Braunschweig: Hightech-Röntgengerät durchleuchtet alte Schätze
Schicht für Schicht: Ein 270.000 Euro teures Hightech-Röntgengerät im Braunschweiger Anton Ulrich-Museum bietet ganz neue Möglichkeiten zur Erforschung von Kunstwerken - und zur Betrachtung in 3D.
In einem fensterlosen, klimatisierten Kellerraum, tief unter dem Herzog Anton Ulrich-Museum: Restauratorin Verena Herwig hebt behutsam eine Holzplatte auf ein Metallgestell. Darauf ist eine hölzerne Engelsskulptur befestigt. Ein Höllensturz aus dem 17. Jahrhundert, verziert mit Blattgold. In der Hand hält der Engel ein Flammenschwert. Herwig passt die Figur mit einem Schienensystem und Flügelschrauben aufrecht stehend in den Metallrahmen ein. "Die Justage ist wichtig, um am Ende das bestmögliche Röntgenbild zu bekommen", erklärt die Restauratorin.
Anton Ulrich-Museum: Röntgenkameras durchleuchten Engel
An einem zweiten Metallgestell sind die Röntgenkameras montiert. Grün-schimmernde Laserstrahlen helfen der Herwig dabei, die Kameras genau dort zu platzieren, wo der Engel durchleuchtet werden soll.
Bevor der Durchleuchtungsvorgang beginnt, muss die Restauratorin den Raum verlassen. Eine dicke Bleitür schirmt die Röntgenstrahlung ab. Nebenan, im Kontrollraum, gibt es zwei Monitore. Während hinter der Bleitür der Scanvorgang startet, setzen sich Herwig und eine Kollegin spezielle 3D-Brillen auf.
3D-Technik ermöglicht plastische Darstellung des Inneren

Ganz plastisch wird auf den Bildschirmen das Innere des Holzengels sichtbar. Zu erkennen sind Metallnägel, die von außen nicht auszumachen waren, gekittete Stellen unter dem Lack und eine metallene Verstärkung am Flammenschwert. Das neue, digitale Röntgengerät ersetzt ältere, analoge Methoden, mit denen nur zweidimensionale Bilder möglich waren. Das Hightech-Modell gestattet den Museumsleuten jetzt ganz neue Einblicke, schwärmt Herwig: "Mit dieser Anlage kommen wir wirklich durch das gesamte Material, gehen also durch alle Schichten."
Und das ist vor allem für dreidimensionale Objekte wie Skulpturen, Vasen oder Metallobjekte interessant. "Speziell für Möbel und Skulpturen ist es von Vorteil. Weil man durch das räumliche Sehen eben einen anderen Eindruck bekommt von Konstruktion, Verbindungen und Ergänzungen", erzählt die Expertin. Mit dem Gerät lassen sich aber auch weiterhin zweidimensionale Aufnahmen machen, die für die Analyse von Gemälde wichtig sind.
Schäden erkennen, die das Auge (noch) nicht sieht
Der Direktor des Herzog Anton Ulrich-Museums, Thomas Richter, freut sich über die Neuanschaffung. Mit dem Röntgengerät könnten die Bestände im Hause nun genauer unter die Lupe genommen werden. "Wir können Schäden sehen, bevor sie mit dem Auge erkennbar sind", so Richter. "Wir können die Forschung vorantreiben, ergründen: Wer hat an einem Gemälde gearbeitet? Welche Techniken wurden eingesetzt? All das können wir bei uns im Haus untersuchen, müssen die Dinge nicht mehr irgendwohin transportieren."
Röntgengerät dieser Art in Europa einmalig
Dank des neuen Geräts, so die Spezialisten des Herzog Anton Ulrich-Museums, lässt sich künftig passgenauer bestimmen, wie wertvolle Kunstobjekte optimal restauriert und konserviert werden müssen. Die besonders leistungsfähige Anlage sei in dieser Form in einem Museum einmalig in Europa, betonen die Museumsleute. Der Museumsdirektor will sie deshalb auch anderen Fachleuten zur Verfügung stellen: "Ausleihen können wir das Gerät nicht - es ist hier fest installiert. Aber wir können natürlich mit anderen Museen, Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten. Das ist auch gut für die Forschungsgemeinschaft in Norddeutschland."
Möglich wurde die 270.000 Euro teure Neuanschaffung Dank des Erbes eines privaten Spenders aus Niedersachsen. Außerdem steuerte der Freundeskreis des Museums einen Teil des Geldes für den Kauf bei.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags wurde von "radioaktiver Röntgenstrahlung" gesprochen. Röntgenstrahlen sind im Gegensatz zu den ihr ähnlichen Gammastrahlen jedoch nicht radioaktiv, da sie nicht durch radioaktive Zerfälle oder Kernreaktionen entstehen.
