"Alles, was man braucht": Mit Dorfläden gegen den Überkonsum
Wie wollen wir in Zukunft leben? Die Dokumentation "Alles, was man braucht" hinterfragt das eigene Konsumverhalten und kann ein Wegweiser sein für einen Richtungswechsel. Der Kinostart ist am 28. April.
Kein einziger Dorfladen mehr, ausgestorben, trist: So sieht es in vielen Dörfern in Deutschland aus. Für die älteren Menschen ist das oft eine Katastrophe. Zwei Jahre lang hat die Regisseurin Antje Hubert sich in norddeutschen Dörfern umgesehen: "In ganz Deutschland sind 85 Prozent dieser kleinen Läden verschwunden. Das ist ein Prozess, der in den 1970er-Jahren anfing, als ich noch zur Schule ging - einer nach dem anderen", erzählt Antje Hubert. "Im Osten ging es nach der Wende ganz schnell. Zu sehen, was das mit dem Dorf macht, wenn diese Läden nicht mehr da sind, wenn die Gasthäuser nicht mehr da sind - das habe ich hautnah in meinem Heimatort erlebt. Die Dorfstraße, die Hauptstraße ist tot."
Der Erfolg der Dorfläden "steht und fällt mit den Leuten"
Im Dorf Müden in der Lüneburger Heide ist Antje Hubert aufgewachsen. Auch in dem alten Bauerndorf schloss der letzte Supermarkt seine Türen - im Jahr 2014. Vier Jahre lang passierte dann nichts. Erst 2018 wird der alte Markt neu aufgemacht, benannt nach "Tante Hanna", die früher hier einen Laden hatte. Möglich ist das nur, weil sich die Dorfbewohner beteiligen. Über 500 Personen haben Geld eingezahlt und eine Gesellschaft gegründet. "Was unsere Verkaufsfläche angeht, sind wir wirklich klein und bescheiden. Wir müssen wahrscheinlich jeden Tag dicke Bretter bohren und es als knallhartes Geschäft betrachten", sagt Tommy Dietz. Der neue Marktleiter hofft, dass das Konzept aufgeht. Viele Dorfbewohner identifizieren sich schon jetzt mit "Tante Hanna", aber entscheidend ist, dass der Laden am Ende auch rentabel ist.
Die Konkurrenz ist stark, zumindest für die, die ein Auto haben: Discounter auf der grünen Wiese gibt es überall auf dem Land - und sie haben mehr Auswahl als die kleinen Läden. "Das steht und fällt mit den Leuten - ob sie bereit sind, dahin zu gehen, das Auto mal stehen zu lassen und zu sagen: Ich möchte jetzt aber auch, dass dieser Laden im Dorf bleibt und Bestandteil des Dorfes ist - und dann kaufe ich da eben auch ein", sagt Antje Hubert.
Der Dorfladen als Treffpunkt zum Klönschnack
In Schleswig-Holstein hat die Regisseurin das Dorf Delve besucht. Als der letzte Kaufmann sein Geschäft schließt, gründen die Dorfbewohner eine Genossenschaft und machen selbst einen Laden in der alten Grundschule auf. Das Ehepaar Thomsen übernimmt das Geschäft. Mit viel Engagement und Leidenschaft haben die beiden daraus einen echten Treffpunkt gemacht. "Ich bin über jeden froh, der kommt - und wenn du nur einen Kaffee trinkst oder ein Brötchen oder einen Liter Milch holst", sagt Berit Thomsen. "Viele Leute sagen immer, der Dorfladen sei zu teuer. Ich sage: Guckt euch doch erst einmal um. Viele Sachen sind gar nicht teurer, andere sind sogar günstiger."
Es gibt auch regionale Spezialitäten wie Käse aus einer nahegelegenen Meierei. Das Ehepaar hat sich mit dem Laden einen Traum erfüllt - und viel Arbeit aufgehalst. "Auch weil man mit Leib und Seele dabei ist, ist es anstrengend, muss man ehrlicherweise sagen - sieben Tage in der Woche, fast gar keinen Urlaub", erzählt Knut Thomsen. Der lange Tisch ist das Wichtigste - das Herz des Ladens sozusagen. Hier können sich die Dorfbewohner mit Kaffee und Kuchen zum Klönschnack treffen. "Du wirst wahrgenommen. Du nimmst deinen kleinen Einkaufskorb, gehst durch die Regale, bist relativ schnell wieder an der Kasse und musst nicht lange überlegen: Nehme ich jetzt das oder das? Was ist teurer, was ist billiger? Du kaufst einfach das, was du brauchst", sagt Antje Hubert.
Ökologische Landwirtschaft mit Hofladen und Lerneffekt
In Rothenklempenow in Vorpommern gibt es nicht nur einen Hofladen: Ein paar engagierte Leute haben das Gelände einer ehemaligen LPG gekauft und betreiben jetzt ökologische Landwirtschaft fürs Dorf. Drei große Höfe aus der Region machen mit. "Boden muss für alle da sein!" So sehen es die Macher des Betriebes. Das Herzstück der Gemeinschaft: der Weltacker - ein kleines Stück Land, wo man lernen kann, wieviel Ackerfläche jeder Mensch für seine Ernährung verbrauchen darf, damit alle Menschen auf der Welt satt werden. "Wir wissen alle, dass wir etwas ändern müssen und dass wir uns anders verhalten müssen", sagt Tobias Keye". "Es kann doch nicht sein, dass ich etwas versuche anzustoßen, wovon vor 30 Jahren schon klar war, dass es gut ist."
Genau das fragt auch der Film: Was brauchen wir denn wirklich? Welche Produkte? Wieviel Auswahl? Es geht darum, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. "Dieser Überkonsum, den wir uns leisten, ist nicht selbstverständlich", sagt Antje Hubert. "Wir werden, müssen irgendwann umdenken. Dann brauchen wir einen Kompass und müssen entscheiden, was wirklich wichtig ist und was wir brauchen. Ich finde, diese kleinen Läden sind so ein Kompass. Die haben nicht die Antwort - die gibt es ja auch gar nicht -, aber man hat einen Ort, wo man darüber nachdenkt."
Wie wollen wir in Zukunft leben? "Alles, was man braucht" kann ein Wegweiser sein, damit wir die richtige Richtung einschlagen. Der Kinostart ist am 28. April.
