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Hilfe oder Hürde? Kulturerhalt durch Sonderfonds

Stand: 25.01.2022 07:53 Uhr

Seit 2021 soll ein Sonderfonds mit 2,5 Milliarden Euro die Corona-bedingten Verluste von Kulturveranstaltern ausgleichen. Wie läuft diese Hilfe im Norden? Beispiele aus Hamburg, dem Harz und Hannover.

von Janek Wiechers

Seit dem vergangenen Sommer bieten Corona-Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen eine Wirtschaftlichkeitshilfe für kleinere Veranstaltungen bis zu 2.000 Personen. Sie greift, wenn weniger Gäste kommen dürfen, als ursprünglich eingeplant war. Seit Herbst gibt es zudem die Ausfallabsicherung. Sie ist gedacht für große Veranstaltungen ab 2.000 Personen. Sie ist dann interessant für Veranstalter, wenn sie ihre Konzerte oder Events komplett ausfallen, teilweise absagen, oder verschieben müssen. Immerhin 90 Prozent der entgangenen Einnahmen werden in so einem Fall erstattet.

Sonderfonds Kultur für Rockfestival "Rocken am Brocken" im Harz beantragt

Einer, der die Wirtschaftlichkeitshilfe aus dem Sonderfonds in Anspruch genommen hat, und damit gut gefahren ist, ist Markus Blanke. Er veranstaltet das sommerliches Rockfestival "Rocken am Brocken" im Harz: "Man musste quasi seine Veranstaltung anmelden ganz grob sagen, wie viele Zuschauer man hat, und welche groben Kosten man hat." Hinterher ginge man hin und liefere die finale Kalkulation - mit allen Belegen, die bis zum Endbetrag angefallen seien, so Blanke. "Davon bekommt man gewisse Ticketanzahlen gehebelt. Auch wenn es eine gewisse Bürokratie ist, ist das aber genau das Programm, was man braucht, um wieder mit der Kultur starten zu können."

Bundesverband der Konzertwirtschaft Hamburg froh über Sonderfonds

Ähnlich sieht das auch Jens Michow. Der Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft mit Sitz in Hamburg ist froh, dass es den Sonderfonds gibt. Ohne ihn würde sicher kein Veranstalter mehr die enormen Risiken durch die Coronapandemie auf sich nehmen, sagt er.

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Meldungen, wonach der Fördertopf bislang kaum ausgeschöpft wird, sind laut Michow aber mit Vorsicht zu genießen: "Wir reden zurzeit über eine Inanspruchnahme bereits von 440 Millionen. Wir reden aber auf der anderen Seite davon, dass bereits über zwei Milliarden registriert sind. Registriert bedeutet, der Bund übernimmt das Risiko. Registrieren bedeutet auf der anderen Seite, den Anspruch stellt man erst, wenn ein Schaden eingetreten ist."

Kommt erst noch die große Zeit des Fördertopfes?

Der Eindruck, dass der Sonderfonds nur wenig genutzt wird, habe auch damit zu tun, dass viele Veranstaltungen im vergangenen Jahr nicht stattfanden. Das sagt Sina-Mareike Schulte vom Musikland Niedersachsen aus Hannover. Die Service- und Netzwerkeinrichtung des Landesmusikrats unterstützt professionelle Musikschaffende, hilft ihnen unter anderem dabei, Corona-Hilfen zu beantragen.

Die große Zeit des Sonderfonds komme erst noch, glaubt Schulte: "Diese Frage: 'Ist er eigentlich gut ausgelastet oder nicht?', kann man noch gar nicht final beantworten. Die Wirtschaftlichkeitshilfe läuft jetzt zum Ende März voraussichtlich aus. Meine Einschätzung wäre, dass für diesen Sommer, für den ja auch nach wie vor relativ unklar ist, unter welchen Bedingungen veranstaltet werden kann oder nicht, dass diese Ausfallabsicherung für viele Veranstaltenden in diesem Jahr erst zum Tragen kommt und nochmal relevant wird."

Forderung nach Verlängerung des Sonderfonds

Manche vermuten: Die bürokratischen Hürden bei der Beantragung von Hilfen aus dem Sonderfonds sind bewusst besonders hoch angesetzt, um zu verhindern, dass sie abgerufen werden.

Solche Gedankenspiele hält Jens Michow, vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft für eine Fehleinschätzung: "Das glaube ich keineswegs. Es ist keine Selbstverständlichkeit in Europa, dass ein Land 2,5 Milliarden für die Fortexistenz für das Kulturveranstaltungsgeschäft zu Verfügung stellt. Das sollte man dann auf der anderen Seite verstehen, dass die Verwaltungen, die Fachabteilungen der Ministerien ihre Verantwortung sehen, fördergerecht einen solchen Fonds zu gestalten."

Das bedeutet auch: dass der Teufel bei der Beantragung der Hilfen durchaus im Detail liegt. Michow fordert deshalb, dass der Sonderfonds an vielen Stellen nachgebessert und der aktuellen Lage angepasst wird. Er wünscht sich unter anderem, dass beide Programme des Sonderfonds - "Wirtschaftlichkeitshilfe" und "Ausfallabsicherung" - über dieses Jahr hinaus verlängert werden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 25.01.2022 | 06:20 Uhr

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Kulturpolitik

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