VIDEO: Sepsis - das unterschätzte Risiko (2 Min)

Blutvergiftung: Sepsis erkennen und schnell behandeln

Stand: 08.02.2021 12:48 Uhr

Auslöser einer Sepsis können eine Wunde oder eine Infektion irgendwo im Körper sein. Wenn Bakterien in den Blutkreislauf gelangen, kann sich daraus eine gefährliche Blutvergiftung entwickeln.

Pro Jahr erkranken in Deutschland bis zu 300.000 Menschen an den Folgen einer Blutvergiftung (Sepsis), bis zu 75.000 sterben. Damit ist sie hierzulande die dritthäufigste Todesursache. Ein vereiterter Zahn, ein Infekt mit Husten oder eine Wunde an der Hand genügen: Gelangen Bakterien in den Blutkreislauf, kann sich binnen weniger Stunden eine lebensgefährliche Blutvergiftung entwickeln.

Symptome einer Blutvergiftung sind unspezifisch

Schnelle Atmung, schneller Puls, Fieberschübe, Ganzkörperschmerzen, ein zu niedriger Blutdruck und erhöhte Entzündungswerte im Blut - das sind typische Zeichen einer Sepsis. Trotz ihrer Gefährlichkeit wird eine Sepsis oft nicht oder zu spät erkannt, denn die Symptome können auch durch andere Erkrankungen, zum Beispiel eine Grippe, verursacht sein. In einigen Fällen (circa zwölf Prozent) treten die typischen Symptome auch gar nicht auf. Vor allem bei älteren Menschen werden Anzeichen wie Verwirrtheit, Fieber und Störungen der Organfunktion zudem häufig zunächst übersehen oder fehlgedeutet. So vergeht wertvolle Zeit und die Überlebenschancen der Betroffenen sinken.

Plötzliche Verwirrtheit ist ein Alarmzeichen

Klagt ein Betroffener über schwerstes Krankheitsgefühl, entwickelt er Fieber, atmet er schnell und macht er dabei einen verwirrten Eindruck, sind das eindeutige Alarmzeichen für eine Sepsis. Entscheidend ist die plötzliche Verwirrtheit, die bei anderen schweren Infektionen wie einer Grippe nicht auftritt. In diesem Fall ist keine Zeit zu verlieren, denn es droht ein Organversagen und der Betroffene muss schnellstmöglich intensivmedizinisch behandelt werden: Sofort den Notarzt rufen (Rettungsleitstelle 112)!

Dass man eine Blutvergiftung an einem blauen oder roten Strich von einer Wunde zum Herzen erkennen könne, ist ein Irrglaube. Ein solcher Strich ist vielmehr ein Symptom einer entzündeten Lymphbahn. Unbehandelt kann sich daraus allerdings auch eine Blutvergiftung entwickeln, da die Lymphbahnen letztlich in einer Vene münden.

Wer hat ein erhöhtes Risiko?

Ab einem Alter von 50 Jahren steigt die Gefahr, eine Sepsis zu erleiden - ältere Menschen ab etwa 75 Jahren, Menschen ohne Milz und Immunsupprimierte haben aufgrund eines schwachen Immunsystems ein erhöhtes Risiko. Diabetiker sind ebenfalls besonders gefährdet und sollten ihren Blutzucker gut einstellen. Für sie alle ist es wichtig, sich impfen zu lassen - zum Beispiel gegen Grippe, Erreger der Lungenentzündung und auch gegen das Coronavirus.

Was passiert bei einer Sepsis?

Eine Sepsis beginnt immer mit einer Infektion, zum Beispiel einer eitrigen Wunde, einer Zahnwurzel-, Harnwegs-, Nasennebenhöhlen-, Gallenblasen- oder Lungenentzündung, einem geplatzten Blinddarm oder Magen-Darm-Erkrankungen. Auch nach Operationen und anderen medizinischen Eingriffen, wie dem Legen eines Dauerkatheters, kann es zu einer Sepsis kommen, wenn dabei Erreger in die Blutbahn gelangen.

In der Regel gelingt es dem Immunsystem, die Erreger erfolgreich zu bekämpfen. Bei einer Sepsis aber gerät die Lage außer Kontrolle: Die Krankheitserreger und von ihnen produzierte Giftstoffe verteilen sich über die Blutbahn und das Immunsystem reagiert darauf mit einer heftigen Entzündung im ganzen Körper.

