Ukraine-Krieg: Wer unterrichtet die geflüchteten Kinder?
Bis zu 400.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine werden in Deutschland erwartet. Wer soll sie am besten unterrichten? In Norderstedt hat man dafür kurzerhand eine Lösung gefunden.
Bis zu 400.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine werden in Deutschland erwartet. Und einige sind bereits da. Aber wer soll sie am besten unterrichten? An der Gemeinschaftsschule Harksheide in Norderstedt hat man dafür kurzerhand eine Lösung gefunden und eine Englisch-Lehrerin eingestellt, die - genau wie ihre Schüler - gerade erst vor Krieg und Zerstörung aus der Ukraine geflohen ist. Ein starkes Band, das Lehrerin und Kindern nun Halt gibt. Doch am Anfang stand vor allem die Angst vor der neuen Situation: "Am Anfang war ich sehr erschöpft und verängstigt", erzählt Iryna Mikulska. "Aber jetzt fühle ich mich wohl, weil ich spüre, dass die Menschen mich hier brauchen. Als ich nach Deutschland kam, habe ich mich sehr einsam gefühlt, aber jetzt habe ich hier Freunde, Kinder und Kollegen um mich rum und ich fühle mich wohl und sehr gut."
Ukraine: Der Krieg begleitet Lehrerin wie Schülerinnen und Schüler
Iryna Mikulska ist 38 Jahre alt und Englisch-Lehrerin aus Kiew. Anfang März kam sie nach Hamburg. Jetzt verbringt sie ihre Tage vor ihrer neuen Schulklasse - an der Gemeinschaftsschule Harksheide in Norderstedt. 15 Kinder zwischen zehn und 15 Jahren - sie alle sind gerade erst aus der Ukraine geflohen. Und sie sprechen kaum Deutsch, manche nur wenig Englisch. Iryna Mikulska hilft ihnen beim Ankommen. Als Lehrerin, Übersetzerin, Freundin. Doch bevor sie sich an ihrer neuen Schule so richtig wohl fühlte, wollte sie selbst eigentlich nur eines: zurück.
"Ich wollte zurück nach Kiew. Ich wollte hier nicht bleiben", berichtet Mikulska. "Hierher zu kommen, war eine spontane Entscheidung, weil es in Kiew so furchtbar war. All diese Sirenen - ständig, jede Stunde. Wir mussten unsere Sachen packen und uns im Bunker verstecken. Aber als ich dann in Deutschland war, wollte ich zurück, denn in der Ukraine war es schlimm, aber hier stand ich auch nur unter Stress." Die Registrierung in Deutschland, die Unsicherheit über die Situation zu Hause, ständig auf fremde Hilfe angewiesen sein: All das belastet Mikulska in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft in Hamburg. Schnell wird ihr klar: Sie braucht eine neue Aufgabe, die sie von all dem ablenkt: "Die Schulen haben nach Lehrkräften aus der Ukraine gesucht. Und ich habe entschieden: Ich schaffe das. Ich will nicht zu Hause bleiben und stundenlang Nachrichten schauen. Ich will einfach so sein wie ein normaler Mensch."
Iryna Mikulska: "Ein Teil der Ukraine ist mit ihnen hier"
Jetzt unterrichtet sie ihre Klasse in Ukrainisch und Englisch, spricht aber mit ihren Schülerinnen und Schüler kaum über das, was aktuell in der Ukraine passiert. Die Kinder sollen eine Pause haben, Pause vom Krieg. Viel wichtiger sei, sich gegenseitig Halt zu geben. "Ich bin in der gleichen Situation wie die Kinder", Mikulska. Es sei leichter für sie ihre Bedürfnisse, Probleme, Träume und Wünsche zu verstehen. Sie seien auf einer Wellenlänge. "Das hilft mir und das hilft ihnen. Ich bin wie eine Erinnerung, dass ein Teil der Ukraine mit ihnen hier ist."
Das Miteinander im Klassenraum trägt sie durch unsichere Zeiten - die Lehrerin genau wie ihre Schülerinnen: "Dadurch, dass meine Lehrerin aus meiner Heimat kommt, fühle ich mich ein bisschen wohler", berichtet die Schülerin Angelina. "Wenn Du nicht ständig an die Nachrichten denkst und stattdessen an die Schule und daran denkst, noch mehr zu lernen, vergisst du die schlimmen Dinge für eine Weile." Auch Schülerin Marina findet: "Die Schule hilft mir und ich denke an was anderes, wenn ich hier bin."
Ein neuer Alltag im Grundrauschen des Kriegs. Über die Zukunft möchte sich Iryna Mikulska jetzt gerade keine Gedanken machen: "Ich weiß nicht, was ich über meine Zukunft sagen soll. Ich weiß es nicht. Ich will zurück nach Hause. Aber hier in diesem Moment fühle ich mich sicher."
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