"Friedensfähig werden" - Der Glaube in Zeiten des Krieges
Parallel zum Kirchentag hat eine Initiative einen "Christlichen Friedensauftrag" beschlossen, denn vielen Gläubigen fehlen starke pazifistische Stimmen. Schirmherrin ist die frühere Hannoveraner Bischöfin Margot Käßmann.
Um die 300 Menschen haben den Weg gefunden in die ver.di-Höfe Hannover. Graue Häupter dominieren die Versammlung. Manche haben ihre lila Friedenstücher vom Kirchentag 1983 in Hannover umgebunden. Margot Käßmann war damals eine junge friedensbewegte Studentin, die an den großen Kundgebungen teilnahm. Bis heute ist die ehemalige Bischöfin von Hannover überzeugte Pazifistin. Sie weiß aber auch um das Dilemma, in dem sich viele Gläubige vor allem angesichts des Krieges in der Ukraine und den damit verbundenen Waffenlieferungen befinden.
Und doch oder vielleicht gerade deswegen sind ihre einstigen Weggefährtinnen und -gefährten über ihre Friedensworte und ihre Schirmherrschaft der Versammlung erfreut, als Käßmann sagt: "Mit diesen langen Vorworten erkläre ich die Friedenssynode für eröffnet."
Pazifistische Stimme unterrepräsentiert
Eine Synode als ökumenische Basisversammlung hat die Initiative Christlicher Friedensruf gewählt, um der pazifistischen Position in der Kirche mehr Gewicht zu geben. Mitorganisatorin Susanne Büttner vermisst genau das: "In den offiziellen Kirchenleitungen, den Synoden und auch bei dem Kirchentag sind diese Stimmen eher unterrepräsentiert." So gebe es beispielsweise nur ein Podium mit der Militärseelsorge. "Wir haben jetzt die ganzen Friedensinitiativen zusammengefasst, um die Expertisen hier zusammenzubringen."
Als Gegenveranstaltung zum Kirchentag versteht sich das Friedenszentrum aber nicht. Und auch die Generalsekretärin des Kirchentags Kristin Jahn sieht keinen offenen Streit mit den pazifistischen Gruppen: "Es geht hier nicht um Ausschluss oder nicht mitmachen dürfen, sondern wir haben einfach andere Wege, zu einem Programm zu kommen." Langjährige Kirchentagsbesucher wie der rheinische Theologiedezernent Volker Haarmann bedauern das: "Als Kirchentagsbesucher finde ich, dass das ein Verlust für den Kirchentag ist."
Sieben biblisch begründete Thesen zu gewaltfreiem Widerstand
Dass es dann die Friedenssynode aber gibt und sie gleich zu Beginn den "Friedensruf von Christinnen und Christen" mit dem Motto "Friedensfähig werden!" verabschiedet hat, freut nicht nur den Rheinländer. Sieben biblisch begründete Thesen zu gewaltfreiem Widerstand, Rüstungsexporten oder auch gerechter Wirtschaft als Voraussetzung für Frieden sollen später in den Kirchengemeinden diskutiert werden.
Naturgemäß gibt es auch unter den Kirchentagsbesucherinnen und -besuchern keine eindeutige Meinung, eher eine Unsicherheit, wie der Umgang mit der aktuellen Kriegsgefahr aussehen kann. "Ein ganz radikaler Pazifismus, der erscheint mir tatsächlich aus der Zeit gefallen", sagt etwa ein Mann. Ein anderer formuliert ebenfalls seine innere Zerrissenheit: "Vom Herz aus würde ich sagen, bin ich auch Pazifist. Aber ich sehe auch die Probleme und habe aber den Eindruck, dass man sich hier auf dem Kirchentag sehr differenziert damit auseinandersetzt."
Militärdekanin: Soldaten und Soldatinnen sind keine Kriegstreiber
Zur Debatte beitragen sollen auch die Workshops und Aktivitäten der evangelischen Militärseelsorge. Militärdekanin Kerstin Lammer bietet zum Beispiel Workshops zu kindgerechtem Reden über Krieg an. Sie bemerkt insgesamt ein steigendes Interesse an den Diskussionsforen der Militärseelsorge. Eines ist ihr dabei aber wichtig: "Soldatinnen und Soldaten sind keine Kriegstreiber, sind keine Mörder, sind nicht die, die interessiert daran sind, dass es eine militärische Eskalation gibt, ganz im Gegenteil. Sie verstehen sich selbst als Pazifisten, die verstehen sich so, dass sie dafür da sind, den Frieden zu sichern."
