Kulturministerin Martin stellt Öffnungsplan für MV in Aussicht
Wie steht es derzeit um die Kultur in Mecklenburg-Vorpommern in Zeiten von Corona? Gibt es Hilfen für Kulturschaffende und kommend diese an? Fragen an die Kulturministerin Bettina Martin.
Die Kultur in der Corona-Falle: Museen, Theater, Kinos alles dicht - Planungssicherheit für Veranstalter und Kulturbetriebe gleich null. Viele Künstler fühlen sich im Stich gelassen. Finanzhilfen des Staates kämen nicht bei den Betroffenen an, heißt es. Eine Herkulesaufgabe für die Kulturministerin von Mecklenburg-Vorpommern Bettina Martin (SPD).
Frau Martin, in Bayern hat der Kunstminister Sibler gerade Lockerungen für die Kulturszene in Aussicht gestellt und denkt sogar darüber nach, die derzeit erlaubte Zuschauerzahl im Kulturbereich zu erhöhen. Warum ist das bei uns nicht möglich?
Bettina Martin: Erstmal vorweg geschickt: Ich finde es sehr schmerzhaft, dass wir im Moment in so vielen Regionen die Kultur geschlossen haben - im Moment in ganz Mecklenburg-Vorpommern. Es ist eine unglaublich schmerzliche Maßnahme. Diese Entscheidung hat sich niemand in der Landesregierung einfach gemacht. Wir haben aber eine Situation schon vor Weihnachten gehabt, wo die Intensivbetten in unserem Gesundheitssystem in Mecklenburg-Vorpommern sehr, sehr knapp wurden. Wir hatten teilweise 99 Prozent Auslastung.
Es musste diese Entscheidung, nicht nur die Kultur betreffend, sondern auch weitere Kontaktbeschränkungen und Schließungen, notwendigerweise beschlossen werden. Uns unterscheidet von anderen Bundesländern, dass wir ganz an der Kante waren und sind, was die Auslastung der Betten angeht. Insofern musste diese Entscheidung leider gefällt werden, so schmerzhaft sie auch ist.
Aber auch Bayern war hart an der Kante, und Sachsen war sogar ganz hart an der Kante. Selbst da sind jetzt Lockerungen geplant. Warum haben wir dieses System? Das Ganze bezieht sich auf die Corona-Ampel. Die stand mehrere Tage auf Rot für das ganze Land. Jetzt ist wieder alles dicht. Vielleicht kann in paar Tagen wieder geöffnet, und nach ein paar Tagen muss dann wieder geschlossen werden. Da gibt es doch keinerlei Planungssicherheit für die Theater oder die Museen im Land. Wie sollen denn die Kulturschaffenden irgendwas planen können?
Martin: Wir stehen kurz vor der Omikron-Welle. Sie baut sich schon auf. Wir alle wissen nicht genau, wie schlimm es werden wird. Wir befürchten, dass die Zahlen hochgehen. Wir befürchten, dass das auch das Gesundheitssystem, aber auch die kritischen Infrastrukturen, enorm belasten wird. Insofern kann ich Ihnen heute nicht sagen, wie wir in zwei, drei und vier Wochen dastehen.
Wir arbeiten an einem Öffnungsplan, der Planungssicherheit gibt. Es ist richtig, was Sie sagen und was auch die Kulturschaffenden kritisieren - dass sie keine Planungssicherheit haben. Zwei Tage steht die Ampel auf rot, dann wieder fünf Tage auf orange, mal auf gelb. Dieses Hin und Her ist gerade für Theater, für Konzertsäle, Museen unglaublich schwierig nachzuvollziehen. Mal auf, mal zu - das geht gar nicht.
Deswegen arbeiten wir jetzt, und da werden wir auch die Vertreterinnen und Vertreter der Kultur mit einbeziehen, an einem Öffnungsszenario. Das ist für mich das Erste, was aufgehen muss, wenn wir absehen können, was diese Omikron-Welle mit sich bringt. Wenn wir sehen, dass sie bricht und uns mehr ermöglicht, dann ist die Kultur dran. Das bereiten wir jetzt vor.
