Palmen, Pool und Plastik: Menardi und sein "Ibsen-Komplex"
Wolfgang Menardi hat das Bühnenbild für Thorleifur Örn Arnarssons Inszenierung des "Ibsen-Komplex" geliefert. Eigentlich sollte am Hamburger Thalia Theater die Premiere stattfinden. Ein Werkstattbesuch.
Wolfgang Menardi, ein großer, schlanker Mann in Latzhose, dessen Haare fast so dunkel glänzen wie die Palmblätter um ihn, weist in den Malsaal: "Wir sehen hier Palmenblätter aus schwarzem Lack. Ein merkwürdiges Tier ohne Ohren. Ein Luchs, der dort liegt, und die Springplattform eines Sprungturmes."
Auf großen Tischen trocknen hier die langen, schmalen Blätter. Es bedurfte vieler Schichten, sagt der Werkstättenleiter Thomas Mundt, sie so zum Glänzen zu bringen: "Da ist nochmal so eine Art Gummimilch darüber. Das macht es erstmal so ein bisschen glatt, und dann kommen diverse Farb- und Lackgänge."
Sichtbarmachen nichtsichtbarer Orte
Was Palmen mit Ibsen zu tun haben, mit der "Wildente" und dem "Volksfeind" - den beiden Stücken, die Thorleifur Örn Arnarsson in seiner Inszenierung verbindet, erschließt sich nicht automatisch. Er habe die Orte zeigen wollen, die in den Stücken nicht zu sehen seien, die geheime Dachkammer. Sehnsuchtsorte, erklärt Menardi: "Es wird eine Art Paradies auf die Bühne gestellt, das aber wie ein Schatten eines Paradieses ist. Es gibt im Hintergrund einen riesengroßen, gemalten Prospekt eines wirklich sehr kitschigen Sonnenuntergangs vor Palmen."
Menardi klemmt sich den Luchs ohne Ohren unter den Arm und los geht es: die Treppen runter und dann von hinten auf die Bühne. Dort spricht Jan Haas in sein Walkie-Talkie. Er ist für die richtige Beleuchtung und das Lichtdesign zuständig.
Keine leichte Aufgabe, denn nicht nur der Sonnenuntergang, der in allen Regenbogenfarben schillert, muss schön kitschig leuchten. Gleichzeitig gähnt davor ein pechschwarzes Loch, eine Art Pool mit Sprungturm, dazu rundherum weiße Wände: "Das hat man inzwischen sehr selten. Und da merkt man schon, dass man es nicht mehr gewöhnt ist, so zu leuchten und man wahnsinnig aufpassen muss, weil das Bild ganz schnell zerstört sein kann, wenn es zu hell wird."
"Hindernisse sind für Schauspieler oft das Allertollste"
Menardi hat schon häufiger mit Thorleifur Örn Arnarsson zusammengearbeitet und genießt die Freiheiten, die für ihn schon allein dadurch entstehen, dass es vor Probenbeginn, also dann, wenn er das Bühnenbild entwirft, noch keinen fertigen Text gibt. Er hat lange als Schauspieler gearbeitet, unter anderem am Residenztheater in München: "Wenn ich entwerfe, denke ich mir immer: Was würde ich da machen, und was würde mir helfen? Was für Hindernisse gebe ich mit? Denn Hindernisse sind für Schauspieler oft das Allertollste."
Rote-Bete-Saft als Blutersatz
In der Requisite nebenan leuchten auf Streifen dieser hellen Lackschicht fette rote Kleckse - Theaterblut. Es ist angedickter Rote-Bete-Saft. Es muss geprüft werden, ob der auf dem Boden Spuren hinterlässt.
Man wird nie fertig, sagt Wolfgang Menardi, und dieses Mal dauere es eben noch ein bisschen länger, denn: Keiner weiß, wann der "Ibsen-Komplex" tatsächlich Premiere haben wird. Es sei schön, dass sie die ganze Zeit hätten proben können, ergänzt Jan Haas, aber: "Das ist von der Energie immer schwer, sich zu motivieren oder das durchzuziehen, weil das Ende in der Schwebe hängt."
