Kirche und Politik - Klare Ansagen bitte
Wie politisch darf Kirche sein? Mit dieser Frage beschäftigen sich neben Politikern des Bundestages auch Vertreter der Kirchen in Deutschland - nicht nur aus Anlass des Kirchentages. Eine Bestandsaufnahme.
"Kirche wirkt in den öffentlichen Raum hinein", sagt der CDU -Bundestagsabgeordnete und evangelisch engagierte Christ Thomas Rachel, "und insofern natürlich auch in den politischen Raum. Kirche und Gesellschaft sind ja nicht voneinander statisch getrennt, sondern befruchten sich auch gegenseitig." Und somit seien Kirche, Glaube und Christ sein auch politisch.
Anne Gidion vertritt die evangelische Kirche beim Bundestag und der Bundesregierung. Sie sieht ihre Aufgabe auch darin, Themen, die der Kirche am Herzen liegen, in den politischen Diskurs einzubringen - Themen und "Fragen zum Anfang und Ende des Lebens, Fragen des Sozialen, der Pflege, ganz wichtig Fragen der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch Themen zu Nachhaltigkeit, Umwelt, Bewahrung der Schöpfung und natürlich Migration, also des Umgangs mit Menschen aus anderen Ländern in diesem Land."
Kirche als "Mahner" der Politik
Sich raushalten oder sich auf die Seelsorge zu beschränken, das sei nicht ihr Job, so Anne Gidion. Ihr katholischer Kollege Karl Jüsten ergänzt: "Politik erwartet wirklich von uns, selbst wenn sie nicht unsere Meinung vertritt, dass wir unsere Stimme erheben. Nehmen Sie etwa das Beispiel zum Lebensschutz. Es gibt eigentlich kaum eine Organisation wie die katholische Kirche, die ihre Stimme so klar und deutlich zum Lebensschutz immer wieder erhebt. Und das ist auch wichtig. Mir hat mal ein Politiker gesagt, Kompromisse können wir selber schließen. Ihr seid dafür da, mit Klarheit dafür einzutreten, was ihr für wahr und richtig haltet." Das gilt auch für andere Themen wie Migrationsfragen.
Berlins Landesbischof Christian Stäblein, Flüchtlingsbeauftragter der evangelischen Kirche meint: "Wir sind nicht die besseren Politikerinnen und Politiker, aber wir sind manchmal auch dafür da, um zu mahnen und um im guten alten Sinne ins Gewissen zu reden." Annette Schavan, engagierte Katholikin und Ex-CDU-Bildungsministerin meint, natürlich gebe es Positionen der Kirchen, die dem Politiker nicht passten. "Aber das ändert ja nichts daran, dass sie ein wichtiger Gesprächspartner übrigens auch für politische Parteien ist", so Schavan, “und dass wir zumindest auch zuhören sollten, was die Weltkirche sagt - wenn dieses und jenes vielleicht für uns fremd ist."
Vorteil der Kirchen gegenüber der Politik
So sind die beiden Bevollmächtigten wichtige Gesprächspartner für die Abgeordneten. Die grüne Kathrin Göring-Eckardt ist ebenfalls evangelisch engagiert: "Die Kirche muss in erster Linie die Kirche sein. Und es gibt in diesem Kirche sein immer wieder Gelegenheit, manchmal auch Notwendigkeit, sich auch zu politischen Fragen zu äußern. Sicherlich nicht zu tagespolitischen. Das wäre nicht das Richtige. Aber es gibt Wertefragen, es gibt Haltungsfragen und es gibt manchmal politische Fragen, wo es tatsächlich um den Erhalt der Demokratie als Ganzes geht."
Hier sagt Anne Gidion, hätten die Kirchen einen Vorteil gegenüber der Politik: "Kirchen sind Orte, in denen Menschen sich treffen. Und das ist selten geworden. Das ist ein eigener Wert in sich. Sie treffen sich wegen des Glaubens oder auch auf der Suche nach Gemeinschaft. Und das sind alles Verständigungsorte."
Kirchen sollten die Demokratie stärken
Karl Jüsten sieht die Kirchen in der Verantwortung die Demokratie zu stärken. "Das Evangelium vermittelt hier eigentlich die grundlegenden Werte für die Demokratie. Vielleicht das wichtigste Gebot ist das Liebesgebot. Er soll sein Nächsten lieben. Das wird natürlich umgesetzt, wenn ich in der Demokratie achtsam mit dem anderen umgehe, wenn ich die Meinung des anderen gelten lasse, wenn ich das Leben des anderen wertschätze, wenn ich keine Gewalt anwende. Das sind alles Werte, die die Kirche vermitteln kann."
Eines, da sind sich die Politiker einig, sollte Kirche nicht sein, so Kathrin Göring-Eckardt: "Kirche ist jetzt nicht so eine Werteagentur. Das wäre viel zu wenig und auch nicht richtig."