Bisher hatte man nicht den Eindruck, dass die Kultur im Vordergrund steht. Die Politik hat etwa dem Sport eine besondere Bedeutung zugemessen, auch der Gastronomie. Irgendwie versteht keiner so richtig, warum ein Museumsbesuch mit FFP2-Maske gefährlicher sein soll, als Essengehen im Restaurant.
Martin: Es ist so, dass wir Entscheidungen treffen mussten. Es ist auch vom Bundesinfektionsschutzgesetz zum Beispiel, der Fokus auf den Sport, auf den Kinder- und Jugendsport, der dort von Bundesebene festgelegt ist. Wir müssen jetzt sehen, dass wir so schnell wie möglich die Kultur wieder Schritt für Schritt ...
... Frau Martin, darf ich einmal zwischenfragen: Dann ist es doch reine Symbolpolitik. Es gibt mehr Gastronomen, als Museumsbetreiber. Können Sie mir erklären, warum ein Museumsbesuch mit FFP2-Maske gefährlich sein soll, gefährlicher als Essen gehen, wo kein eine Maske trägt?
Martin: Ich glaube, wir haben in den letzten zwei Jahren genau diese Fragen immer wieder gestellt ...
... und sie werden nicht wirklich verstanden. Das ist doch ein Problem, das man in der Bevölkerung hat, dass die Leute nicht mehr wirklich verstehen, woran das sozusagen festgelegt wird.
Martin: Als Kulturministerin werde ich die nächsten Öffnungsschritte so vorbereiten, dass wir die Kultur mit Planungssicherheit öffnen können. Wir haben eine schwierige Situation und mussten Schließungen vornehmen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass es in einigen Bereichen Öffnungen gibt und dass wir in anderen Bereichen Kontaktbeschränkungen machen mussten. Ich werde mich sehr stark in der Landesregierung einsetzen, das die Kultur Planungssicherheit bekommt und dass wir da in die Öffnung gehen.
Sie haben eine gute Verbindung zur Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, gelten als Vertraute und sind natürlich auch die Cheflobbyistin der Kulturszene hier im Land, da sind wir mal gespannt. Aber zum Beispiel in Sachsen, da sitzen die Grünen in der Regierung. Die fordern jetzt sollen unter der 2Gplus-Regel und strengen Hygienemaßnahmen künftig Theater und weitere Spielstätten unabhängig von Inzidenz und Bettenbelegung in den Krankenhäusern offen gehalten werden. Muss man nicht schon jetzt Kunst und Kultur vom restlichen Freizeit- und Unterhaltungsbetrieb einfach abkoppeln?
Martin: Ich möchte jetzt mal erst mal bemerken, dass in Sachsen alles dicht ist. Völlig unabhängig von ...
... da wird aber demnächst geöffnet ...
Martin: Die dabattieren darüber. Ich habe gerade gesagt, wir bereiten auch Öffnungsschritte vor für eine Zeit, wo wir absehen können, was die Omikron-Welle mit unserer Gesellschaft tut. Ich muss es einfach sagen, es ist ein ewiger Balanceakt. Wir dürfen unser Gesundheitssystem nicht überfrachten. Mecklenburg-Vorpommern ist in den letzten Wochen dicht an der Grenze der Überlastung gewesen, was die Intensivbetten angeht. Omikron kommt. Wir müssen sehen, wie es läuft. Dann können wir Öffnungsschritte aktiv angehen.
Ich sage es noch einmal: Für mich als Kulturministerin ist völlig klar, wir müssen die Kultur wieder aufmachen. Ich bin froh, dass wenigstens die Musik- und Jugendkunstschulen offen sind, unabhängig von Inzidenz. Wir haben die Möglichkeit da, dass die Kinder und Jugendlichen Musik- und Kunstunterricht nehmen. Das ist übrigens auch ein Unterschied zur letzten Lockdown-Phase im vergangenen Jahr. Wir müssen jetzt Schritt für Schritt die Öffnung angehen, wenn es uns die Pandemie wieder ermöglicht.
