Spritzen gegen Rückenschmerzen: Wann hilft eine Infiltration?
Spritzen gegen Rückenschmerzen (PRT) sind umstritten. Die Erfolgsquoten sind je nach Ursache sehr unterschiedlich und die Infiltrationen an der Wirbelsäule können erhebliche Nebenwirkungen haben.
Fast ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland leidet an Rückenschmerzen und ist deshalb in ärztlicher Behandlung, zeigt die aktuelle Analyse einer großen deutschen Krankenkasse. Zur Therapie werden auch sogenannte Injektionsbehandlungen oder Infiltrationsbehandlungen angeboten - gezielt gesetzte Spritzen an Nervenwurzeln, an das Rückenmark, in Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder oder die Bandscheiben. Damit sollen Schmerzen und Schwellungen gelindert werden. Viele Betroffene hoffen mithilfe von Spritzen auch eine OP hinauszögern oder vermeiden zu können. Doch die Infiltrationstherapie ist umstritten: Expertenmeinungen, Leitlinien und Studienergebnisse gehen auseinander.
Für Patientinnen und Patienten mit Rückenschmerzen ist wichtig zu wissen: Zwischen einzelnen Formen der Spritzen-Therapien gibt es Unterschiede und es kann auch zu Nebenwirkungen kommen. Eine Anwendung sollte gut abgewogen werden - je nachdem, was die mögliche Ursache der Rückenschmerzen ist und wie lange die Schmerzen schon bestehen.
"PRT-Spritzen" bei Rückenschmerzen: Medikamente an der Nervenwurzel
Die wohl bekannteste Form von Spritzen gegen Rückenschmerzen ist die periradikuläre Therapie (PRT), vereinfacht auch "PRT-Spritzen" genannt. Periradikulär bedeutet „um die Wurzel herum“, denn die Medikamente werden direkt an eine definierte Nervenwurzel injiziert, die dort aus dem Rückenmark kommt und den Wirbelkanal verlässt. Als Medikamente werden dafür vor allem Lokalanästhetika wie Lidocain, Bipivacain oder Ropivacain, sowie Glucocorticoide (Cortison) gegen Schwellung und Entzündung eingesetzt. Die Infiltration per Spritze sollte immer bildgeführt stattfinden, das heißt: unter Röntgen-Kontrolle mit CT oder unter Ultraschall.
Ziele der Infiltration in Nervennähe
Relativ einig sind sich die internationalen Leitlinien, dass die periradikuläre Therapie (PRT) eher bei spezifischen Rückschmerzen in Frage kommt. Das sind Rückenschmerzen, bei denen eine klare körperliche Ursache vorliegt. Insbesondere bei Bandscheibenvorfällen kann es zu einer Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln (Radices) an der Seite des Rückenmarks kommen. Betroffene merken das häufig durch sogenannte radikuläre Symptome, das heißt einseitige ausstrahlende Schmerzen oder Missempfindungen wie Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Brennen. Je nach Lokalisation der Schädigung können sie zum Beispiel bis in die Beine ziehen. Wenn der Schaden an der Bandscheibe zu den Beschwerden passt, kann eine Behandlung der Nerven mittels PRT Linderung verschaffen, bis der Körper ausgetretenes Bandscheibengewebe abgebaut hat und damit die Nervenreizung nachlässt.
Der richtige Zeitpunkt für die Behandlung
Entscheidend für den Erfolg von PRT und Epiduraler Injektion ist auch der Zeitpunkt der Behandlung. Die Chancen sind besser, wenn die Schmerzen noch nicht chronisch sind. Unterschieden werden generell:
- akute Schmerzen: Als akut bezeichnet man Rückenschmerzen, wenn sie bis zu sechs Wochen bestehen.
- subakute Schmerzen: Als subakut gelten sechs bis zwölf Wochen Rückenschmerzen
- chronische Schmerzen: davon sprechen Ärztinnen und Ärzte ab zwölf Wochen Rückenschmerzen.
Bei chronischen Schmerzen spielt mit der Zeit der der eigentliche Auslöser im Gewebe nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Schmerzwahrnehmung hat sich vielmehr im Gehirn verfestigt und muss mit anderen Methoden behandelt werden als akuter Schmerz. Die alleinige Spritzentherapie am Rücken hat dann wenig Erfolgsaussichten.
Einsatzort: Nutzen von PRT-Spritzen an LWS größer als an HWS
Auch der betroffene Teil der Wirbelsäule, ist entscheidend: Die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft e.V. (DWG) schreibt in ihrer Leitlinie „Epidurale Injektionen bei degenerativen Erkrankungen“ dazu: Bei Beschwerden ausgehend von der Halswirbelsäule (HWS) "können" solche Injektionen erwogen werden. Bei radikulären Schmerzen durch einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS) "sollten" sie angeboten werden. In der medizinischen Fachwelt liegt zwischen diesen beiden Worten ein großer Unterschied: "Sollte" ist eine klare Empfehlung, "kann" eher eine offene Empfehlung, eben ein Angebot oder eine Möglichkeit.
