Von der Vegetarierin zur Jägerin: Passt das zusammen?
Eigentlich war Marie Vegetarierin aus Überzeugung, bis sie einen Jagdschein machte. Nun isst sie Fleisch, aber nur das von selbst erlegten Tieren. Auf Instagram will Marie mit Vorurteilen über die Jagd aufräumen.
Die Jagd hat das Leben von Marie komplett auf den Kopf gestellt, für die Marketingmanagerin ist es mehr als nur ein Hobby, eher eine Leidenschaft. Wann immer es Marie möglich ist, fährt sie mit ihren beiden Hunden ins Revier. "Ein Tier ist keine Trophäe", sagt die Jägerin. "Das ist jedes Mal ein Lebewesen, das man tötet und das macht man nie leichtfertig." Marie liebt Tiere und beobachtet die Wildtiere oft über viele Monate bis es zum Schuss kommt. Das sei immer ein sehr emotionaler Moment: "Ich habe nach einem Schuss schon geweint, das ist einfach sehr, sehr aufregend, weil man eine Entscheidung über Leben und Tod trifft."
Den Jagdschein hat Marie vor sechs Jahren gemacht. Ihre Freunde und ihre Familie reagierten zunächst mit Unverständnis und Ablehnung. Und auch für Marie selber war es ein langer Prozess, denn sie lebte viele Jahre vegan, weil sie es unerträglich fand wie Nutztiere gehalten werden. Als Marie sich für ein Austauschjahr in Frankreich bewarb, gab es für eine Vegetarierin keine Gastfamilie. Sie wurde vor die Wahl gestellt: Vegetarierinsein oder Ins-Ausland-Gehen. Marie entschied sich für Frankreich und aß wieder Fleisch. Glücklich war sie mit der Entscheidung nie, aus ethisch-moralischen Gründen - nicht, weil ihr Fleisch nicht schmeckt, ganz im Gegenteil. "Fleisch essen bedeutet immer, dass ein Tier stirbt, egal ob man beim lokalen Schlachter kauft oder beim Discounter", sagt die Schleswig-Holsteinerin. "Für mich war wichtig, wenn ich schon Fleisch esse, dann muss ich auch mit den Konsequenzen leben, ich muss das Tier, was auf meinem Teller landet, auch töten können."
Wenn schon Tiere essen, dann wolle sie es so, dass sie vorher wenigstens ein möglichst gutes Leben hatten. Für Marie ist die Jagd die ethischste und moralischste Art und Weise, um Fleisch zu konsumieren. Wenn sie ein Tier schießt, geschehe das leise, herumstehende Artgenossen würden das meist gar nicht mitbekommen.
Junge Frauen verändern die Jägerschaft
Die Jagdszene war lange Zeit eine Männerclub. Aber seit ein paar Jahren machen immer mehr Frauen einen Jagdschein. 2021 ist der Frauenanteil an den Jagdschulen laut dem Deutschen Jagdverband auf 28 Prozent gestiegen. Bei ihnen steht vor allem Nachhaltigkeit im Fokus, nicht die Trophäenjagd.
Doch viele junge Frauen machen auch sexistische Erfahrungen. "Am Anfang war das schon so, dass man auch mal einen blöden Spruch bekommen hat", sagt Marie. Zum Beispiel Unterstellungen, dass sie den Jagdschein sowieso bloß geschenkt bekommen hätte und gar nicht schießen könne. "Es wurde mir auch schon einmal das Messer aus der Hand genommen, als ich mein erlegtes Tier selber aufbrechen, also ausnehmen, wollte", erzählt Marie, die es toll findet, dass die Jagd jünger, weiblicher und diverser wird.
Kampf gegen alte Klischees
Als Jagdinfluencerin teilt Marie ihre Erlebnisse auf Instagram mit über 20.000 Followerinnen und Followern. Sie klärt auf, will den Vorurteilen ein neues Bild der Jagd entgegensetzen: "Viele haben das alte Klischee im Kopf - vom alten Mann mit Bart in Lodenkleidung, der einfach loszieht und Spaß am Tiere töten hat."
Das sei wirklich falsch, so Marie. Jagd bedeute viel mehr als Schießen. Die Hege und Pflege von Wald und Wildtieren gehörten ebenfalls zu den Aufgaben eines Jägers. Marie verbringt sehr viel Zeit im Wald, stellt Lecksteine für die Tiere auf, rettet Kitze vor dem Mähdreschertod, schafft Ruhe- und Brutplätze. Einfach "drauflosballern" dürfe ein Jäger natürlich nicht, sagt Marie. Im Jagdrecht gibt es viele Regeln und alleroberstes Gebot für einen Jäger sei immer der Tierschutz. "Ein perfekter Jagdtag muss nicht immer mit dem Erlegen eines Tieres enden", erklärt sie. Es sei viel mehr das Nachstellen von Wild, das Sehen, das Beobachten, das Erleben der Natur: "Die Spannung, die aufkommt, wenn man das Wild sieht."