Graphic Novels im Juli: Heiß und erfrischend
Wenn die Sommerhitze teilweise unerträglich wird, tut ein cooles Buch gut. Drei Graphic Novels erfüllen das im Juli. Unterschiedlich im Thema und Stil - aber gleich erfrischend in der Bildsprache.
"Freibad" von Paulina Stulin nach dem Drehbuch von Doris Dörrie
35 Grad im Schatten. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel. Grund genug für Yasemin, Gabi, Eva, Paula und andere Frauen, Deutschlands einziges Frauenfreibad aufzusuchen. Hier kann man oben ohne, im Bikini oder Burkini und im Badeanzug ins Wasser springen oder sich in der Sonne räkeln, egal - unter Frauen ist hier alles möglich. Was nach Friede, Freude, Eierkuchen klingt, entwickelt sich rasant in einen Auffahrunfall von Kulturkreisen, Traditionen und Altersunterschieden, bis die mehr oder weniger knappen Stofffetzen fliegen.
Am 1. September kommt Doris Dörries neuer Film "Freibad" ins Kino. Die Comic-Liebhaberin Dörrie hat vorab mit der Zeichnerin Paulina Stulin eine gleichnamige Graphic-Novel dazu herausgebracht. Im Stile von bunten und roughen Acrylmalereien bleibt Stulin eng an der Film-Bildsprache Dörries. Szenen, getragen von spritzigen Dialogen, bleiben eher gewöhnlich umgesetzt. Unerwartete oder besondere Perspektiven: Fehlanzeige. Die Freude an diesem Hochsommer-Kammerspiel um Minderheiten, Genderfragen und Lammbratwürstchen trübt das allerdings keineswegs.
"Weegee" von Max de Radiguès und Wauter Mannaert
Wenn die Hitze in die Straßenschluchten New Yorks einbricht, steigt nicht nur das Thermometer, sondern auch die Gewalt- und Unfallstatistik. In den 30er- und 40er-Jahren ist dann immer Weegee zur Stelle, um als Pressefotograf Bilder von Erschossenen oder Verkehrsopfern für die Tageszeitungen zu machen. Weegee ist die historische Person Ascher Fellig. Geboren 1899 in Złoczów, 1910 mit der Familie nach New York ausgewandert. Schon als Teenie schlägt er sich mit Jobs durch und heuert bei einem Fotolabor an. Mit 35 macht er sich selbständig und wird zu "Weegee The Famous" wie er sich selbst nennt.
Die beiden Belgier Max de Radiguès und Wauter Mannaert erzählen in ihrer Graphic Novel von diesem ruhelosen und von übersteigertem Selbstbewusstsein geprägten Workaholic. In Schwarz/Weiß und einem Betongrau zeigen sie Weegee, wie er versucht den Knochenjob aufzugeben, um sich seiner eigentlichen Berufung, der Kunst- und Werbefotografie, zu widmen. Weegee, so auch der Titel des Buches, hat Tempo und wunderbar melancholische Momente und macht dieses Biopic in Comicform zu einem kurzweiligen Vergnügen.
"Die verlorenen Briefe" von Jim Bishop
Phantastisch wird es bei Jim Bishop und den "verlorenen Briefen" und das in jeder Hinsicht. Nicht nur, dass seine Zeichnungen an eine Mischung aus Manga, Roy Lichtenstein und David Hockney erinnern. Auch die Geschichte braucht nur drei Bilder, um uns in eine irre Welt zu katapultieren. Eine Welt, in der Clownfische Postboten und Goldfische Polizisten sind. In der ein Tintenfisch-Syndikat die Vernichtung der letzt-verbliebenen Insel für Menschen plant.
So abgefahren die Story klingt, so einfach ist sie von Bishop, alias Julien Bicheux, umgesetzt. Der junge Iode lebt allein am Strand und wartet vergebens auf einen Brief seiner Mutter. Irgendwann macht er sich auf in die Stadt, um selbst nach ihm zu forschen. Auf dem Weg dorthin nimmt er die junge Anhalterin Frangine mit und das Dilemma nimmt seinen Lauf.
So luftig-leicht wie ein Hawaiihemd und so erfrischend wie eine Zitronen-Minz-Bowle perlen die Bilder und Seiten durch die Finger. Auch wenn man am Ende das Gefühl hat, auf ein Pfefferkorn gebissen zu haben, so sind "Die verlorenen Briefe" das Highlight im Sommercamp der Comic-Bücher.