frauenORTE Niedersachsen: Frauengeschichte sichtbarer machen
Die Initiative frauenORTE würdigt die Leistungen von Frauen in Kultur, Politik und Wissenschaft. Projektkoordinatorin Friederike Apelt spricht über die heutige Relevanz der Initiative und über neue Projekte.
Dem Leben und Wirken von Frauen in der Geschichte ist bis heute deutlich weniger Aufmerksamkeit zuteil geworden, als dem von Männern. Schon in den 1970er-Jahren hat sich in der Geschichtswissenschaft daher der Bereich der Frauengeschichte entwickelt, der sich gezielt mit den Leistungen von Frauen und ihrer Stellung in verschiedenen Lebensbereichen auseinandersetzt.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Landesfrauenrat Niedersachsen mit der Initiative frauenORTE. Dabei werden landesweit die Leistungen von Frauen auf politischem, kulturellem, sozialem, wirtschaftlichem oder wissenschaftlichem Gebiet gewürdigt. Seit dem Start der Initiative sind bereits 47 frauenORTE im gesamten Bundesland ins Leben gerufen worden.
Warum ist die Initiative frauenORTE auch im Jahr 2022 relevant?
Friederike Apelt: Es geht bei unserer Initiative darum, Frauengeschichte und Frauenkultur sichtbarer zu machen, denn es ist nach wie vor so, dass das häufig ins Hintertreffen gerät. Man weiß nicht viel über die Leistungen von Frauen in der Vergangenheit. Lange wurde dazu in der Geschichtsschreibung nicht geforscht - das war lange kein Thema und kam erst in den 1970er-Jahren mit der Frauenbewegung auf. Da haben sich Frauen gefragt, warum immer nur über Männer gesprochen wird und nicht auch über das, was Frauen erreicht haben. Das ist sehr viel und sehr beachtlich, aber nicht gut dokumentiert. Seitdem wurde Einiges aufgearbeitet, aber es ist nach wie vor so, dass die Leistungen von Frauen nicht so sichtbar sind, wie die von Männern. Das ist die Idee der Initiative: das sichtbar zu machen - regional und niedersachsenweit - und es mit Themen von heute zu verknüpfen. Wenn man auf unsere Protagonistinnen der frauenORTE schaut, sieht man, dass in vielen Bereichen gleichstellungspolitisch noch etwas nachzuarbeiten ist. Da kann man sehr gut eine Brücke schlagen.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal Ihrer Initiative?
Apelt: Die Vielfalt. Wir haben sehr viele sehr unterschiedliche Frauen und auch regionale Besonderheiten in der Initiative gebündelt. Außerdem gibt es Verknüpfungen von Würdigungen der Frauen, die lokal sehr unterschiedlich gespielt werden. Wir haben unsere Kooperationspartnerinnen vor Ort, die das mit unterschiedlichen Angeboten lebendig machen. Das kann ganz unterschiedlich ausfallen - je nachdem, was zu der Frau passt: Bei Malerinnen sind es zum Beispiel Kunstausstellungen oder Ähnliches.
Sie versuchen immer, aktuelle Anknüpfungspunkte zu finden. Können Sie ein Beispiel nennen?
Apelt: Während der Landtagswahl sind Parität und politische Partizipation von Frauen immer große Themen. Das findet sich an mehreren frauenORTEN, aber auch Debatten um den Paragraphen 219a, also das Werbeverbot für Abtreibungen. Da gibt es Frauen, die sich damit beschäftigt haben, wie Hermine Heusler-Edenhuizen. Sie war die erste deutsche Frauenärztin und hat sich auch mit der Gesetzgebung zur Abtreibung beschäftigt. Das waren natürlich zum Teil ganz andere Kontexte als heute, aber man kann einen Bogen zu heute schlagen.
Mittlerweile gibt es 47 frauenORTE in Niedersachsen - jedes Jahr kommen neue hinzu. Wie genau läuft das ab?
Apelt: Die Kooperationspartnerinnen vor Ort können sich mit einem Vorschlag bei uns bewerben. Der durchläuft dann einen Begutachtungsprozess, in dem unser Fachbeirat dazu Stellung bezieht. Dann geht das an unseren Vorstand, der über Annahme oder Ablehnung entscheidet. Zu jedem neuen frauenORT, der hinzukommt, gibt es eine Auftaktveranstaltung mit einem Festakt zur Eröffnung. Der erste wurde 2008 eröffnet - das war Anita Augspurg in Verden.
Wer bewirbt sich bei Ihnen?
Apelt: Das sind meistens die Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen, in einigen Fällen aber auch Museen, Touristen-Informationen oder andere städtische Einrichtungen. Die kooperieren vor Ort oft mit Anderen. Uns ist es sehr wichtig, dass die frauenORTE vor Ort gut verankert sind und auf breite Füße gestellt werden. Zum Teil haben sich Vereine oder Arbeitsgruppen gebildet, die das bespielen.
Sie sind nun ein Jahr dabei. Wie nehmen Sie das wahr: Haben sich die frauenOrte etabliert?
Apelt: Es gibt eine große Fangemeinde und Personen, die die Entwicklung sehr lange verfolgen und man merkt, dass dieses Netzwerk wächst. Auch regional passiert viel: In Ostfriesland haben wir mehrere frauenORTE. Die sind untereinander gut vernetzt und haben eine Modellregion namens "Frauen leben in Ostfriesland" geschaffen. Dort gibt es fast in jedem Monat Veranstaltungen rund um die frauenORTE. Da merkt man, dass das viel bewirkt.
Kommen in diesem Jahr neue frauenORTE hinzu?
Apelt: Ja, im Oktober werden wir einen neuen frauenORT für die Braunschweiger Oberbürgermeisterin Martha Fuchs eröffnen. Das ist ein großes Highlight in diesem Jahr, gerade weil es in den letzten zwei Jahren so schwierig war, Veranstaltungen zu machen. Da konnten die Eröffnungen der neuen frauenORTE nicht mit großen Festveranstaltungen gefeiert werden.
Das Gespräch führte Anina Pommerenke.