versorgt. "Bei den betroffenen Mitarbeitern handelt es sich größtenteils um Arbeiter eines Subunternehmers, der auch das Personal im Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld stellt", sagte Reimann (SPD) am Montag in Hannover. Die vielen Infektionen rückten die Branche und das Subunternehmertum erneut in den Fokus, sagte die Ministerin.
Westfleisch will aufklären
Westfleisch kündigte unterdessen an, nach den Ursachen für die vielen Infektionen zu suchen. "Nun gilt es, so rasch wie möglich die Gründe für das Testergebnis zu analysieren", sagte am Montag der geschäftsführende Vorstand des Schlachtkonzerns laut einer Mitteilung. Im Umgang mit den Betroffenen und seinen weiteren Mitarbeitern befolge Westcrown die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, so das Unternehmen.
Infizierte in Quarantäne, Kontakte werden geprüft
Die positiv getesteten Mitarbeiter und deren Kontaktpersonen sind derweil in zweiwöchige Quarantäne geschickt worden. Infizierte, die nicht in ihrer Unterkunft isoliert werden können, sollen laut Ministerin Reimann im Landkreis Osnabrück in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Die negativ Getesteten sollen in Einzelzimmer kommen. Die Kosten dafür müsse das Unternehmen tragen, sagte Reimann weiter. 62 Infizierte wohnen im Osnabrücker Gebiet, die anderen in den Landkreisen Vechta sowie Gütersloh, Steinfurt und Wesel in Nordrhein-Westfalen. Weitere Kontaktpersonen sollen nun ermittelt werden.
Althusmann plant Runden Tisch "Schlachtwirtschaft"
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) kündigte am Montag an, in den kommenden Tagen zu einem Runden Tisch "Schlachtwirtschaft" einzuladen, um mit Vertretern von Fachverbänden, Behörden und Kommunen zu beraten.
Ganze Reihe von Fällen in Fleischindustrie
In mehreren deutschen Schlachthöfen war die Krankheit Covid-19 zuletzt ausgebrochen, etwa in Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein sowie im nordrhein-westfälischen Oer-Erkenschwick. Die Fleischindustrie steht wegen prekärer Arbeits- und Unterkunftsbedingungen bereits seit vielen Jahren in der Kritik.
