Morbus Bechterew: Symptome, Diagnose und Therapie

Stand: 05.02.2024 10:17 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Morbus Bechterew ist eine Form von entzündlichem Rheuma. Es befällt die Wirbelsäule und verursacht chronische Rückenschmerzen. Verlauf und Symptome können sich bei Frauen und Männern unterscheiden.

Rückenschmerzen sind meist harmlos und verschwinden nach Tagen oder Wochen wieder. Doch bei etwa fünf Prozent der Menschen mit chronischen Rückenschmerzen steckt mehr dahinter: Morbus Bechterew (axiale Spondyloarthritis), eine besondere Form von entzündlichem Rheuma. Diese Krankheit tritt meist zwischen der Pubertät und dem 30. Lebensjahr erstmals auf, die Häufigkeit liegt hierzulande bei etwa fünf Betroffenen auf 1.000 Einwohner. Bei dieser Autoimmunerkrankung attackieren körpereigene Abwehrzellen gesundes Skelettgewebe - meist zuerst in den Kreuz-Darmbein-Gelenken. Unter Umständen bilden sich dadurch schmerzhafte Knochenwucherungen bis hinauf in die Wirbelsäule.

Symptome von Morbus Bechterew

Oft beginnt die Krankheit im Bereich der Kreuzbein-Darmbein-Gelenke (Iliosakralgelenke). Dabei handelt es sich um eine relativ unbewegliche gelenkartige Verbindung aus Kreuzbein und Darmbein, die von Bändern versteift wird. Betroffene spüren immer wieder Schmerzen im unteren Rücken und im Gesäß, besonders bei längerem Sitzen. In der Regel sind die Schmerzen bei Ruhe am schlimmsten (vor allem nachts) und bessern sich bei Bewegung. Oft berichten Betroffene auch über eine morgendliche Steifigkeit der Gelenke, die sich durch Bewegung bessert. Im Krankheitsverlauf können die Wirbelsäule und der Brustkorb zunehmend unbeweglich werden. Wenn sich ein steifer Rundrücken ausbildet, ist die Krankheit bereits weiter fortgeschritten.

Bei knapp der Hälfte der Betroffenen entzündet sich die mittlere Augenhaut, sodass das Auge schmerzt, lichtempfindlich und gerötet ist.

Symptome bei Frauen: Häufig zuerst die Halswirbelsäule betroffen

Lange Zeit galt Morbus Bechterew als Männerkrankheit. Mittlerweile weiß man, dass Frauen genauso häufig betroffen sind. Allerdings verläuft die typische Versteifung der Wirbelsäule bei Frauen meist langsamer. Zu Beginn der Erkrankung ist häufig die Halswirbelsäule betroffen, auch Schleimbeutelentzündungen und Sehnenscheidenentzündungen sind nicht selten.

Morbus Bechterew hat unterschiedliche Formen

Generell verläuft die Krankheit in Schüben und bei jedem Patienten anders: bei manchen so mild, dass sie nicht einmal eindeutig diagnostiziert wird, bei anderen ist sie so aggressiv, dass ein Leben ohne Schmerzmittel kaum möglich ist. Entzündungen der Wirbelgelenke können dazu führen, dass sich die Gelenke versteifen und der Rücken unbeweglich wird. Manchmal verkrümmt sich auch die Wirbelsäule, was zu einer stark vornüber gebeugten Körperhaltung führt. Die Krankheit verringert oft auch die Dichte der Knochenmasse, sodass es zu Osteoporose kommen kann. Bei manchen Betroffenen wird die Beweglichkeit des Brustkorbs und damit die Atmung beeinträchtigt.

Gelegentlich treten Augenentzündungen oder entzündliche Darmerkrankungen begleitend auf. In sehr seltenen Fällen betrifft die Krankheit auch andere Organe, zum Beispiel die Lunge, die Niere, das Herz oder die Hauptschlagader (Aorta). Ist das Herz in Mitleidenschaft gezogen, können Herzklappenfehler entstehen.

Morbus Bechterew ist eine Autoimmunkrankeit

Bei Morbus Bechterew richtet sich das Immunsystem gegen körpereigene Zellen. Die Ursachen dafür sind noch nicht eindeutig geklärt. Vermutlich muss eine Infektion mit bestimmten Bakterien das Abwehrsystem des Körpers zu einer überschießenden Reaktion reizen und mit einer erblichen Veranlagung zusammentreffen, um die Krankheit auszulösen.

Rheumatologen können die Diagnose frühzeitig stellen

Da "ganz normale" Rückenschmerzen das erste Symptom sind, wird die Diagnose Morbus Bechterew häufig erst nach fünf bis zehn Jahren gestellt. Bei Verdacht ist ein Besuch bei der Rheumatologin oder beim Rheumatologen ratsam. Arzt oder Ärztin erkundigen sich nach Beschwerden und Vorerkrankungen, untersuchen die Beweglichkeit der Wirbelsäule und messen ihre Krümmung. Außerdem prüfen sie, ob bei bestimmten Bewegungen Schmerzen auftreten. Mit einem speziellen Handgriff kann ein Rheumatologe feststellen, ob das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk entzündet ist.