Die weißen Blutkörperchen setzen Gifte und Botenstoffe frei, die die Erreger bekämpfen, aber auch kleine Blutgefäße schädigen und regelrecht durchlöchern. Große Mengen Flüssigkeit gelangen so ins Gewebe, die Blutgerinnung gerät außer Kontrolle und immer mehr winzige Blutgerinnsel verstopfen die Gefäße im ganzen Körper. Im weiteren Verlauf kommt es durch den resultierenden Sauerstoffmangel oft zu lebensbedrohlichen Störungen der Organfunktionen - bis hin zum sogenannten septischen Schock.

Jeder dritte Betroffene überlebt nicht

Auch wenn Intensivmediziner durch Beatmung, Blutwäsche, Kreislaufunterstützung, Gerinnungstherapie und künstliches Koma viele Organfunktionen vorübergehend ersetzen oder unterstützen können, ist die Sepsis eine sehr schwere Erkrankung, die jeder dritte Betroffene trotz maximaler Therapie nicht überlebt.

Bei einem septischen Schock stirbt sogar jeder Zweite. Da die Überlebenschance vor allem davon abhängt, wie frühzeitig die richtige Therapie eingeleitet wird, sollte eine Sepsis niemals verschleppt werden. Treten im Verlauf einer Infektionskrankheit plötzlich Symptome wie Kurzatmigkeit, Herzrasen, Wahrnehmungs- oder Gedächtnisstörungen auf, ist das ein dringender Notfall, der im Krankenhaus abgeklärt werden muss.

Behandlung mit Antibiotika

Um den Krankheitserreger zu identifizieren, nehmen Ärzte vor Therapiebeginn Blut ab und versuchen, die Keime im Brutschrank zu vermehren. Dann lässt sich besser bestimmen, um welchen Erreger es sich genau handelt und wie er am besten zu behandeln ist. Aber nur in 30 bis 40 Prozent der Fälle lässt sich der Erreger überhaupt genau ermitteln.

Bisher stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung, die das Fortschreiten der Sepsis so lange aufhalten, bis die Keime identifiziert werden und die passenden Antibiotika gegeben werden können. Schon bevor die Ergebnisse vorliegen, wird deshalb meist auf Verdacht mit Antibiotika behandelt, die gegen viele verschiedene Keime wirken. Denn je früher die Therapie beginnt, desto höher ist die Überlebenschance. In der ersten Stunde beträgt sie noch 80 Prozent. Mit jeder Stunde sinkt die Überlebenschance jedoch und es steigt die Möglichkeit des Organversagens oder dass Arme, Beine und Finger absterben.

Überlebende leiden oft an Spätfolgen einer Sepsis

Viele Betroffene, die eine Sepsis überstanden haben, brauchen lange, um sich zu erholen. Für jeden Tag Intensivtherapie rechnen Experten eine Woche Erholung. Und: Viele Betroffene leiden auch noch nach Jahren unter den Spätfolgen: Chronische Erschöpfung, Appetitlosigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, Bewegungseinschränkungen und kognitive Defizite sind typisch. Auch Organschäden und Durchblutungsstörungen oder gar Verlust von Extremitäten können die Folge sein.

Ziel der Mediziner: Blutvergiftung früher erkennen

Um die Überlebenschancen der Betroffenen zu steigen, fordern Experten regelmäßige Schulungen für Ärzte und Pflegepersonal, damit diese die einzuleitenden Schritte immer wieder trainieren. Wichtig ist dabei auch die fachübergreifende Zusammenarbeit von Anästhesisten, Chirurgen, Apothekern, Radiologen und Intensivpflegekräften.

Schnelltest in der Entwicklung

In Jena forschen Ärzte und Naturwissenschaftler zudem an innovativen optischen Methoden, die innerhalb weniger Stunden den für die Sepsis verantwortlichen Keim entlarven und sogar zeigen, ob dieser gegen bestimmte Antibiotika resistent ist oder nicht. Mit den bisherigen Laborverfahren liegen diese Informationen erst nach 24 oder 48 Stunden vor. Der damit erreichbare Zeitgewinn würde die Überlebenschance der Betroffenen deutlich erhöhen.

Experten aus dem Beitrag

Dr. Frank Wolffgramm, Direktor Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin
Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin
Klinikum Bremen-Nord

Priv.-Doz. Dr. Matthias Gründling, Oberarzt, Universitätsmedizin Greifswald
Klinik für Anästhesiologie, Anästhesie-, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin

Deutsche Sepsis-Hilfe e.V.
Am Klinikum 1
07747 Jena

Deutsche Sepsis-Gesellschaft e.V.
c/o Universitätsklinikum Jena
Am Klinikum 1
07747 Jena

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Visite | 09.02.2021 | 20:35 Uhr

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