Wirkung fraglich bei nicht spezifischen Rückenschmerzen
Die meisten Rückenschmerzen sind nicht spezifisch, das heißt bei ihnen kann keine eindeutige körperliche Ursache (mehr) festgestellt werden. Mögliche Gründe für die Schmerzen sind dann zum Beispiel:
- Fehlbelastungen
- Bewegungsmangel
- psychosozialen Faktoren wie Stress
Häufig gibt es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Studien zeigen, dass rund 85 Prozent der chronischen Rückenschmerzen nicht spezifisch sind. Sie erscheinen oft diffuser, auch beidseitig entlang des Rückens. Der Einsatz von PRT-Spritzen kommt hier weniger in Frage: Denn wo keine eindeutige und spezifische körperliche Ursache festgestellt werden kann, kann sie auch schwer mit einer gezielten Infiltration per Spritze an der Wirbelsäule behandelt werden.
Umstrittene Spritzen bei Rückenschmerzen: Erfolg und Nebenwirkungen viel diskutiert
Der Nutzen von Spritzenbei Rückenschmerzen wird insgesamt viel diskutiert: Im Februar 2025 veröffentlichte ein Team von Forschenden unter der Leitung des kanadischen Professors Jason W. Busse zum Beispiel eine systematische Übersichtsarbeit und klinische Empfehlung im British Medical Journal, mit der klaren Empfehlung gegen verschiedene Injektionen bei chronischen Rückenschmerzen, die nicht mit Krebserkrankungen oder entzündliche Gelenkerkrankungen in Zusammenhang stehen. Ihre Begründung: Die Verfahren hätten nur einen geringen oder gar keinen Nutzen in Bezug auf Schmerzlinderung im Vergleich zu Scheinbehandlungen (Placebo).
Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) widerspricht dem. In einer Pressemitteilung mit zugehöriger Stellungnahme schreiben die Fachverbände: Interventionelle Verfahren, wie epidurale Injektionen, seien ein "wichtiger Bestandteil des multimodalen Ansatzes zur Behandlung von spezifischen Wirbelsäulenschmerzen". Sie dürften jedoch nicht als Allheilmittel gegen Rückenschmerzen betrachtet werden.
Chronische Rückenschmerzen: Multimodales Therapiekonzept ist wichtig
Bei Rückenschmerzen ist es immens wichtig, frühzeitig Alltagsaktivitäten wieder aufzunehmen und die körperliche Aktivität aufrechtzuerhalten. Wenn die Beschwerden über sechs Wochen bestehen und keine spezifischen Ursachen vorliegen, empfiehlt die Nationale Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz zunächst nicht-invasive Verfahren wie Schmerzmedikation, Wärmetherapie und Physiotherapie. Ist das nicht ausreichend, sollte eine sogenannte multimodale Therapie erfolgen. Diese Therapie besteht aus verschiedenen Bausteinen, zum Beispiel:
- Bewegungstherapie
- Aufklärung über Schmerzentstehung und Verarbeitung
- Verhaltenstherapie
- Reha-Therapie
- Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation.
In so eine multimodale Therapie können Infiltrationen, wie eine Behandlung mit PRT-Spritzen, eingebettet sein.
Spritzen in Gelenke, Bandscheiben, Muskeln, Sehnen und Bänder
Neben der Infiltration rund um Nerven werden bei Rückenschmerzen auch Spritzen direkt in Bandscheiben, in Muskeln, Bänder und Gelenke der Wirbelsäule angeboten. Beispiele hierfür sind Spritzen in die Wirbelbogengelenke (Facettengelenke) oder in das Iliosakralgelenk, also zwischen Kreuzbein und Darmbein. Schmerzauslöser ist hier meist Gelenkverschleiß, der durch die Spritzen nicht beeinflusst werden kann. Daher ist ein nachhaltiger Erfolg eher unwahrscheinlich.
Auch in die Muskeln rund um die Wirbelsäule können Injektionen erfolgen, zum Beispiel mit dem Nervengift Botulinum-Toxin, bekannter als Botox. Es lähmt die Nerven und entspannt verkrampfte Muskeln.
Injektionstherapien können jedoch eine Vielzahl von Nebenwirkungen auslösen:
- unbeabsichtigte Lähmung umliegender Nerven
- Gewebe-Verletzungen
- Entzündungen
- Infektionen
- Krampfanfälle
- Blutungen
Infiltrationstherapien sollten also keinesfalls leichtfertig eingesetzt werden und Notwendigkeit und Nutzen immer einer strengen Abwägung unterliegen.
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