Auf dem Bild ist die Finanzinvestorin Anne Connelly zu sehen. © hermoney

Expertin Anne Connelly: "Von alleine regeln sich die Finanzen nicht!"

Stand: 02.08.2022 10:13 Uhr

Frauen verdienen weniger als Männer, haben weniger Vermögen und im Alter weniger Rente. Trotzdem kümmern sich viele nicht um ihre Finanzen. Eine, die sich darüber wundert, ist Anne Connelly, Top-Managerin und Gründerin des Finanzportals hermoney.

NDR Kultur: Was hat Sie dazu bewegt, ein Finanzportal speziell für Frauen zu gründen?

Anne Connelly: Ich bin seit über 30 Jahren in der Investmentfonds Branche tätig. Es ist mir immer wieder begegnet, dass auch in meinem engsten Freundeskreis die meisten Frauen mit diesem Thema überhaupt nichts anfangen konnten. Der Impuls mich da auch beruflich zu engagieren, war die Tatsache, dass man in Deutschland Ende der 2000er die Scheidungsgesetze verändert hat. Das hat viele Frauen kalt erwischt, die sich geschieden haben und dann gemerkt haben, dass es gar keinen nachehelichen Unterhalt mehr gab trotz langer Ehe und trotz Kindern. Das hat sich ja erst im Laufe der Jahre so richtig herauskristallisiert. Daraufhin habe ich gesagt, da muss ich jetzt aber endlich mal was machen!

NDR Kultur: Ist das der einzige Grund, warum Sie denken, Frauen müssten sich vielleicht ein bisschen mehr mit ihren Finanzen auseinandersetzen als Männer?

Connelly: Nein, das ist nicht der einzige Grund. Aber das war für mich der Impuls, hermoney zu gründen. Also die Gründe sind natürlich vielfältig. Generell kümmern sich die Frauen zu wenig um ihr Geld. Sie kümmern sich sonst um alles Mögliche. Der Punkt wurde gerne vernachlässigt, und deshalb war es mir wichtig zu sagen: Hey, egal wie du deine persönlichen Lebensentscheidungen triffst, du solltest wissen, was das für finanzielle Konsequenzen hat! Ob das nun in einer Partnerschaft ist, wenn die Kinder kommen, ob man weniger arbeitet oder wie man da hinterher vielleicht wieder den Wiedereinstieg bekommt. Wie das mit der Rente funktioniert. Und dass man da eben wirklich ein Auge drauf hat und sich nicht darauf verlässt, dass es schon irgendwie funktioniert: Denn das tut es eben nicht.

NDR Kultur: Die durchschnittliche Rente einer Frau beträgt derzeit 800 Euro. Männer bekamen dagegen im vergangenen Jahr fast 400 Euro mehr. Besonders Mütter leiden unter Altersarmut. Was kann, was sollte in der Politik passieren, damit das gar nicht dazu kommt?

Connelly: Das ist eine große Frage. Die Weichenstellungen, die die Politik vornehmen könnte, wäre zum einen, den Ausbau der Kitas voranzubringen. Es trifft ja nicht nur Frauen, sondern dass man den Familien Wahlfreiheit ermöglicht, wo man seine Kinder betreut. Der Dreh- und Angelpunkt im Leben einer Frau ist eben, wenn die Kinder kommen. Da gibt es auch Zahlen dazu, was es eine Frau kostet, Mutter zu sein. Aufgrund von Teilzeit, die sie dann oft eingeht, und weniger Rentenpunkte, die sie als Ergebnis daraus einsammeln. Also das wäre ein wichtiger Punkt. Und ich denke, da ist man dran. Ein anderer Punkt ist natürlich das Ehegattensplitting. Was eigentlich 2008/2009 angeschubst wurde, indem man ja schon gesagt hat, Männer und Frauen sind für sich verantwortlich - das hat man nicht zu Ende gebracht. Und das würde ich mir wünschen, dass man da ansetzt und sich vielleicht auch noch mal die aktuelle Situation und das Elterngeld anschaut. Man sieht ja, dass die Elternzeit gut angenommen wird, aber es nehmen immer noch zu wenige Männer die Elternzeit für sich in Anspruch. Abgesehen von diesen zwei Monaten, die sogenannten Vätermonate. Ich glaube, wenn man da vielleicht noch ein verpflichtendes Element macht, dass der Mann und die Frau jeweils individuell zuhause bleiben. Das ist sicherlich ein Erfolgsrezept. Wo dann wirklich Paare schauen können, dass sie das gemeinschaftlich gestalten, so wie man das ja auch aus Schweden und anderen Ländern kennt. Das wären ja so ein paar Stellschrauben, denke ich, die sehr effektiv wären.

