"Unpolitische Orte?": Studierende erforschen Sportstätten
Ein vom Bund finanziertes Forschungsprojekt richtet sich an Schüler und Studierende. Bei "Unpolitische Orte? Sportstätten und ihre gesellschaftliche Bedeutung" geht es darum, die Geschichte hinter alltäglichen Orten erforschen.
Einige Kinder rennen auf dem Kunstrasenplatz einem Fußball hinterher, ein Jogger müht sich ab - schwitzend auf der Aschenbahn. Gut ein Dutzend Studierende der Universität Oldenburg spazieren zusammen mit dem Historiker Lorenz Peiffer über das weitläufige Gelände der Hössensportanlage in Westerstede. "Wenn man die alten Kampfschriften von den Nazis hier liest, dann wird immer herausgestellt, dass es in Westerstede keinen Widerstand gegen die Nazis gab, die hier ja ab 1930 sehr aktiv waren", erzählt Peiffer.
Nazis nutzten Hössensportzentrum Westerstede für Aufmärsche
Lorenz Peiffer erklärt den Studierenden wie der Platz in der Nazizeit für Aufmärsche genutzt wurde. Danach zeigt er historische Bilder und Dokumente. Der Sport- und Geschichtsstudent Till Meyerhoff mag diese Art des Lernens, Bilder von damals mit dem Zustand heute zu vergleichen: "Das Einzige, was mich hier jetzt noch an die Nazizeit erinnern könnte, war dieser alte Bau, der noch so eine Nazistruktur aufweist, aber sonst erkennt man ja nichts mehr von früher."
Ein Gebäude sticht aus den modernen Bauten heraus. Die Sporthalle mit gemauerten Säulen aus rotem Backstein - finanziert in den 1930er-Jahren von den Nationalsozialisten. Die Bedingung: Die Partei darf Platz und Halle für ihre Zwecke nutzen. So war die Halle zeitweise Sammellager für Möbel von deportierten und ermordeten Juden. Heutzutage weiß das kaum jemand. Die Geschichtsstudentin Jule Möllmann wünscht sich eine Gedenktafel: "Ich finde es ganz interessant, sowas zu wissen, wenn man an daran vorbeiläuft."
Oldenbugische Landschaft will Geschichtsbewusstsein schärfen
In den kommenden Monaten kommen die Studierenden zum Zuge. Sie wälzen selbst alte Dokumente und werten diese aus. Zusätzlich forschen einige Schulklassen aus der Region über verschiedene Sportstätten in der Zeit von 1930 bis 1970. Die Oldenburgische Landschaft möchte so das Geschichtsbewusstsein schärfen, sagt der Initiator Uwe Meiners. Sportstätten seien unterschätzte politische Orte: "Es ist immer wieder festzustellen, dass der Sport als ein unschuldiges Kind betrachtet wird. Dazu gehören auch die Sportstätten. Die Sportstätten sind Unschuldslämmer. Wenn es denn so wäre, wäre es ja schön, aber sie sind nicht so unschuldig. Und wenn man sich die Hössensportanlage in Westerstede anschaut, findet man treffliche Beispiele dafür, dass das Unschuldigsein unberechtigt ist."
Forschung soll sich in den privaten Bereich fortsetzen
Wenn die jungen Leute sich mit den örtlichen Sportstätten befassen, können sie daraus allgemeine geschichtliche Entwicklungen ablesen, sagt der Landschaftspräsident. Außerdem hofft er, dass die Forschenden zu Hause in ihren Familien historische Dokumente finden, wie Fotos, Briefe oder amtliche Dokumente. "Wir wollen, dass die jungen Leute tatsächlich in der eigenen Familie nachfragen. Wie war das eigentlich? Oma hat doch auch fleißig Sport getrieben. Da gibt es doch Fotos von ihr. Das ist so die eher emotionale Seite des Alltags, die in den Familien existiert, aber die in der Forschung und auch in der Öffentlichkeit meistens bisher gar nicht so groß zur Kenntnis genommen worden ist", meint Meiners.
Ergebnisse des Projekts sollen öffentlich präsentiert werden
Die Studentin Jule Möllmann ist neugierig geworden. Sie möchte in ihrem Sportverein in ihrem Heimatort bei Osnabrück über die Zeit des Nationalsozialismus forschen: "Ich habe schonmal geguckt. In unserer Vereinschronik wird das kurz erwähnt, aber ich habe noch nicht so viele Informationen dazu. Das finde ich auch ganz spannend."
Die Forschenden bekommen Hilfe von der Oldenburgischen Landschaft und im nächsten Jahr präsentieren sie dann der Öffentlichkeit ihre Ergebnisse. Geplant sind Ausstellungen, Podcasts und auch ein eigener Bildband.
