Bei einem Konzert strecken Menschen im Publikum ihre Hände in die Luft. © picture alliance / Zoonar

"Initiative Neustart Kultur" verlängert Förderung - reicht das?

Stand: 30.08.2022 15:14 Uhr

Für Musikveranstalter, Festivals und Clubs waren die letzten zwei Jahre finanziell eine Katastrophe. Wie kann man aktuell der Musikbranche helfen? Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin der Initiative Musik, Ina Keßler.

Frau Keßler, zu Beginn des Jahres 2022 standen der "Initiative Musik" 105 Millionen Euro aus dem Topf der Bundesregierung zur Förderung von Musikveranstalter*innen, Festivals und Clubs zur Verfügung. Davon können bis Ende Juni 2023 noch weitere vier Millionen Euro vergeben werden. Ist das nicht zu wenig?

Ina Keßler: Man muss ja eigentlich die gesamte Zeit rechnen, man darf nicht nur die letzte Runde kalkulieren. Wir haben insgesamt für den Live-Bereich, also für die Clubs, für die Live-Musik-Veranstalter und für die Festivalbetreiber 230 Millionen Euro bekommen. Das ist schon eine Menge Geld, wenn man überlegt, dass der Staatsministerin in diesem und im vergangenen Jahr für die Corona-Zeit insgesamt zwei Milliarden Euro zur Verfügung standen. Das ist schon eine ordentliche Hausnummer.

Aber gerade wenn Sie diese Zahlen nennen, kommen einem vier Millionen Euro eher wie Tropfen auf den heißen Stein vor.

Keßler: Naja, das ist der kleine Rest, den wir jetzt noch haben. Wir haben ja schon fast 200 Millionen ausgeschüttet, das Programm läuft schon eine ganze Zeit lang. Das Gute ist, dass man diese letzten vier Millionen noch beantragen kann. Für die Musikclubs hätten wir gerne noch zusätzliche Mittel, die fehlen uns jetzt - aber auch die Musikclubs können ihre Programme oder ihre Planungen noch mal um ein halbes Jahr verlängern, bis zum 30. Juni 2023, genauso wie die Veranstalter und die Musikfestivals. Das ist auch gut. In der Veränderungsmöglichkeit liegt also auch eine Chance.

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Das heißt, bei der Förderung für Konzertveranstalter und Festivals werden Neuanträge akzeptiert - Clubs können aber nur Folgeanträge stellen, richtig?

Keßler: Keine Folgeanträge, sondern sie können die bewilligten Anträge nochmal verändern. Das heißt, wenn im schlimmsten Fall einige der Shows im Herbst ausfallen, können sie sie im Frühjahr noch realisieren und können damit einen Änderungsantrag einreichen, der bewilligt werden kann.

Dieses "Neustart Kultur 2"-Programm bezieht sich auf Veranstalter*innen, Festivals und Clubs. Haben Sie da die Musikerinnen und Musiker nicht vergessen?

Keßler: Nein, haben wir nicht. Wir sprechen jetzt nur von dem "Neustart Kultur" Live-Bereich. Für die Künstler selber haben wir auch noch mal 26 Millionen Euro aus "Neustart Kultur 2" bekommen. Davon sind über 1.000 Künstler schon im letzten Jahr gefördert worden. Wir haben am Freitag die letzte Jurysitzung, da wird es auch noch mal viereinhalb oder fünf Millionen Euro geben. Da wird viermal im Jahr entschieden, und da stehen auch die Mittel zur Verfügung.

Und die sind dann auch im Rahmen von "Neustart Kultur"?

Keßler: Ja, genau.

Derzeit weiß niemand, ob im Spätherbst oder Winter die Inzidenzen so steigen, dass womöglich Konzerte abgesagt werden müssen. Bereitet sich die Initiative Musik darauf vor, dann auch konkret zu helfen?

Keßler: Wir sind jetzt in den Startlöchern und sind froh, dass wir gerade bekanntgeben konnten, dass eine Verlängerung der Anträge beziehungsweise der Projektlaufzeiten um ein halbes Jahr bewilligt werden kann. Das ist richtig gut. Ansonsten planen und denken wir für Mitte 2023, wenn Neustart Kultur ausläuft, was wir dann tun können. Da sind wir gerade in der kräftigen Planungs- und Überlegungsphase. Wir sehen natürlich, das nach 2023 das Leben weitergeht und dann vielleicht Corona noch längst nicht zu Ende ist.

Bei "Neustart Kultur 2" verfahren Sie nach dem "Windhund-Prinzip", nach dem Motto: Wer zuerst kommt, der malt zuerst. Für die Antragsstellenden ist also Eile geboten. Warum belohnen Sie die Schnellsten, statt erst mal alle Anträge zu sammeln und dann zu schauen, wer wie viel an Förderung bekommen soll?

Keßler: Das Problem ist, dass man dann ein Jury-Verfahren einsetzen müsste. Das kriegt man in der Zeit, bei der Menge relativ schwierig realisiert. Das Zweite ist: Wenn wir erst das Antragsende abwarten würden, dann müssten die, die schon längst beantragt hätten, bis zu sechs Monate warten - das geht auch nicht. Insofern wollten wir einfach sicherstellen, dass eine riesengroße Bandbreite an Veranstaltern die Förderung bekommen, und das möglichst schnell.

Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 30.08.2022 | 16:30 Uhr

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