NDR Kultur: Viele haben auch aus ihrem Bekanntenkreis Berührungsängste mit dem Thema Finanzen und Finanzmärkte. Welche ersten Schritte würden Sie den Einsteigerinnen empfehlen? Also Frauen, die sich da jetzt noch nicht so drum gekümmert haben?

Connelly: Bei hermoney geben wir den Frauen einen Plan an die Hand, wie man das für sich organisiert. Wir sagen es gibt fünf Schritte in die finanzielle Unabhängigkeit. Das geht um solche Sachen, wie sich einen Notgroschen aufzubauen und mal zu gucken, welche Versicherungen notwendig sind. Dann sollte man sich sukzessive zum Thema investieren vortasten - denn das ist essenziell, dass die Frauen nicht nur sparen, sondern investieren! Sonst können sie ihre Rentenlücke, die die meisten von uns haben, übrigens auch nicht nur die Frauen, sondern auch viele Männer, nicht schließen. Dieser Plan steht auf der Webseite und ist auch kostenlos einsehbar. Wenn wir Frauen das mit auf den Weg geben, merken viele: Ah, ist gar nicht so kompliziert, da habe ich vielleicht schon vieles gemacht. An der Schraube, an der sie vielleicht noch drehen muss, ist das Thema investieren. Da bieten wir auch Lösungen an, wo man sagt: Okay, du kannst das für dich relativ leicht den Griff kriegen, ohne dass du wie ich 30 Jahre lang Karriere in der Investmentfondsbranche gemacht hast.

NDR Kultur: Schwierig ist es natürlich für Frauen, die über gar kein eigenes Einkommen verfügen. Was würden Sie den raten?

Connelly: Augen auf bei der Partnerwahl und Verhandeln? Das ist ganz wichtig. Das war ein bisschen ein Scherz in Anlehnung an Sheryl Sandberg, die das in ihrem Buch damals schon beschrieben hatte. Aber das ist wichtig, dass man über solche Sachen spricht in einer Partnerschaft. Und wenn man zurücksteckt für die Kinder und sich zuhause um Dinge kümmert - das kann ja auch Pflegearbeit sein, weil man ältere Verwandte hat, es gibt ja viele Gründe, warum jemand nicht wirklich aktiv arbeiten kann - dass man dann schaut, gerade in einer Partnerschaft, ob man da nicht verhandeln kann, dass der Partner für einen selber zum Beispiel einen Sparplan einrichtet, einen Fonds einen ETF. Das wäre zum Beispiel eine Lösung, um dann einen Ausgleich zu schaffen. Ich glaube, auch wenn man so ein Gespräch mit seinem Partner oder Partnerin führt, dann relativiert sich das auch schnell, was es denn dann wirklich kostet, wenn jemand zuhause bleibt. Das ist dann auch noch mal ein Impuls für die Beziehung, darüber nachzudenken.

NDR Kultur: Zahlreiche Studien zeigen mittlerweile, dass Frauen erfolgreicher an der Börse investieren als Männer. Wie erklären Sie sich das?

Connelly: Die meisten Studien dieser Art kommen ja von Direktbanken und die zeigen eigentlich ziemlich klar, dass Frauen in der Regel etwas weniger risikoaffin sind und mehr auf Sicherheit gehen. Und dass sie aber auch strategisch vorgehen. Und dieses strategische, weniger aggressive Verhalten führt eigentlich dazu, dass die Frauen erfolgreichere Investorinnen sind. Sie machen sich einen Plan, sie überlegen sich, wie sie investieren und halten an ihrer Strategie fest. Auch in Phasen, wo es nicht so gut läuft, bleiben Sie dabei, wohingegen so manche Männer wettbewerbsintensiver sind. Ich will das auch gar nicht verdammen, das ist einfach eine Persönlichkeitsstruktur, die die meisten eben haben, die sind offensiver und gehen aber auch etwas entspannter mit Verlusten um. Frauen tun das natürlich nicht so gerne. Um das jetzt Mal auf einen Satz zu komprimieren: Frauen haben eine Strategie, sie investieren, und dann bleiben Sie am Ball, und das führt dazu, dass sie eben eigentlich im Schnitt der etwas bessere Performance haben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 04.08.2022 | 16:45 Uhr

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