Corona-Lockdown: Ab Mittwoch auch Niedersachsen dicht
Bund und Länder haben im Kampf gegen Corona einen Lockdown ab Mittwoch beschlossen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, er bedauere den Schritt - er sei aber notwendig.
Das exponentielle Wachstum zwinge zum schnellen Handeln, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Bund-Länder-Gespräch am Sonntag. Die Länder seien sich einig, dass die meisten Geschäfte - mit Ausnahme der Läden für den täglichen Bedarf - bis 10. Januar geschlossen bleiben sollen. Ministerpräsident Weil betonte, er sei sicher, dass die meisten Menschen "für den Schritt Verständnis haben". Im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest sagte der SPD-Politiker, er bedauere, dass man mit den neuen Regeln die Planungen vieler Menschen noch weiter einschränken werde. Diese Entscheidungen habe man sich nicht leicht gemacht. "Auch uns ist die besondere Bedeutung des Weihnachtsfestes für viele Familien bewusst. Aber wir sind uns einig, dass wir es nicht riskieren dürfen, dass infolge des Weihnachtsfestes die Zahl der Infizierten weiter steigt", so Weil. Schon jetzt arbeiteten Pflegekräfte und Ärzte - gerade auf den Intensivstationen - am Limit und die Zahl der tagtäglich an oder mit dem Coronavirus Sterbenden sei hoch. "Wir wollen alles uns Mögliche tun, um Menschenleben zu retten", sagte der Ministerpräsident.
Althusmann: "Finanzielle Hilfen unkompliziert verteilen"
Der betroffenen Wirtschaft sagten Weil und sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), weitere Hilfen zu. "Als Wirtschaftsminister tut mir das erneute Herunterfahren in der Seele weh. Ich weiß um die besondere Bedeutung des Dezembers und auch der ersten Wochen des Januars, insbesondere für den Einzelhandel - ich kenne aber auch die Infektionszahlen und die damit verbundenen Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem", so Althusmann. Der Bund habe mit etwa elf Milliarden Euro umfassende Hilfen für die von der Schließung betroffenen Unternehmen angekündigt. Diese müssten der Wirtschaft schnell und unkompliziert zur Verfügung gestellt werden. "Auch als Land unternehmen wir unser Möglichstes, um Unternehmen und Betriebe weiterhin zu unterstützen", so der Christdemokrat. "Wenn wir jetzt Ruhe bewahren, können wir uns für das Frühjahr eine gute Perspektive erarbeiten."
Die Beschlüsse im Überblick
- Offen bleiben: Der Lebensmittel-Einzelhandel, Wochenmärkte und Direktvermarkter für Lebensmittel, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Apotheken.
- Betriebe, die körperbezogene Dienstleistungen anbieten, werden geschlossen. Das betrifft Friseure, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios. Notwendige Behandlungen sind allerdings weiter möglich. Physio-, Ergo und Logotherapien sowie Fußpflege dürfen angeboten werden.
- In Senioren- und Pflegeheimen sowie bei ambulanten Pflegediensten wird es eine Testpflicht geben. In den Einrichtungen sollen dann mehrmals pro Woche das Personal und die Bewohner getestet werden. In Regionen mit einem hohen Inzidenzwert müssen Besucher ein neues negatives Corona-Testergebnis vorweisen können.
- Deutliche Kontaktbeschränkungen gelten für Kitas und Schulen. Kinder sollen "wenn immer möglich zu Hause betreut werden". Daher werden Schulen geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt. Der Beschluss sieht Notfallbetreuung und Distanzlernen vor.
- An den Weihnachtsfeiertagen ist ein Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen aus dem "engsten Familienkreis" und deren Kindern bis 14 Jahren erlaubt. Zum engsten Familienkreis zählen dem Papier zufolge Ehegatten und sonstige Lebenspartner sowie direkte Verwandte und deren Haushaltsangehörige. Ein Treffen in diesem Kreis ist laut dem Beschluss auch dann gestattet, wenn mehr als zwei Hausstände oder fünf Personen über 14 Jahren zusammenkommen.
- Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen sowie die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften sind nur zulässig, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern gewahrt werden kann. Vorgesehen ist eine Maskenpflicht auch am Platz, das Singen ist verboten. Wenn eine volle Besetzung erwartet wird, sollen sich die Besucher anmelden.
- Silvester und Neujahr werden ein bundesweites Versammlungsverbot und ein Feuerwerksverbot auf publikumsträchtigen Plätzen gelten, die von den Kommunen bestimmt werden. Der Verkauf von Pyrotechnik ist dieses Jahr generell verboten. In der Öffentlichkeit gilt ein Alkoholverbot - ebenfalls vom 16. Dezember bis 10. Januar. Verstöße sollen mit einem Bußgeld geahndet werden.
Viele Weihnachtseinkäufer am Sonnabend
Ministerpräsident Weil appellierte an die Menschen, nicht an den letzten beiden verbleibenden Einkaufstagen in die Innenstädte zu strömen. Bereits am Sonnabend hatten viele in Niedersachsen und Bremen, wohl auch angesichts der Diskussionen um Geschäftsschließungen, die Gelegenheit zum Weihnachtseinkauf genutzt. "Im Vergleich zu den Vorwochen merkt man, dass mehr Menschen dagewesen sind", sagte Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Niedersachsen-Bremen. Dies dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Umsätze vor dem dritten Advent in diesem Jahr 40 bis 50 Prozent unter denen des Vorjahres lägen.
Droht in Kliniken an Weihnachten die Triage?
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) wurden innerhalb eines Tages bundesweit 321 weitere Todesfälle und 20.200 neue Infektionen übermittelt. Der Höchststand war am Freitag mit 598 Toten und 29.875 gemeldeten Fällen erreicht worden. In Niedersachsen meldete das Landesgesundheitsamt (NLGA) am Sonntag 1.139 Neuinfektionen. Mit oder an dem Virus sind weitere vier Menschen gestorben. Mediziner warnen vor einer dramatischen Lage in den deutschen Krankenhäusern zu Weihnachten und der sogenannten Triage - also der Abwägung, welcher Patient noch ausreichend intensivmedizinisch behandelt werden kann. Gebe es in den kommenden zwei Wochen pro Tag im Schnitt 30.000 Neuinfektionen, habe man Weihnachten 420.000 Infizierte, so die Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Da ein Teil davon schwere Krankheitsverläufe zeige, sei eine ausreichende intensivmedizinische Betreuung eventuell nicht mehr für alle möglich. Wie darüber entschieden werden könnte, hatte der aus Niedersachsen stammende Virologe Christian Drosten Anfang November bei einer Veranstaltung im Emsland erklärt.
