Stand: 06.02.2020 16:33 Uhr

Oscars 2020: Doris Dörrie entscheidet mit

Die Regisseurin und Autorin Doris Dörrie ist seit kurzem Mitglied in der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Sie darf somit über die Vergabe der Oscar mitentscheiden, die am Sonntag in Hollywood verliehen werden. Im Interview spricht sie über aufregende Filme und über Frauen im Filmgeschäft.

Sie sind Jury-Mitglied der Oscar-Academy und wählen Filme für den Oscar aus. Schickt man Ihnen Streams oder DVDs nach Hause? Wie arbeiten Sie sich da durch?

Regisseurin Doris Dörrie. © 2012 Constantin Film Verleih GmbH/Dieter Mayr
Regisseurin Doris Dörrie ist seit dem vergangenen Jahr Jury-Mitglied der Oscar-Academy.

Doris Dörrie: Seit Monaten wache ich morgens auf und habe zwischen 70 und 120 E-Mails nur aus Hollywood im Postfach - mit den Streams, die ich mir anschauen kann. Als Academy-Member kann ich jeden Film als Stream anschauen - und versuche das natürlich auch, weil ich finde, dass man nur dann wählen kann, wenn man auch wirklich fast alle Filme gesehen hat. Das ist schon sehr aufwendig. Ich bin erstaunt, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt.

Gibt es da einen Film, den wir nicht versäumen sollten?

Dörrie: Es gibt sehr viele - und es gibt besonders viele, die so ein bisschen unter dem Radar laufen und zum Teil gar nicht in Deutschland gestartet sind. Das sind die kleineren Filme, die ich fast immer interessanter finde. Zum Beispiel sollten Sie unbedingt "The Farewell" sehen, ein chinesisch-amerikanischer Film. Auch "Little Women" sollte man sich anschauen. Ich habe mit Absicht zwei Filme von Frauen genannt, denn wie immer sind Frauen unter den Nominierten unterrepräsentiert. Das hat auch damit zu tun, dass immer noch die Mehrheit der Wahlberechtigten männlich ist.

Aber sind Sie, die Schauspielerin Nina Hoss und etliche andere Frauen jetzt nicht ganz gezielt in die Academy aufgenommen worden?

Dörrie: Ja, aber das hat noch nicht zu einer wirklichen Parität geführt. Das ist immer noch ein weiter Weg. Wenn man sich die Nominierten für Regie anschaut, sind das alles Männer. Es sind sehr männliche Filme, wie "The Irishman" und "Joker". Da gibt es noch viel zu tun, bis wir endlich in eine wirkliche Gleichberechtigung gelangen.

Sie gehören aber nicht zu den Frauen, die klagen - zumindest habe ich das so nicht wahrgenommen. Sie veröffentlichen unheimlich viel: Bücher, mehr als ein Dutzend Romane, Erzählungen, Drehbücher. Sie machen Filme, Sie machen sogar Regie im Opernfach. Sie haben sich in etlichen Männerdomänen durchgesetzt, und dürfen sich eigentlich nicht beklagen, oder?

Dörrie: Ich beklage mich auch nicht für mich. Ich beklage mich für die Jungen - ganz explizit auch für meine Studentinnen. Denn wir bilden an der Filmhochschule München über 70 Prozent weibliche Studentinnen aus - und am Ende arbeiten 15 Prozent als Regisseurinnen. Das sind Zahlen, die man so nicht hinnehmen kann. Ein bisschen hat sich das schon verändert, aber es gibt immer noch ein Ungleichgewicht - und das darf so nicht weitergehen. Das ist ganz simpel: Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und darüber rege ich mich sehr auf. Andersherum kann ich mich auch für ältere Regisseurinnen wie mich selbst und andere aufregen, weil wir in der Wertschätzung und in diesem Olymp, der ständig von männlichen Regisseuren gebastelt wird, wenig vorkommen.

Das Interview führte Jens Büchsenmann

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Das Gespräch | 08.02.2020 | 18:00 Uhr

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