Andreas Auer verlässt Schweriner Fritz-Reuter Bühne
Schauspieler Andreas Auer nimmt den Hut und verlässt nach 42 Jahren die Schweriner Fritz-Reuter Bühne.
Frühlingsbeginn in Schwerin. Andreas Auer, der vorhat, das Rampenlicht gegen das Sonnenlicht einzutauschen, schwingt sich vom Fahrrad. Er sei gespannt, sagt er, wie wohl ein Leben ohne Terminkalender, ohne Proben und Abendvorstellungen sein wird. "Ich habe die Hoffnung, die ganz leise ist, dass man einfach mal ein bisschen zur Ruhe kommt. Mehr Zeit für die Familie hat - ohne Blick auf die Uhr." Noch aber spielt Andreas Auer: In der Komödie "Fisch för vier" gibt er einen Diener dreier Damen, der nach Jahren der Schufterei endlich frei sein und die weite Welt sehen will. "Eine Paraderolle für Auer", so Rolf Petersen, Direktor der Schweriner Fritz Reuter Bühne, "da kann Andreas noch einmal die ganze Brandbreite seines schauspielerischen Könnens zeigen".
Abschied mit Fangesang
Nach langem Beifall, nach begeisterten Rufen und Pfiffen fällt kein Vorhang, ein silbern verschnörkelter Thron wird stattdessen auf die Bühne getragen. "Für Dich Andreas, nimm Platz!", lädt Petersen ihn ein, "Oh - jetzt kommt die Krönung", scherzt Auer, der bescheiden nur für Sekunden darauf Platz nimmt, er will lieber stehen wie seine Kollegen, die langsam die Bühne füllen. Das gesamte Ensemble kommt, um ihm zu danken und seine Arbeit zu würdigen. "Ohne Dich wäre die Theaterwelt eine ärmere", sagt Stefanie Fromm, "weil gerade das plattdeutsche Theater Menschen wie Dich braucht, die ihr Können, ihre Leidenschaft und ihre Liebe zu dieser Sprache auf die Bühne bringen." Andreas komme auf die Bühne und man muss ihn einfach gerne haben. Das Publikum nickt, murmelt "Is so" und stimmt wenig später ins Abschieds-Ständchen ein, natürlich up Platt: "Up Wedderseihn, Up Wedderseihn … Du büst un bliffst uns bested Stück."
Andreas Auer, sichtlich gerührt, dankt Publikum, Kollegen und dem "Kraftwerk zu Hause" - seiner Frau. Auch vor dieser letzten Premiere habe er noch Lampenfieber gehabt, "äwer nich de Büxen vull" wie 1979 beim Vorspiel am Mecklenburgischen Staatstheater, vor dem gesamten Ensemble. Damals bekam er seinen ersten Jahresvertrag. Hinterher hörte Andreas Auer, dass es nach dem Vorsprechen im Kreis der Kollegen geheißen hätte, dass er erst mal erzogen werden müsse. "Ik wir woll n bäten vörfäutsch mit de Schnut."
Vom jungen Liebhaber zum alternden Diener
Mit seinen damals 21 Jahren besetzt er zunächst die Liebhaberrollen, oft mit Anke Moll an seiner Seite. "In jedem Stück haben wir das jugendliche Paar gespielt, da haben die Leute schon gedacht, 'de sünd doch verheurat'." Er lernt von erfahrenen Kollegen, wie Rudolf Korf, Rudi Reich oder dem plattdeutschen Urgestein Marga Heiden "de eenfach ut denn Buk spält hett", lacht Auer. Und studiert nebenbei an der Schauspielschule in Rostock. "Ob komisch, ob tragisch, ob kleine Rollen oder große, Andreas konntest du überall einsetzen", erinnert sich die frühere Dramaturgin der Fritz-Reuter-Bühne, Ulrike Stern.
Etwa 250 Rollen hat Auer gespielt. Er war der Erzähler in Reuters literarischem Lieblingswerk "Kein Hüsung", er knurrte als Hund, strippte in "Barfaut bet an' Hals", war boshaft als Leuchtturmwärter im Karl-Marx-Outfit in "Ünner't Lüchtfüer". Auer verkörperte den Tod in "Friedas letzter Vormittag", den "Teufel mit den drei goldenen Haaren" und schlüpfte wieder und wieder in einen Talar. "Immer wenn ein Pastor besetzt werden muss, ist Auer dran", schmunzelt er. "Ik weit ok nich ob ik so ein Indruck vermitteln dau." Heute genieße er auch die Rolle des Dieners, sagt er lächelnd, welchem Mann mache das keinen Spaß mit drei Frauen auf der Bühne zu stehen.
Plattdeutsch mit der Muttermilch
Als Auer in Laage, bei Rostock, aufwächst, sprechen dort noch viele Plattdeutsch. Sein Vater tritt mit kleinen plattdeutschen Programmen auf, das habe ihn animiert auch Platt tau schnacken, vom Theater allerdings rät ihm der Vater ab. "Jung lirn doch wat Vernünftiges" - und so lernt Andreas Werkzeugmacher in Schwerin. Die Idee, etwas Künstlerisches zu machen, kommt ihm ausgerechnet bei der Armee. Dort tritt er auf mit einer Band und trägt zwischen den Songs plattdeutsche Gedichte vor. Den Menschen Freude bringen, das sei für ihn das Schöne am Spielen und dann noch mit dieser herrlichen Sprache.
Auer prägt nicht nur die Fritz-Reuter-Bühne über Jahrzehnte, sondern auch viele Kollegen, meint die ehemalige Dramaturgin Ulrike Stern. Immer habe er einen Witz auf Lager ("Ik bün eben n Lachwurzen"), komme zur Probe gut vorbereitet, denke auch dramaturgisch, und ganz nebenbei gebe er den jungen Kollegen sprachliche Tipps, berichten ehemalige Weggefährten.
"Seine schauspielerische Kompetenz und vor allem auch seine sprachliche Kompetenz…, das ist natürlich ein unschätzbarer Wert, der jetzt verloren geht", so Rolf Petersen. Diese Lücke zu schließen, mache ihm ganz schön Sorgen. Petersen hofft, dass Andreas Auer als Gastschauspieler zurückkommt, wenigstens für eine Inszenierung pro Spielzeit.
"Nu is ierst eis nauch, lat man de Anner bäten wat daun, ik gah jo nich wech, ik ward de Friz-Reuter Bühn in't Ooch behollen un mi de ganzen Inszenierungen ankieken, bün dor ganz niegelich up, äwer dat möt jo nich unbedingt sin, dat ik dor öwerall mit mank bün."