Spezielle Diagnoseverfahren bei Morbus Bechterew

Schematische Darstellung: Graue Masse umkleistert die Wirbelsäule. © NDR
Durch die Entzündungen können sich Knochenwucherungen bilden, die sich die gesamte Wirbelsäule hinaufziehen.

Eine Magnetresonanztomografie (MRT) kann frühe Krankheitszeichen wie Entzündungen sichtbar machen. Besteht die Krankheit schon länger, finden sich auch auf Röntgenaufnahmen Hinweise, zum Beispiel typische Verknöcherungen an der Wirbelsäule. Im Röntgenbild sieht man dann eine sogenannte Bambusstab-Wirbelsäule: Die Knochenüberwucherungen zwischen den Wirbelkörpern versteifen diese so wie ein Bambusstab. Und das Röntgenbild zeigt eine Wirbelsäule vergleichbar mit einem Bambusstab.

Eine Blutuntersuchung ergänzt die Diagnostik. Wird dabei das Erbmerkmal HLA-B27 nachgewiesen, ist eine Morbus-Bechterew-Erkankung wahrscheinlich. Das Erbmerkmal lässt sich anhand eines speziellen Eiweißes auf der Oberfläche der weißen Blutkörperchen nachweisen. Das ist bei mehr als 90 Prozent aller Betroffenen mit Morbus Bechterew der Fall.

Eine Aussage über die Aktivität der entzündlichen Schübe liefert der sogenannte BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index): Aus Angaben zu Schmerzen, Schwellungen in den Gelenken sowie zur Morgensteifigkeit errechnet sich ein Punktwert (Index). Liegt der über 4, ist die Krankheit aktiv.

Medikamente gegen Morbus Bechterew

Wie die meisten rheumatischen Erkrankungen zählt Morbus Bechterew zu den chronischen Krankheiten. Betroffene können ihren Krankheitsverlauf aber verlangsamen oder sogar ganz zum Stillstand bringen. Besonders günstig ist die Prognose, wenn sie frühzeitig eine moderne medikamentöse Therapie beginnen. Deshalb sollten Menschen mit mehr als drei Monate andauernden, tief sitzenden Rückenschmerzen nicht zögern, einen Rheumatologen aufzusuchen. Der Facharzt wird zusammen mit den Erkrankten einen Behandlungsplan erarbeiten, der auf entzündungshemmende Medikamente setzt.

Um Entzündungen einzudämmen und Schmerzen zu lindern, kommen bei Morbus Bechterew verschiedene Arzneien zum Einsatz, unter anderem können das Kortison oder TNF-alpha-Blocker sein. Der Signalstoff TNF (Tumornekrosefaktor) ist an der Steuerung des Immunsystems beteiligt. Wird er blockiert, können Entzündungen gehemmt werden, der Körper wird allerdings anfälliger für Infekte. Wird das Mittel abgesetzt, kommt die Entzündung sofort wieder. Und: Das Medikament wirkt nicht ewig, oft lässt die Wirkung nach. Bis zu 25.000 Euro kostet so eine Behandlung im Jahr, wird aber von den Krankenkassen übernommen.

Morbus Bechterew mit Ernährung lindern

Eine spezielle entzündungshemmende Ernährung ist eine wirkungsvolle zusätzliche Strategie: wenig Fleisch, dafür eher Fisch und vor allem viel Gemüse und ausreichend Obst. Wichtig ist außerdem, gute Öle und Fette zu nutzen - wie Olivenöl und Leinöl. Die Omega-Balance der Fettsäuren sollte stimmen. Diese Ernährung schützt auch das Herz.

Übungen für den Rücken hilfreich bei Morbus Bechterew

Ausreichend Bewegung ist eine weitere Säule der Behandlung: Spezielle Gymnastik hält die Wirbelsäule beweglich und wirkt Versteifungen entgegen. Sportarten wie Rückenschwimmen, Wandern und Radfahren können ebenfalls unterstützend wirken, rückenbelastender Sport sollte dagegen vermieden werden. Auch im Beruf sollten Betroffene nach Möglichkeit alle Tätigkeiten lassen, bei denen sie sich viel nach vorne beugen müssen. Im Idealfall können sie am Arbeitsplatz zwischen Sitzen, Gehen und Stehen wechseln.

Operation bei Osteoporose durch Morbus Bechterew

Kommt es im fortgeschrittenen Krankheitsstadium zur Osteoporose, ist es besonders wichtig, das Sturzrisiko klein zu halten. Bei besonders schweren Fällen von Morbus Bechterew werden Betroffene auch operiert, zum Beispiel bei versteiftem Rücken, Wirbelbrüchen oder Lähmungen. Manchmal ist der Ersatz eines entzündlich veränderten Hüftgelenks durch eine Prothese nötig.

Hilfe und Beistand finden Betroffene auch in zahlreichen Selbsthilfegruppen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 09.04.2024 20:15 Uhr

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