Kommen wir zu den Finanzhilfen. Da gab es am Mittwoch eine aktuelle Meldung: "Die Finanzhilfen für die Kulturbranche kommt scheinbar bei den Betroffenen nicht so richtig an." Das soll ein Bericht der Kulturstaatsministerin, also vom Bund, an den Haushaltsausschuss des Bundestages zeigen, den "Der Spiegel" am Mittwoch zitiert. Bis Mitte Dezember wurden demnach lediglich Mittel in Höhe von rund 44 Millionen Euro beantragt. Bei einem Gesamtvolumen des Hilfsfonds von 2,5 Milliarden Euro. Das ist wirklich nichts. Woran kann das liegen?

Martin: Ich möchte erst einmal sagen, dass wir als Land einen eigenen Kulturschutz Fonds aufgelegt haben - 20 Millionen gleich zu Beginn der Pandemie. Der fließt ab. Wir haben gerade bei den Überbrückungsstipendien mehrere Male neu aufgelegt. Wir haben zum Glück, möchte ich sagen, noch sieben Millionen in diesem Fonds, der jetzt verlängert worden ist. Erst einmal, bis Mitte dieses Jahres, also bis zum 30. Juni. Wir haben in diesen Fonds des Landes auch Gelder für die Kofinanzierung des Bundes, weil ganz viele dieser Programme, von denen Sie gerade sprechen, die kommen vom Bund, diese müssen aber kofinanziert werden. Viele Initiativen und Vereine können sich das im Moment nicht leisten. Da haben wir ein Förderprogramm, wo wir Kofinanzierung ermöglichen - erst einmal. Es ist sehr gut, dass von diesen 2,5 Milliarden Euro noch Geld da ist.
Und da sind im Grunde noch 2,45 Milliarden da. Also, da muss doch irgendwas schieflaufen?
Martin: Ich weiß, dass hier im Land Bundesgelder geflossen sind. Ich kenne diese Zahlen. Die müsste ich mir jetzt natürlich erst mal noch mal genau angucken. Ich weiß, dass wir schon viel vorfinanziert haben, was auch Bundesprogramme angeht. Fakt ist, dass dieses Programm vor allen Dingen auch aufgelegt worden ist, um den Neustart zu finanzieren. Dieses Geld werden wir brauchen. Wir wissen noch nicht, was die wirklichen Schäden in der Kultur-Szene nach der Pandemie sind. Deswegen brauchen wir dieses Geld dringend. Ich halte es für eine wichtige Nachricht, dass wir noch viel Geld haben.
Daran schließe ich meine letzte Frage an: Woran wollen Sie sich in fünf Jahren, also nach Ende der Legislaturperiode, als Kulturministerin messen lassen?
Martin: Die allerwichtigste Aufgabe ist genau die, die wir gerade besprochen haben. Dass wir sicherstellen, dass wir aus der Pandemie heraus die vielfältige Kulturlandschaft, die wir hier im Land haben, gesichert herausführen und so aufstellen, so sichern, dass wir krisenfest sind. Wir müssen die freischaffenden Künstler anders absichern. Dass ist ein zweiter Punkt, der mir auf Bundesebene wichtig ist. Wir brauchen neue soziale Absicherungsideen für freischaffende Künstler.
Es kann nicht sein, dass es diese Künstler, diese Freischaffenden sind, die vor allen Dingen zu Beginn der Pandemie bei vielen verschiedenen Förderprogrammen durchs Rost gefallen sind. Wir brauchen eine gute soziale Absicherung. Das ist im Koalitionsvertrag verhandelt.
Zweiter Punkt ist für mich, dass wir im Land die Kultur im ländlichen Raum fördern. Das ist für mich ein wichtiger Schwerpunkt, weil Kultur Zusammenhalt ist. Kultur ist auch Demokratieförderung. Wir haben so viele Initiativen, so viele auch ehrenamtlich engagierte Künstlerinnen und Künstler vor Ort, in den Dörfern, im ländlichen Raum - die brauchen eine Struktur, die brauchen auch eine gute Beratungsstruktur. Da sind wir bei der Frage: Warum fließen Gelder eigentlich oft nicht ab? Wo sind Fördertöpfe? Wie können sie sich darum bewerben? Das wollen wir vor Ort besser aufstellen.
Das Gespräch führte Frank Breuner, NDR 1 Radio MV.
