Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard erhält Berliner Theaterpreis
Seit 15 Jahren ist Amelie Deuflhard Intendantin der Kulturfabrik Kampnagel, einer der größten internationalen Spielstätten für freies Theater. Nun hat sie im Rahmen des Berliner Theatertreffens den mit 20.000 Euro dotierten Theaterpreis Berlin erhalten.
Amelie Deuflhard sitzt mitten im Garten von Kampnagel: Um sie herum Wildwuchs, Blütenvielfalt, alle Farben, Kraut und Rüben. "Ich arbeite gerne mit der Erde", sagt Deuflhard. "Ich mag das sehr gerne - das Wachsen von Blumen, von der Saat bis zur Ernte, von Mini-Busch bis zum großen Busch. Privat hat die Intendantin sogar zwei Gärten, einen in Hamburg und einen anderen im Havelland zwischen zwei Seen: "Wenn ich richtig runterkommen will, dann fahre ich ins Havelland. Ich hab aber auch schon mal eine Ayurveda-Kur in Indien gemacht."
Deuflhard hat immer diese Neugierde auf das, was nicht bürgerlich, gerade, sauber, wohlgezirkelt ist. Wilde Gärten sind ein guter Anfang. Oder eben die freie Kultur: Der Tanz, das Schauspiel, die Performance - möglichst divers, möglichst weltläufig. Das Internationale ist die DNA der Kulturfabrik Kampnagel - dieser Industriebrache mit Staatstheaterweihen. Die riesigen, verrosteten, Graffiti-besprühten Hallen sind ein Ort mit Geschichte. "Die Kräne, die hier gebaut wurden, stehen auch heute noch am Hafen, das Tor zur Welt ist nicht nur der Hafen, sondern auch Kampnagel."
Anfänge am Theater unter Claus Peymann in der schwäbischen Heimat
Deuflhard lebt zwar schon lange in Hamburg, kommt aber gebürtig aus Stuttgart. Die Lust auf schwäbische Gerichte ist geblieben. "In Schwaben ist das Nationalgericht Linsen mit Spätzle, und eigentlich Wiener Würstchen, die heißen im Schwäbischen 'Seidenwürschtle'", erzählt Deuflhard. "Ich mache viele Linsengerichte, das ist auch noch so eine Kindheitserinnerung, aber ich koche sie heute eher orientalisch."
Theaterluft hat sie schon als 13-jährige Schülerin am Staatstheater Stuttgart unter Claus Peymann geatmet. "Ich glaube, ich bin überhaupt nur auf die Idee gekommen, ins Theater zu gehen, weil meine Eltern, wie Peymann angefangen hat, total empört ihr Abo gekündigt haben", erinnert sich die Intendantin schmunzelnd. "Sie haben gesagt, es ist ganz schrecklich, und ich dachte: Vielleicht ist das ja ganz interessant."
Palast der Republik als Kunstraum
Irgendwann wurde der rebellischen Amelie klar, dass sie das Hundertste "Käthchen von Heilbronn" weniger interessierte als die polnische Theatergruppe an einem schrägen Ort in Südfrankreich. Amelie Deuflhard, die sich augenzwinkernd als eine "Zwischennutzerin seit ihrer Geburt" bezeichnet, liebt das Ins-Kraut-schießende, diese unfertigen Räume. Das Berlin der Nachwendezeit wird für sie zur perfekten Spielwiese. Erst die Sophiensäle mit ihrem rauen Charme, danach verwandelt sie die Ruine des Palastes der Republik in einen Kunstraum auf Zeit. "Das war der Tanz auf dem Vulkan vor dem Untergang des Geländes", erinnert sich Deuflhard. "Alle Künstlerinnen, die ich gefragt hab, wollten mitmachen". Egal ob Sasha Waltz, Frank Castorf oder Blixa Bargeld.
Amelie Deuflhard: Möglichmacherin neuer Ideen
Privat hatte sie - um im Gartenbild zu bleiben - auch ordentlich zu ackern: Sie hat vier Kinder großgezogen und ist heute zweifache Oma. "Vier Kinder und nen Job, das ist super anstrengend, da weiß ich auch nicht genau, was mich da geritten hat", sagt sie lachend. Das Leben als Oma sei da deutlich entspannter.
Amelie Deuflhard ist heute eine der wichtigsten Vernetzerinnen der freien Kultur in Deutschland. Sie sieht sich als Möglichmacherin neuer Ideen: "Da ist ein Kompass in mir, auch Dinge rauszufinden - eine lebenslange Neugierde auf das, was man noch nicht kennt". Am besten bei einem perfekten Abend unter Freunden. Ein langer Tisch, Freunde, Menschen aus aller Welt, ein dampfender Topf Linsen, vielleicht eine Partie Poker, Quatschen, danach Party. Und dann? Dem Unfertigen seinen Lauf lassen, bis es blüht.
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